Wie läuft eine Therapie mit EMDR ab?

Die EMDR-Behandlung läuft sehr strukturiert in 8 Phasen ab

Damit überhaupt eine Behandlung mit EMDR stattfinden kann, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Der Therapeut sollte unbedingt auch psychotherapeutisch in dem Störungsbild ausgebildet und erfahren sein, in dem er EMDR anwenden möchte.
Der Klient selbst muss dazu bereit sein, dass die Therapie das Trauma aufdecken kann. Etwaige schwere körperliche Krankheiten müssen ausreichend behandelt werden, auch Begleiterkrankungen, die in einem Zusammenhang mit dem Trauma stehen, zum Beispiel eine Depression oder Angststörung. Außerdem sollte unbedingt sichergestellt sein, dass der Klient vor einem Täterkontakt geschützt ist, sollte das Trauma beispielsweise aufgrund eines Gewaltverbrechens entstanden sein.

Erinnerungen verlieren emotionsgeladenen Charakter

Zu Beginn der Behandlung werden das Trauma des Klienten und die mit ihm verbundenen Symptome genau analysiert. Der Klient vergegenwärtigt sich das traumatische Erlebnis in Gedanken und Gefühlen und erlebt auf diese Weise das belastende Ereignis noch einmal. Gleichzeitig folgt er mit den Augen den Handbewegungen des Therapeuten oder wird auf andere Weise bilateral stimuliert. Mittlerweile gibt es sogar Geräte, die den Zeigefinger des Therapeuten durch ein buntes bewegtes LED-Lichtband ersetzen. Durch die zweiseitige abwechselnde Stimulation, kann der Klient seine Erinnerungen an das traumatische Erlebnis, die im Gehirn bis dahin noch nicht wirklich verarbeitet worden sind, beschleunigt reprozessieren, also neu oder wiederverarbeiten.

Die Erinnerung verliert ihren für ein Trauma typischen intrusiven und emotionsgeladenen Charakter. Eine Intrusion ist ein meist durch einen Schlüsselreiz immer wieder quälend sich aufdrängendes Wiedererleben des traumatischen Ereignisses, ohne dass der Betroffene das steuern könnte.

Phase 1: Vorgeschichte und Behandlungsplanung

Zunächst wird die Vorgeschichte erhoben. Nachdem der Therapeut Kontraindikationen ausgeschlossen hat — eine Kontraindikation ist ein Gesichtspunkt oder eine Tatsache, die gegen eine bestimmte Therapie spricht —, stellt er gemeinsam mit dem Patienten einen Behandlungsplan auf. Darin ist die Wiederbearbeitung, also das Reprozessieren (reprocessing) traumatischer Erinnerung oder anderer Symptome, die mit dem Trauma in Verbindung stehen, wesentlicher Bestandteil.

Phase 2: Vorbereitung des Patienten

Der Patient wird über den Behandlungsplan und die Methode aufgeklärt. Um den Klienten zu stabilisieren, wendet der Therapeut gegebenenfalls vorher Entspannungs- oder imaginative Verfahren an. Je nach Bedarf werden ihm auch Medikamente von einem Arzt verabreicht.

Phase 3: Bewertung der Erinnerung

In dieser Phase geht es darum, die besonders belastenden Erinnerungen durch Sinnesreize, Gemütserregungen und auch kognitiv schrittweise so anzusprechen, dass der Klient sie in das gesamte traumatische Geschehen integrieren kann. Das bedeutet, dass der Klient einen vollständigeren Zugang zu seiner Erinnerung bekommt und sie auch gedanklich in sein Gesamterleben einordnen lernt.

