Paartherapie: Überwinden von Paarkonflikten

Therapie oder Beratung für ein liebevolleres Miteinander

12.05.2016 Von Dr. Christine Amrhein

In einer Paartherapie geht es darum, akute oder chronische Konflikte in einer Partnerschaft zu bearbeiten und zu überwinden. Ziel der Therapie ist es, die Kommunikations-, Beziehungs- und Partnerschafts-Fähigkeiten der beiden Partner zu stärken. Im Lauf der Therapie lernen beide Partner, die Hintergründe der Konflikte und ihren eigenen Anteil daran und gleichzeitig ihren Partner besser zu verstehen. Außerdem erarbeiten sie gemeinsam mit dem Therapeuten Strategien, um Probleme und Stresssituationen besser zu bewältigen.

Eine wichtige Voraussetzung für eine Paartherapie ist, dass beide Partner einverstanden sind, die Therapie zu machen und bereit sind, aktiv an Veränderungen mitzuarbeiten. In der Regel werden die Partner gemeinsam zu den Therapiestunden eingeladen. Es kann aber auch sinnvoll sein, von Zeit zu Zeit mit einem oder beiden Partnern Einzelsitzungen durchzuführen.

Im Gegensatz zu einer Paar- oder Eheberatung ist eine Paartherapie meist langfristiger angelegt und geht bei der Bearbeitung der Probleme mehr in die Tiefe. Allerdings können die Übergänge zwischen Eheberatung und Paartherapie fließend sein, weil beide Begriffe nicht gesetzlich geschützt sind.

Vorgehensweise in einer Paartherapie

In einer Paartherapie wird zum einen geschaut, welche äußeren Faktoren zu Problemen führen und wie sie verändert werden können – etwa, wenn sich beide Partner bei Erziehungsfragen uneinig sind oder wenn sie durch vielfältige Verpflichtungen kaum noch gemeinsame Zeit miteinander verbringen. Gleichzeitig wird ihnen Raum gegeben, um über tiefergehende Themen zu sprechen: zum Beispiel über Wünsche und Bedürfnisse an die Partnerschaft, Ängste, Enttäuschungen und Verletzungen.
Die Probleme und Konflikte in einer Partnerschaft entstehen immer durch die wechselseitigen Beziehungsmuster zwischen beiden Partnern. Deshalb wird viel mit Methoden der systemischen Therapie gearbeitet. Gleichzeitig geht es oft um Themen aus dem bisherigen Leben, die das Verhalten in der Partnerschaft beeinflussen. Deshalb spielen in der Paartherapie auch psychoanalytisch orientierte Ansätze eine Rolle.

Der Therapeut arbeitet in den Gesprächen die typischen Muster heraus, durch die ein Paarkonflikt entsteht und eskaliert. So kann es zum Beispiel sein, dass sich ein Konflikt zuspitzt, weil beide Partner das Gleiche machen: Beide schreien sich an und werfen sich Gemeinheiten an den Kopf (symmetrische Eskalation). Es kann aber auch sein, dass sich das Verhalten beider Partner im Konflikt „ergänzt“: Je mehr der eine Partner fordert, dass der andere bei alltäglichen Aufgaben hilft, desto weniger ist der andere bereit, etwas zu tun (komplementäre Eskalation).

Oft ist es hilfreich zu verstehen, welche Themen aus den Herkunftsfamilien der Partner im Streit auftauchen. Zum Beispiel kann es sein, dass ein Partner schon in der Kindheit wenig Verlässlichkeit oder viel Strenge erlebt hat und deshalb sehr stark reagiert, wenn er das Verhalten des Partners als ähnlich empfindet. Solche Beziehungsmuster und Grundorientierungen sollen in der Therapie genauer verstanden und durch neue, konstruktivere Formen des Umgangs miteinander ersetzt werden.

In der Ehe von Holger und Bettina kommt es in der letzten Zeit immer öfter zu Streit. Holger ist sauer, dass Bettina oft „einfach so“ neue Dinge kauft und dabei aus seiner Sicht zu großzügig mit dem Geld umgeht. Im Streit wirft er ihr zum Beispiel vor: „Du hast schon wieder zu viel Geld ausgegeben. Ständig gehst Du shoppen und kaufst völlig unnötige Sachen!“ Bettina wehrt sich, sie findet die Vorwürfe nicht gerechtfertigt.

Als der Streit immer lauter wird, zieht sie sich schließlich in ihr Zimmer zurück. Holger ruft ihr wütend hinterher: „Verdammt noch mal, bleib hier! Nie hörst Du mir zu!“ In den nächsten Stunden gehen sich die beiden aus dem Weg und wechseln kein Wort mehr miteinander. Bettina ist beleidigt und verletzt, Holger kocht innerlich – er sieht jetzt eigentlich nur noch negative Eigenschaften an seiner Frau.

In den Paargesprächen wird deutlich, dass Bettina seit ihrer Kindheit oft massive Kritik erlebt hat. Sie empfindet die Vorwürfe von Holger deshalb als sehr heftig: „Du bist eine Niete, du taugst nichts.“ Deshalb tut sie das Einzige, bei dem sie sich sicher und geschützt fühlt: Sie zieht sich in ihr Zimmer zurück. Gleichzeitig wird deutlich, dass Holger in seiner Vergangenheit oft erlebt hat, dass er nicht gehört und nicht ernst genommen wird. Das macht ihn richtig wütend und führt dazu, dass er immer mehr auf dem Thema beharrt und mehr Vorwürfe macht, als es der Sache eigentlich angemessen wäre.

Durch abwechselnde Fragen an beide Partner arbeitet die Therapeutin die typische Dynamik des Konflikts heraus: Holger kritisiert Bettina – sie zieht sich zurück – er wird immer wütender und übt noch massivere Kritik – Bettina zieht sich noch stärker zurück, redet nicht mehr mit ihm... usw.