Psychopharmaka
Medikamente zur Behandlung psychischer Krankheiten
31.10.2012 Von Dr. Christine Amrhein
Immer mehr Menschen sind von psychischen Problemen betroffen: Laut einer aktuellen Untersuchung des Robert-Koch-Instituts leidet pro Jahr ein Drittel der Erwachsenen an einer psychischen Störung. Die Behandlungsmöglichkeiten sind vielfältig und hängen unter anderem von der Art der psychischen Erkrankung, ihrer Dauer und ihrem Schweregrad ab. Zu ihnen gehört in erster Linie die Psychotherapie, die den Betroffenen hilft, Schwierigkeiten aktiv zu bewältigen und neue Verhaltensmöglichkeiten zu erlernen. Ähnliche Ziele haben auch Selbsthilfegruppen und sozialtherapeutische Maßnahmen.
Auf der anderen Seite werden häufig auch Psychopharmaka eingesetzt, um Symptome zu verringern und psychisches Leiden zu lindern. In vielen Fällen ist es sinnvoll, psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungsmaßnahmen zu kombinieren. Häufig ist die Medikation dabei die Basis, die es dem Betroffenen ermöglicht, wieder Beziehungen zu anderen Menschen aufzubauen und Probleme aktiv anzugehen. Substanzen, die sich auf die Psyche auswirken – also auf unsere Stimmung, unser Denken, unsere Wahrnehmung und unser Verhalten – werden im Grunde schon seit Tausenden von Jahren eingesetzt, zum Beispiel in Form von Alkohol oder Tabak.
Medikamente, die psychische Prozesse gezielt beeinflussen und zur Behandlung psychischer Erkrankungen eingesetzt werden, gibt es jedoch erst seit etwa 60 Jahren. Für viele Betroffene können solche Medikamente hilfreich sein – für andere sind die Nebenwirkungen so belastend, dass sie die Anwendung abbrechen oder Psychopharmaka grundsätzlich ablehnen.
Definition: Unter Psychopharmaka versteht man Substanzen, die sich auf die Steuerung von Prozessen im zentralen Nervensystem auswirken und so einen Einfluss auf verschiedene psychische Funktionen haben. Die meisten Substanzen werden zur Behandlung psychischer Erkrankungen eingesetzt, manche kommen aber auch in anderen Bereichen zur Anwendung, zum Beispiel in der Schmerztherapie oder in der Anästhesie.
Manche Menschen fürchten auch, von einem Medikament abhängig zu werden, sich in ihrer Persönlichkeit zu verändern oder auf diese Weise nur „ruhig gestellt“ zu werden, ohne dass sich die eigentliche Erkrankung bessert. Über den Nutzen von Psychopharmaka wird daher oft kontrovers und zum Teil sehr emotional diskutiert.
Wichtig ist also, dass Patienten, die Psychopharmaka einnehmen, einen fachkundigen Arzt aufsuchen, der sie auch im Verlauf der Behandlung engmaschig betreut. Auf das Gebiet der Psychiatrie spezialisierte Ärzte lassen sich an den Fachbezeichnungen „Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie“, „Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie“ und „Facharzt für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie und -psychotherapie“ erkennen. Ein fachkundiger Behandler wird versuchen, aus der Vielzahl der Medikamente dasjenige auszuwählen, das für die Symptome und die Lebenssituation des Betroffenen am besten geeignet ist. Je nach Wirksamkeit und Nebenwirkungen kann es im Verlauf der Behandlung notwendig sein, die Dosierung anzupassen und manchmal auch das Medikament zu wechseln. In vielen Fällen können Psychopharmaka dann dazu beitragen, belastende Symptome zu lindern und die Lebensqualität deutlich zu verbessern.
Biologischer Wirkmechanismus von Psychopharmaka
Psychopharmaka beeinflussen den Stoffwechsel der so genannten Neurotransmitter im Gehirn. Neurotransmitter sind Botenstoffe, die es möglich machen, an chemischen Synapsen Informationen von einer Nervenzelle an eine andere weiterzugeben. Die Information gelangt dabei in der „Senderzelle“ – der so genannten präsynaptischen Nervenzelle – zunächst in Form von elektrischen Impulsen bis zum synaptischen Spalt, der Kontaktstelle zwischen den Nervenzellen. Dadurch werden biochemische Botenstoffe ausgeschüttet, die die Information über den synaptischen Spalt an die „Empfängerzelle“ – die so genannte postsynaptische Nervenzelle – weitergeben. Anschließend werden die Neurotransmitter im synaptischen Spalt in unterschiedlicher Geschwindigkeit wieder abgebaut.
Man geht heute davon aus, dass viele psychische Erkrankungen durch Störungen im Haushalt der Neurotransmitter zustande kommen. Gleichzeitig kann auch die Dichte und die Empfindlichkeit der Rezeptoren – also der Empfangsstellen für die Neurotransmitter an den Nervenzellen – verändert sein. Psychopharmaka werden mit dem Ziel eingesetzt, den Haushalt der Neurotransmitter wieder so weit wie möglich zu normalisieren. Dies geschieht zum Beispiel dadurch, dass sie die Menge der Neurotransmitter im synaptischen Spalt erhöhen bzw. verringern. Psychopharmaka können aber auch die Anzahl und / oder die Empfindlichkeit der Rezeptoren an der postsynaptischen Nervenzelle beeinflussen.