Mindfulness-Based Stress Reduction (MBSR)
Im Jahr 1979 entwickelte John Kabat-Zinn in den USA ein Meditationsprogramm für Menschen mit chronischen Erkrankungen und Schmerzen mit dem Namen „Mindfulness-Based Stress Reduction“ (MBSR). Das Ziel von MBSR ist, Stressbewältigung durch Achtsamkeit zu erlernen.
Das Training findet in Gruppen von etwa 6 bis 15 Teilnehmer:innen statt und dauert 8 Wochen. Einmal pro Woche werden in zwei bis drei Stunden formelle und informelle Inhalte vorgestellt. Ein wichtiger Bestandteil von MBSR sind die täglichen Achtsamkeitsübungen, welche an sechs Tagen zwischen den Kurseinheiten selbständig durchgeführt werden sollen. Die dabei gewonnenen Erfahrungen werden auf Selbstbeobachtungsprotokollen festgehalten.
Das Meditationsprogramm sollte nicht mit einem Entspannungsverfahren verwechselt werden. Beim MBSR-Kurs sollen die Teilnehmer:innen die Fähigkeit entwickeln, erste Anzeichen von körperlicher Anspannung und Gefühlen von Angst oder Ärger zu erkennen, um mittels Ruhe und Einsicht eine positive Antwort auf die Belastungssituation zu finden.
Die folgende Übersicht über die einzelnen Themen der Sitzungen basieren auf den Darstellungen von Juchmann* und des MBSR-MBCT Verband e.V.*.
Bitte beachten Sie, dass sich MBSR-Kurse je nach Setting unterscheiden können und die folgende Übersicht keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, sondern ausschließlich als Orientierungshilfe dienen soll.
Wichtig zu Beachten
Das MBSR kann als Einführung in die Achtsamkeitsmediation verstanden werden, das durch medizinische und psychotherapeutische Angebote ergänzt werden kann (Juchmann, 2020). Bei einem Vorgespräch werden die Teilnehmerinnen darüber informiert, dass eine aktive Teilnahme eine wichtige Vorrausetzung ist. MBSR setzt regelmäßiges Üben zwischen den Kurseinheiten voraus.
Grundsätzlich kann jede:r am MBSR-Kurs teilnehmen, allerdings ist in manchen Fällen MBSR kontra-induziert. Teil der Meditation ist die Selbstkonfrontation, was bei psychischer Instabilität und mangelnder Selbstregulation zu einem erhöhten Risiko für die mentale Gesundheit führen kann.
Wegen der Gruppenstruktur kann es nicht gewährleistet werden, auf individuelle Krisen einzugehen. Aus diesem Grund wird bei Sucht, aktueller Genesungsphase, unbehandelter Psychose, akuter Depression, Suizidalität, PTBS, sozialer Phobie oder bei einer kürzlichen Verlusterfahrung von einer Teilnahme abgeraten. Bei Vorliegen eines Traumas sollte dies vor Kursbeginn besprochen werden.
Ablauf
Woche 1
In der ersten Stunde werden das Konzept und die Inhalte des Kurses vorgestellt. Die Teilnehmer:innen haben die Möglichkeit, sich kennenzulernen und über ihre Erwartungen an das Programm zu sprechen.
Ein wesentlicher Bestandteil von MBSR ist der Ansatz der Mind-Body-Medizin. Die Gesundheit bezieht sich nicht nur auf den Körper, sondern auch auf Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen. Dadurch, dass Geist und Körper sich gegenseitig beeinflussen, können wir selbständig Einfluss auf unsere psychische und physische Gesundheit nehmen.
Beim MBSR-Kurs gilt es, durch die Kultivierung von Achtsamkeit einen Weg zu gesundheitsförderndem Verhalten aufzubauen. Neben den theoretischen Inhalten erfolgt auch eine Einführung in die Achtsamkeitsmeditation anhand der „Rosinenübung“, in welcher die Prinzipien der Achtsamkeit erlebt werden sollen.
In der Regel endet der Kurs mit dem Body-Scan. Bei dieser Übung versuchen die Teilnehmer:innen ihre Aufmerksamkeit nacheinander in die einzelnen Bereiche ihres Körpers zu lenken, ohne diese zu bewerten. Ziel dieser Übung ist es, sich selbst mit dem eigenen Körper vertraut zu machen und eine offene Haltung gegenüber den eigenen Körperempfindungen zu entwickeln.
