Erfahrungsberichte 'Therapie hat mir geholfen' (Seite 8/11)

„Ich nehme die Krankheit an“

Erfahrungsbericht von Silvana, 43 Jahre, aus Oberbayern Art der Therapie: Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie

therapie.de: Was waren die Gründe dafür, eine Therapie zu beginnen? Wie haben Sie den Weg in die Therapie gefunden?

Vor ungefähr sieben Jahren habe ich starke Ängste erlebt. Damals wurde bei mir ein grüner Star festgestellt. Ich hatte auf einmal furchtbare Angst, die Augen geschlossen zu lassen und Angst davor, blind zu werden. Das war eigentlich irrational, weil ich ja Augentropfen bekommen habe, so dass ja nichts Schlimmes passieren konnte.

Die Ängste waren der Grund, dass ich zu einer Therapeutin gegangen bin. In der Therapie kam auch heraus, dass ich unter Winterdepressionen leide. Ich hatte oft schlimme Stimmungstiefs und Zeiten, in denen ich nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll.

Ich bin alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, einer 17jährigen Tochter und einem 13jährigen Sohn. Nebenbei war ich immer in Vollzeit berufstätig. Das war einfach zu viel, ich habe mich oft überfordert gefühlt.

therapie.de: Welche Art von Therapie haben Sie gemacht? Wie lange hat die Therapie gedauert und wie oft fanden die Termine statt?

Ich bin bei einem Ehepaar zur Therapie gegangen. Der Mann war Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, er hat mir Medikamente verschrieben. Bei seiner Frau hatte ich dann die Therapiestunden. Diese haben einmal in der Woche, alle zwei Wochen und manchmal auch mal nur alle vier Wochen stattgefunden – je nachdem, wie es mir gerade ging und wie oft ich Hilfe gebraucht habe.

therapie.de: Wie sah der Ablauf der Therapie aus? Was wurde dort gemacht?

Ich konnte in der Therapie über meine Probleme sprechen. Die Therapeutin hat mich dann auch gefragt: Was würde Ihnen gut tun? Sie hat mir gezeigt, wie ich mir etwas Gutes tun und mich selbst stärken kann. Zum Beispiel, indem ich Sport treibe, etwas Schönes mache oder mir mal eine Auszeit nehme.

Sie hat mich und meine Probleme gut verstanden und hatte auch immer konkrete Tipps oder Lösungsvorschläge parat. Gleichzeitig hat sie mir geholfen, mich selbst besser zu akzeptieren.

Daneben hat mir die Therapeutin ein Online-Programm für Depressionen empfohlen. Dort wird zum Beispiel gefragt, wie es mir an diesem Tag geht und wie ich mit bestimmten Situationen umgehe. Dann macht das Programm Vorschläge, was ich anders machen könnte oder welches Verhalten ich mal ausprobieren könnte. Das ist für mich auch ganz hilfreich, weil ich ja nicht jeden Tag in der Therapie bin.

therapie.de: Auf welche Art hat die Therapie Ihnen geholfen? Was haben Sie als besonders hilfreich erlebt?

Die Therapeutin hat mich immer aufgebaut und mir neuen Mut gegeben. Vor den Stunden wusste ich manchmal gar nicht, wie alles weitergehen soll. Aber nach der Stunde habe ich gedacht: „Jetzt geht es wieder weiter.“

Früher habe ich oft gedacht, dass ich eine schlechte Mutter bin und hatte oft ein schlechtes Gewissen. Das Verhältnis zu meiner Tochter ist nicht so, wie ich es mir wünschen würde. Auch mit meinem Sohn gab es immer wieder schwierige Situationen. Durch die Therapie habe ich nach und nach verstanden, dass das nicht alles an mir liegt und dass ich keine schlechte Mutter bin.

Ich habe verstanden, dass die Depression eine Krankheit ist und dass vieles – zum Beispiel wenn ich niedergeschlagen bin oder nicht genug Energie für etwas habe – an der Krankheit liegt und ich nicht daran schuld bin. Durch die Therapie habe ich aber auch gelernt, dass man mit dieser Krankheit leben kann.

Wie schon gesagt, hat mir die Therapie geholfen, mehr auf mich selbst zu achten und mir selbst etwas Gutes zu tun. Ich habe gemerkt, dass ich nur dann gut für andere da sein kann, wenn ich selbst genug Kraft habe und gut für mich selbst sorge.

therapie.de: Wie war Ihr Verhältnis zur Therapeutin? Was war charakteristisch am Verhalten der Therapeutin?

Die Therapeutin hat mir zugehört und wir haben gute Gespräche geführt. Sie hat meine Situation verstanden, weil sie selbst auch Familie hat und die verschiedenen Probleme gut kennt. Sie konnte mir immer konkrete Tipps geben, wie ich mich verhalten soll oder was ich für mich tun könnte.

Hilfreich war für mich auch, dass ich immer auf ihre Unterstützung bauen konnte. Teilweise gab es Situationen, wo es mir überhaupt nicht gut ging und ich allein nicht mehr weiter gekommen bin. Dann konnte ich immer anrufen und einen extra Termin ausmachen.

therapie.de: Was war bei Ihnen selbst (bei Ihren Einstellungen, Ihrem Verhalten) wichtig für die Therapie?

Früher habe ich oft den Spruch gehört: „Es wird alles gut“ oder „Es kann alles nur besser werden“. Das konnte ich irgendwann nicht mehr hören. Aber inzwischen nehme ich diese Aussage gerne an. Ich habe gemerkt, dass meine eigene Einstellung zu meinen Problemen ganz entscheidend ist. Man muss wirklich wollen, dass es einem besser geht – und dann auch selbst daran arbeiten.

therapie.de: Gab es auch mal schwierige Situationen während der Therapie?

Nein, ich habe mich in der Therapie immer wohl und verstanden gefühlt.

therapie.de: Was hat sich bis jetzt alles verbessert?

Wie beschrieben hat mir die Therapie sehr geholfen, meine Erkrankung zu akzeptieren und besser mit ihr zu leben. Ich bin wieder aktiver geworden und habe mehr Selbstbewusstsein. Ich versuche jetzt, mein Leben so zu gestalten, dass ich mich nicht überlaste. Zum Beispiel möchte ich in Zukunft einen Job suchen, bei dem ich nicht in Vollzeit arbeiten muss, damit ich genug Zeit für die Kinder habe und mich selbst nicht überfordere.

Ich weiß jetzt, dass es wichtig ist, immer wieder den nächsten Schritt zu gehen. Und dass ich mir Hilfe suchen muss, wenn ich es allein nicht mehr schaffe.

therapie.de: Was tun Sie jetzt, damit es Ihnen weiterhin gut oder noch besser geht?

Ich bin immer noch in Therapie. Mein Ziel ist es, mehr Gelassenheit zu bekommen und mir bei Schwierigkeiten nicht so viel Stress zu machen. Oder anders gesagt, ich möchte die Gelassenheit, wenn ich sie einmal erreicht habe, länger beibehalten. Und ich möchte es schaffen, die guten Phasen, in denen ich alles positiver sehe und stärker selbst aktiv werde, zu verlängern.

Interview: Dr. Christine Amrhein