Psychose und psychotische Zustände

Psychosen können bei verschiedenen körperlichen oder psychischen Krankheiten auftreten

19.10.2021 Von Angelika Völkel

Helga R. sitzt im Vorraum einer Bank und wartet darauf, dass jemand kommt, den sie als so vertrauensvoll einschätzt, dass er ihr beim Geldabheben behilflich sein könnte. Endlich erscheint im Bankfoyer eine junge Frau. Helga bitte sie, für sie 500 Euro abzuheben und anschließend die Scheine nachzuzählen, nachdem sie aus dem Automaten gekommen sind. Die junge Frau ist etwas verwundert, tut aber wie ihr geheißen. Dann nimmt Helga ihre Helferin zur Seite und erzählt ihr ganz bewegt, dass sie täglich um ihr Geld fürchten müsse. Sie wohne um die Ecke in einem Seniorenheim. Nachts würden sich Pfleger in ihr Zimmer schleichen und nach ihrem Geld suchen. Überhaupt würde sie dort von vielen Menschen kontrolliert und man wolle sie um ihr Hab und Gut bringen. Ihre eigenen Kinder hätten sie dorthin gebracht, auch nur deshalb, um schneller ans Erbe zu kommen. Die junge Frau ist entsetzt über das, was sie hören muss und würde gern helfen. Doch das kann sie nicht. Denn nachts dringt niemand in Helgas Zimmer ein, auch will sie dort niemand bestehlen. Helga ist an Demenz erkrankt und das schon sehr lange. Helga leidet unter psychotischen Symptomen und nimmt Dinge wahr, die andere nicht nachvollziehen können. Sie hört Stimmen und lässt sich nicht von der Überzeugung abbringen, dass Menschen in ihrer Umgebung sie bestehlen wollen.

Psychotische Symptome wie Halluzinationen oder Wahn, in diesem Falle ein Bestehlungswahn, kommen bei Menschen mit Demenz häufig vor. Vier von zehn Alzheimer-Patient*innen leiden unter diesen Symptomen, wie kalifornische Wissenschaftler herausfanden.

Bei verschiedenen Erkrankungen, zum Beispiel bei Demenz, Epilepsie oder Multiple Sklerose, bei schweren psychischen Störungen wie Schizophrenie, schwerer Depression oder Manie, können psychotische Symptome auftreten. Auch Medikamente, Drogen oder Lebenssituationen wie die Phase nach der Geburt eines Kindes können eine Psychose auslösen.

Bezug zu sich und der Umwelt geht verloren

Der Begriff Psychose beschreibt verschiedene schwere psychische Störungen, deren Hauptmerkmal ist, dass die Patient*innen für eine kürzere oder längere Zeit einen realistischen Bezug zu sich selbst und zu ihrer Umwelt verlieren. Dabei erleben die Betroffenen ihren Zustand so, als würden sich vor allem die anderen und ihre Umwelt verändern, nicht sie selbst. Die auffälligsten Symptome sind Halluzinationen, vor allem das Hören von Stimmen, Wahn, Ich- oder Denkstörungen, außerdem Depersonalisation und Derealisation, also das Gefühl sich selbst oder der Umwelt fremd zu sein.

Etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung entwickelt einmal im Leben eine Psychose. Frauen und Männer sind je nach Form der Psychose und Kulturkreis beinahe gleichermaßen betroffen. Viele Formen von Psychosen beginnen zwischen der Pubertät und dem 35. Lebensjahr. Sie können aber in jedem Lebensalter auftreten, im Kindesalter kommen sie jedoch selten vor. Ältere und alte Menschen leiden im Rahmen von internistischen Erkrankungen oder bei Hirnerkrankungen wie der Demenz häufiger an Psychosen oder psychotischen Zuständen.

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