Woche 2
In der zweiten Kurseinheit werden Herausforderungen mit dem täglichen Üben besprochen. Konnten die Teilnehmer:innen sich Zeit nehmen für die Achtsamkeitsübungen? Welche Hindernisse tauchten beim Body-Scan auf (Schläfrigkeit, Langeweile, Schmerzen, etc.)? Was haben sie durch das Üben des Body-Scans über sich selbst erfahren? Anhand der persönlichen Erlebnisse werden die Achtsamkeitsprinzipien aus der ersten Kursstunde in der Gruppe wiederholt. Am Ende der zweiten Sitzung wird die Sitzmeditation eingeführt. Wichtig ist es, eine bequeme aufrechte Sitzhaltung zu finden. Bei der Sitzmeditation wird die Aufmerksamkeit auf den Atem gelenkt. Die Teil-nehmer:innen sollen versuchen bewusst wahrzunehmen, wie der Körper sich beim Atmen anfühlt. Wenn die Gedanken dabei abschweifen, dann soll die Konzentration auf eine achtsame Art und Weise wieder auf den Atem zurückgeführt werden.
Woche 3
Das Thema des dritten Termins ist „Im Körper zu Hause sein“. Inzwischen haben die Teilnehmer:innen zwei Wochen lang durch den Body-Scan Erfahrungen mit den eigen Körpersignalen ge-sammelt. Der Zusammenhang zwischen Körper und Geist wird in der Gruppe nochmals vertieft. Neben dem Body-Scan, der Atem- und Sitzmeditation werden auch achtsame Körperübungen aus dem Hatha-Yoga durchgeführt. Es geht nicht um komplizierte Verrenkungen, sondern darum, sich freundlich und sanft den eigenen (Körper)Grenzen anzunähern. Beim achtsamen Yoga werden Körperpositionen in einer bestimmten Reihenfolge angeleitet. Dabei sollten die Bewegungen im Rhythmus des Atems stattfinden. Die Yoga-Übungen können speziell auf die Bedürfnisse der Teilnehmerinnen angepasst werden. Die Teilnehmer:innen sollen lernen mit den eigenen Grenzen auf eine achtsame Art und Weise zu experimentieren. Bei manchen Teilnehmer:innen kann es dazu führen, dass sie ihre Körperflexibilität wiederfinden (Löhmer & Standthart, 2014).
Woche 4
Ab der vierten Kurseinheit liegt der Fokus darauf, wie Achtsamkeit beim Umgang mit Stress helfen kann. Gemeinsam wird besprochen, welche Stressauslöser im Alltag auftreten und wie sich Stress auf die Körper-, Gedanken- und der Gefühlswelt auswirkt. Unwohlsein, Stress und Schmerz sollen bewusst gespürt und erforscht werden. In der Meditationsübung kann die Konzentration auf schmerzhafte Körperempfindungen gerichtet werden. Das Ziel ist es, die entstehenden Gefühle und Gedanken wahrzunehmen, ohne darauf sofort reagieren zu müssen und bei zu starker Empfindung die Konzentration wieder auf den Atem richten. Das bewusste Lenken der Aufmerksam soll helfen negativen Erfahrungen zu bewältigen.
Woche 5
Die fünfte Sitzung markiert das Ende der ersten Kurshälfte. Begonnen wird mit der Einübung einer neuen Sitzmeditation. Danach erhalten alle einen „Halbzeitfragebogen“, in denen die letzten Wochen des MBSR-Kurses reflektiert werden sollen. Die Teilnehmer:innen werden gefragt, welche automatischen Verhaltensmuster bei Stress sie an sich erkennen können. Durch das Achtsamkeitstraining sollen die Teilnehmer:innen befähigt werden, ihre gewohnheitsmäßigen Gedanken, Gefühle oder Körperempfindungen wahrzunehmen und ihnen nicht sofort nach zu gehen. In Stresssituationen soll bewusst innegehalten werden, um sich dann mit dem eigenen Atem wieder zu finden, die innere Welt zu erkunden und aus dieser heraus möglicherweise eine effektivere Reaktion auf den Stress zu finden.
