Senioren sind oft unbemerkt psychisch krank
Auf "Ältere" zugeschnittene Psychotherapie verspricht Erfolge
26.02.2013 Von Dr. Christine Amrhein
Viele ältere Menschen leiden – ebenso wie jüngere – an psychischen Problemen. Bei den über 65-Jährigen sind etwa 25 Prozent von psychischen Erkrankungen betroffen. Dabei ist etwa die Hälfte der Erkrankungen leicht ausgeprägt, die andere Hälfte so schwer, dass eine Behandlung erforderlich ist. Psychische Störungen bei Menschen im höheren Lebensalter werden oft gar nicht erst erkannt.
Ältere haben häufig eine größere Scheu, sich gegenüber dem Arzt oder Angehörigen offen mitzuteilen, sei es aus Angst, stigmatisiert oder für verrückt erklärt zu werden oder sie glauben, sich zusammenreißen zu müssen. In vielen Fällen verbergen sich die seelischen auch hinter körperlichen Problemen. Manche haben bereits eine langjährige Krankheitsgeschichte hinter sich, andere entwickeln im höheren Alter zum ersten Mal psychische Symptome oder sogar eine psychische Erkrankung.
Im Großen und Ganzen ähneln die Symptome psychischer Erkrankungen bei älteren Menschen denen jüngerer Erwachsener. Auch die Behandlungsansätze unterscheiden sich meist nicht wesentlich. Trotzdem werden psychische Erkrankungen bei Älteren häufig nicht fachgerecht behandelt, weil z.B. Hausärzte die Signale nicht erkennen oder aber sehr schnell Psychopharmaka verschreiben.
„Nach einer Untersuchung der Gmünder Ersatzkasse nimmt spätestens ab 60 Jahren die Häufigkeit von Psychotherapien steil ab, ab 75 Jahren werden diese kaum noch in Anspruch genommen, obwohl sie auch im höheren Alter wirksam sind.“ Bestätigt werden diese Ergebnisse von einer Studie zur ambulanten psychotherapeutischen Behandlung älterer Menschen durch niedergelassene Psychotherapeuten. Hier waren nur 5% der Patienten über 60 Jahre alt - bei einem Bevölkerungsanteil von 20%. 90% der befragten Psychotherapeuten sagten, dass sie keinen einzigen Klienten über 60 Jahre behandeln.
Psychotherapie erhöht auch im Alter die Lebensqualität der Betroffenen
Lange Zeit wurden Wissenschaft und Gesellschaft von dem Bild geprägt, dass Älterwerden quasi automatisch mit einem allgemeinen Niedergang der körperlichen, geistigen und psychischen Fähigkeiten verbunden sei. Viele wissenschaftliche Studien haben dieses falsche Bild des sog. „Defizitmodells“ mittlerweile korrigiert. So kommt z.B. die „Baltimore Longitudinal Aging Study“ zu dem Ergebnis, dass Altern nicht auf allgemeine Art mit dem Verlust von psychischen und physischen Fähigkeiten einhergeht, sondern ein sehr individueller Prozess ist.
Zahlreiche neuere wissenschaftliche Erhebungen zeigen, dass alternde Menschen, das Älterwerden positiver wahrnehmen, wenn sie ihr Leben weiterhin möglichst lange aktiv und selbstbestimmt gestalten können. Grundlage eines solchen „selbstbestimmten“ Älterwerdens ist das Erhalten bzw. Wiederlangen der Gesundheit, auch der seelischen.
Auch im höheren Lebensalter lohnt es sich also „noch“, sich bei psychischen Problemen professionelle Hilfe zu suchen. Allerdings gibt es im höheren Lebensalter einige Besonderheiten, auf die in diesem Artikel näher eingegangen wird.