Phase 4: Durcharbeitung

In dieser Phase verarbeitet der Klient seine Traumaerinnerungen neu, er reprozessiert sie. Dazu erinnert er sich an bestimmte markante Bilder, an sinnliche Eindrücke und negative Gedankenmuster, die im Zusammenhang mit dem schrecklichen Ereignis stehen. Während sich der Klient auf seine Erinnerungen fokussiert, wird er gleichzeitig vom Therapeuten durch Sinnesreize angeregt. Der Patient erlebt bereits durch die schnelle assoziative Folge wechselnder sinnlicher Eindrücke, Affekte und Gedanken eine stufenweise Entlastung — auch wenn zwischenzeitlich intensivere Affekte anklingen können. Diese Art der Nachverarbeitung ist von großem Vorteil. Der Druck durch die Erinnerungen, die durch die EMDR-Therapie wieder aktiviert werden, bleibt dadurch psychisch verkraftbar. Der Therapeut sollte selbst psychisch stabil sein und flexibel reagieren können, um den Patienten und seinen individuellen Verarbeitungsprozess ausreichend unterstützen zu können.

Phase 5: Verankerung

Nachdem die Belastung durch die Erinnerung in Phase 4 ausreichend abgenommen hat, wird die in Phase 3 erarbeitete oder eine durch den Verarbeitungsprozess verbesserte positive Kognition in Erinnerung gerufen und überprüft. Mit Kognition sind in diesem Zusammenhang alle Gedanken, Einstellungen oder Meinungen gemeint, die mit dem traumatischen Erlebnis zu tun haben. Beispielsweise wäre eine negative Kognition: „Ich werde nie mehr vertrauen können“, eine positive dagegen: „Das Erlebte ist vorbei.“ Denn traumatische Erinnerungen hinterlassen meist auch Spuren auf der kognitiven Ebene in Form von belastenden Überzeugungen, die immer wieder mit der Erinnerung zusammen auftauchen. Um kognitiv emotionale Endlosschleifen beenden zu können, hat Francine Shapiro deshalb Elemente aus der kognitiven Verhaltenstherapie eingewebt.
Negative Empfindungen werden durch eine schnelle bilaterale Stimulation abgeschwächt, während positive Kognitionen durch eine langsame bilaterale Stimulation verstärkt werden.

Phase 6: Körper-Test

Im anschließenden Körper-Test sucht man nach eventuell andauernden sinnlich wahrnehmbaren Erinnerungsfragmenten. Beim Körpertest spricht der Klient seine positive Selbstüberzeugung aus und wandert währenddessen mit seiner Aufmerksamkeit langsam von oben nach unten durch seinen Körper und schildert dem Therapeuten dabei die dabei auftretenden Körperempfindungen.

Sollten noch belastende Körpererinnerungen bestehen, werden sie erneut bearbeitet.

Phase 7: Abschluss

Abschließend wird besprochen, welche Wirkung diese Erfahrung auf den Patienten hatte. Der Therapeut vereinbart mit dem Klienten Interventionsregeln für die Zeit zwischen den Sitzungen. Das ist wichtig, weil der in der EMDR-Sitzung angestoßene Prozess auch nach der Sitzung in abgeschwächter Form, zum Beispiel in Träumen oder Gefühlen, weiterlaufen kann.

Phase 8: Nachbefragung

Diese letzte Phase findet am Beginn der nächsten Stunde statt. Ausgelöst von der vorherigen EMDR-Sitzung erlebt der Patient zwischen den Sitzungen meist Erinnerungssplitter oder Träume, die zu Beginn der nächsten Sitzung erneut bearbeitet werden, bevor der Therapeut einen Schritt weitergeht.

Schon nach der ersten erfolgreichen EMDR-Sitzung erleben die meisten Patienten eine deutlich entlastende Veränderung der Erinnerung, auch die damit verbundene körperliche Erregung klingt ab und negative Gedanken und Emotionen können neu und positiver umformuliert werden.

Auch wenn EMDR in der Regel schneller wirkt als andere Formen der Traumatherapie, ist diese Methode kein Wundermittel und man kann nicht von vornherein festlegen, wie viele Sitzungen nötig sind.

Therapeutenliste EMDR

Seite 2/5