Woche 6
Die Erkenntnisse des achtsamen Umgangs mit Stresssituation aus der letzten Kurseinheit werden in der sechsten Woche auf den Bereich der menschlichen Beziehungen ausgeweitet. Auf Basis der Achtsamkeitsprinzipien sollen zuerst die eigenen problematischen Kommunikationsmuster in Situationen mit beispielsweise Kolleg:innen, Chef:innen, Kund:innen, Partner:innen, Kindern oder Eltern betrachtet werden. Durch das Üben in der Gruppe erlernen die Teilnehmer:innen die Aspekte der achtsamen Kommunikation, welche durch eine Aikido-Übung ergänzt wird. Ziel ist es, in Beziehungen bewusst und ausgeglichen zu bleiben, selbst unter besonders starkem Stress. Zum Schluss werden Vorbereitungen für den Tag der Achtsamkeit getroffen.
Tag der Achtsamkeit
Der Tag der Achtsamkeit leitet die letzte Phase des MBSR-Kurses ein. Die Gruppenteilnehmer:innen treffen sich an einem Tag für ca. 8 Stunden, um gemeinsam eine Reihe von Achtsamkeitsübungen und Meditationen durchzuführen. Eine Besonderheit dabei ist, dass der Blickkontakt zu den anderen Teilnehmer:innen gemieden werden soll und der ganze Tag bis auf kleine Ausnahmen vollkommen im Schweigen verbracht wird. Viele Teilnehmer:innen berichten von intensivem Erleben des Körpers, von Gefühlen, dem Selbst oder der Umwelt. In dieser Kurseinheit sollen die Teilnehmer:innen darin gestärkt werden, Achtsamkeit in verschiedensten Lebenssituation anzuwenden. Zusätzlich werden neue Meditationsformen mit Fokus auf innere Ressourcen und Selbstfürsorge vorgestellt.
Woche 7
In der siebten Woche wird dem Erlernten aus dem Tag der Achtsamkeit mehr Raum gegeben. In der Gruppe wird besprochen, welchen Einfluss die Übungen der vergangenen Wochen auf die automische Stressreaktion haben. In der Regel wird diese Kurseinheit flexibler und individueller ge-staltet. Ganz im Sinne von „Was brauche ich jetzt, um gut für mich zu sorgen?“. Die Teilnehmer:innen werden dazu angeregt, die Achtsamkeitspraxis an ihren Lebensstil anzupassen.
Woche 8
Die letzte Kurseinheit wird mit einem Rückblick eingeleitet. Die Gruppe soll über die Erwartungen am Anfang des Kurses reflektieren und beobachten, was sich in den letzten zwei Monaten in ihrem Leben verändert hat. Wichtig dabei ist es, alle Erfahrungen zuzulassen. Die Teilnehmer:innen werden dazu angeregt, sich Ziele zu setzen und eine Strategie zu entwickeln, um das erlernte im Alltag zu integrieren. Das Ende des MBSR-Kurses markiert gleichzeitig den Beginn des Lebens in Achtsamkeit.
Nach dem MBSR-Kurs
Manchmal können durch die Achtsamkeitspraxis Erfahrungen entstehen, für die sich eine Vertiefung lohnen könnte. Es gibt unterschiedliche Vertiefungsangebote, welche zwischen kurzen mehrstündigen Seminaren oder mehrwöchigen Kursen variieren können. Bei den Trainings geht es darum, die erlernten MBSR-Techniken mit Themenschwerpunkten zu verknüpfen.
Es gibt auch die Möglichkeit, das MBSR-Training mit einzeltherapeutischen Sitzungen zu verbinden. Die Psychotherapie kann vorbereitend für die Kurseinheiten stabilisierend und motivierend wirken. Zusätzlich können einzelne Themen aufgegriffen werden und für die individuelle Situation weiterentwickelt werden. Dabei kann die Bearbeitung der biografischen Stressfaktoren und die Gestaltung von Beziehungsmustern, die im Rahmen der Gruppentrainings eventuell nicht aufgegriffen werden konnten, eine wichtige Rolle spielen.
Es empfiehlt sich, dass Psychotherapeuten hierfür eigene Erfahrungen mit Meditation gesammelt haben.