Schlafstörungen (Seite 5/9)

Schlafwandeln (Somnambulismus)

Vorwiegend psychisch bedingtes teilweises Erwachen aus dem Tiefschlaf (Parasomnie)

Bei den Parasomnien treten die Symptome dagegen im Schlaf oder beim Übergang vom Wachzustand in den Schlaf bzw. vom Schlaf in den Wachzustand auf.

Bei dieser Schlafstörung kommt es zu einem teilweisen Erwachen aus dem Tiefschlaf. In diesem Zustand haben die Betroffenen nur wenig Bewusstsein, führen aber Handlungen aus, die man normalerweise nur im Wachzustand macht. Häufig sind dies einfache, wiederholt ausgeführte Bewegungen, z. B. Aufsetzen im Bett, Kaubewegungen oder Herumzupfen an der Kleidung. Es können aber auch komplexe Handlungen vorkommen, wie Umherlaufen, Putzen oder Kochen. Dabei haben die Betroffenen die Augen offen, ihr Gesichtsausdruck ist jedoch starr, sie reagieren kaum auf Umgebungsreize und sind nur schwer aufzuwecken. Nach dem Aufwachen haben sie keine Erinnerung an die Episode. Schlafwandeln tritt meist im ersten Drittel der Nacht auf, in dem auch der meiste Tiefschlaf vorkommt.

Häufigkeit und Verlauf

Zehn bis 30 Prozent der Kinder und Jugendlichen haben mindestens einmal eine Phase, in der sie schlafwandeln. Bei 15 Prozent tritt die Störung gelegentlich auf. In der Regel beginnt das Schlafwandeln im vierten bis achten Lebensjahr und legt sich meist im Jugendalter von alleine wieder. Es sind in etwa gleich viele Jungen und Mädchen betroffen. In manchen Fällen treten in Zusammenhang mit dem Schlafwandeln andere Störungen im Schlaf auf. Zu diesen gehören der Pavor Nocturnus (siehe unten), das Restless-Legs-Syndrom (siehe unten), Atemstörungen im Schlaf (siehe unten) und nächtliches Einnässen.

Bei Erwachsenen kommt Schlafwandeln deutlich seltener vor. Hier sind etwa bei ein bis sieben Prozent der Bevölkerung betroffen. Wenn Erwachsene schlafwandeln, dauert die Störung meist länger an und das Schlafwandeln tritt häufiger auf. In einigen Fällen kann eine andere psychische Störung dahinter stehen, dies muss aber nicht immer der Fall sein.

Ein 15-jähriges Mädchen setzt sich nachts im Bett auf, macht schmatzende Geräusche, bewegt die Arme und murmelt etwas vor sich hin. Nach kurzer Zeit legt es sich wieder hin und schläft weiter.

Ein 11-jähriger Junge steht regelmäßig in der Nacht auf, geht in ein anderes Zimmer, legt sich dort hin und schläft weiter. Am nächsten Morgen wird er von der Familie unter dem Tischtennistisch, im Schrank oder zwischen seinen Spielsachen auf dem Boden gefunden. Er selbst kann sich nicht erinnern, wie er dorthin gekommen ist.

Eine 31-jährige Frau steht mitten in der Nacht auf, geht zum Schrank im Flur, holt die Putzsachen heraus und beginnt, das Bad und die Küche zu putzen. Nach einiger Zeit legt sie sich ins Bett zurück und schläft weiter.

Ein 40-jähriger Mann wacht nachts von seinen eigenen Hilferufen auf dem Dach eines Hauses auf. Wie er dorthin gekommen ist, weiß er nicht.

Ursachen und Erklärungsmodelle

Schlafwandeln tritt in manchen Familien gehäuft auf, so dass man davon ausgeht, dass genetische Faktoren bei der Störung von Bedeutung sind. Außerdem wird angenommen, dass eine Unreife des zentralen Nervensystems beim Schlafwandeln eine Rolle spielt. Diese Annahme würde auch erklären, warum die Störung im Jugendalter, also mit zunehmender Reifung des Gehirns, meist von alleine wieder aufhört.

Auslöser für Episoden, in denen Schlafwandeln auftritt, sind Faktoren, die den Tiefschlaf erhöhen. Dies sind z. B. anhaltender Schlafmangel und fieberhafte Erkrankungen. Auch Stress kann ein Auslöser für Episoden mit Schlafwandeln sein.

Behandlungsansätze und Selbsthilfemöglichkeiten

In den meisten Fällen ist beim Schlafwandeln keine spezielle Therapie notwendig. Im Wachzustand verhalten sich die Betroffenen unauffällig, und bei Kindern und Jugendlichen verschwindet die Störung meist von alleine wieder. Daher reicht es meistens aus, gefährliche Gegenstände aus dem Umfeld des Betroffenen zu entfernen und Türen und Fenster gut zu verschließen, so dass der Schlafwandler nicht in gefährliche Situationen kommt. Außerdem sollte man Schlafwandler nicht wecken, da sie dann meist verwirrt und desorientiert sind. Manche Experten empfehlen auch, den Schlafwandler behutsam zu seinem Bett zurückzuführen, ohne ihn dabei zu wecken.

Weiterhin ist es sinnvoll, wenn die Betroffenen eine gute Schlafhygiene (siehe oben) einhalten. So kann ausreichender und regelmäßiger Schlaf dazu beitragen, dass es nicht zu einem Schlafdefizit kommt, welches das Schlafwandeln begünstigt. In manchen Fällen können Entspannungsverfahren wie die Progressive Muskelentspannung nach Jacobson oder das Autogene Training hilfreich sein, weil sie dazu beitragen, Stress abzubauen.

Ausschluss anderer Erkrankungen

Hinter automatischen Bewegungen wie wiederholten Kau- oder Schmatzbewegungen oder anderen Bewegungsabläufen im Schlaf können in manchen Fällen auch kurze epileptische Anfälle (so genannte Petit-Mal-Anfälle) stecken. Wenn ein Kind oder ein Familienmitglied auffällige nächtliche Bewegungen oder Verhaltensweisen zeigt, ist es deshalb immer sinnvoll, mit einem Arzt darüber zu sprechen. Dieser wird dann möglicherweise zu einer weiteren Abklärung, z. B. zu einer Untersuchung im Schlaflabor (siehe oben) raten. Bei dieser Untersuchung können epileptische Anfälle erkannt bzw. ausgeschlossen werden. Gleichzeitig können hier auch andere mögliche Erkrankungen, die mit dem Schlafwandeln in Zusammenhang stehen können, diagnostiziert werden – z. B. ein Restless-Legs-Syndrom (siehe unten) oder Atemstörungen im Schlaf (siehe unten).

Medikamentöse Therapie

Meistens ist bei Schlafwandeln keine medikamentöse Therapie notwendig. In seltenen Fällen, bei denen das Schlafwandeln sehr ausgeprägt und sehr anhaltend ist, werden manchmal Antidepressiva oder Schlafmittel aus der Gruppe der Benzodiazepine in niedriger Dosierung verordnet. Bei letzteren besteht jedoch bei langfristiger Einnahme die Gefahr einer Abhängigkeit und anderer unerwünschter Wirkungen (siehe Abschnitt Medikamentöse Therapie im Kapitel Nichtorganische Insomnie).

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