Erfahrungsberichte 'Therapie hat mir geholfen' (Seite 10/11)

„Aktiv sein war besser als nur darüber zu sprechen“

Erfahrungsbericht von Thomas, 45 Jahre, aus München, Art der Therapie: Psychodrama

therapie.de: Was waren die Gründe dafür, eine Therapie zu beginnen? Wie haben Sie den Weg in die Therapie gefunden?

Meine Probleme haben vor etwa fünf Jahren begonnen. Damals bin ich an einer Depression erkrankt, und einfach alles war schwierig. Mir war in dieser Zeit alles zu viel, ich hätte ständig weinen können, und ein paar Mal hatte ich richtige Nervenzusammenbrüche. Woher das alles genau kam, wusste ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

Ein Psychiater hat die Diagnose einer schweren Depression gestellt. Er hat mir Medikamente verschrieben und eine Psychotherapie empfohlen. Ich habe mir dann selbst eine Therapeutin gesucht.

therapie.de: Welche Art von Therapie haben Sie gemacht? Wie lange hat die Therapie gedauert?

Das war eine Psychodrama-Therapie. Sie hat 2011 begonnen und dauert im Moment noch an. Am Anfang haben die Termine wöchentlich stattgefunden. Im Moment habe ich alle zwei Wochen einen Termin, und wir sind dabei, die Therapie zum Abschluss zu bringen.

therapie.de: Wie sah der Ablauf der Therapie aus? Was wurde dort gemacht?

Das Vorgehen hat sich im Verlauf der Therapie immer wieder verändert. Am Anfang ging es vor allem darum, wieder mehr Stabilität zu bekommen. Da haben wir viel gesprochen und gleichzeitig überlegt, welche Maßnahmen mir helfen können – zum Beispiel Atemübungen oder Vorstellungsübungen. Außerdem ging es darum, eine andere Perspektive auf meine Situation im Alltag zu bekommen.

Nach 15 Monaten wurde die Therapie unterbrochen, weil ich in eine stationäre Behandlung kam. Dort wurde klar, wo die Probleme eigentlich herkommen: von einem unverarbeiteten Kindheitstrauma. Mein Vater ist nämlich überraschend gestorben, als ich zweieinhalb Jahre alt war. Damals hatte ich keine Chance, dieses Ereignis zu verarbeiten. Außerdem habe ich so ziemlich früh eine Art Vaterrolle übernommen, mit der ich als Kind natürlich überfordert war.

An diesen Themen haben wir nach meinem stationären Aufenthalt in der ambulanten Therapie weiter gearbeitet. Dabei sollte ich mich gedanklich immer wieder in diesen frühen Zeitraum zurückversetzen und die Gefühle, die damit verbunden waren, nacherleben. Wir haben dabei mit meinen inneren Anteilen als „Kind“ und als „Erwachsener“ gearbeitet. So sollte ich die Ereignisse von früher zunächst mit meinem „inneren Kind“ noch einmal nacherleben. Bei anderen Übungen haben wir mit so genannten „Stellvertretern“ gearbeitet. Das waren zum Beispiel Kissen oder kleine Plüschfiguren, die ich so im Raum platziert habe, wie es für mich am besten gepasst hat. Wir haben dann Szenen psychodramatisch nachgestellt: Zum Beispiel haben wir mithilfe der Stellvertreter nachgespielt, wie ich auf den Friedhof gehe und ein Gespräch mit meinem toten Vater führe. Dadurch konnte ich die Trauer über seinen Tod zulassen – und habe ein großes Gefühl der Entlastung erlebt.

Gleichzeitig haben wir zu den Ereignissen aus meiner Kindheit eine neue Wirklichkeit hergestellt. Zum Beispiel ging es darum, dass ich von einem Partner meiner Mutter abgelehnt wurde. In der Darstellung mit den Stellvertretern habe ich dann einen Onkel auftauchen lassen, der sich um mich gekümmert hat. Das war in Wirklichkeit nicht so – aber es hat mir geholfen, die schwierige Situation in der Kindheit für mich zu einem guten Ende zu führen.

Außerdem haben wir geschaut, welche Auswirkungen die Erlebnisse aus meiner Kindheit auf mein jetziges Leben und meine aktuellen Probleme haben. Wir haben dabei konkrete Situationen aus meinem Leben nachgestellt – zum Beispiel einen Konflikt mit meiner Frau. In der Aufstellung habe ich dabei immer zwischen zwei Rollen gewechselt: der Rolle des „inneren Kindes“, das diese Situation als überfordernd erlebt, und dem „Erwachsenen-Ich“, das verantwortungsvoll als Erwachsener handelt und das hilflose innere Kind schützt.

In Rollenspielen habe ich zunächst meine eigene Position eingenommen und gesagt, wie ich die Dinge sehe und was mich bewegt. Anschließend konnte ich in die Rolle des Stellvertreters wechseln – zum Beispiel in die Rolle meiner Ehefrau bei einem Konflikt. So konnte ich mich auch in die Sichtweise meines Konfliktpartners hineinversetzen. Schließlich sollte ich mir die ganze Situation noch einmal von außen anschauen und mir überlegen, wie ich sie mir wünschen würde. Das war zum Beispiel, dass ich die Position der „Stellvertreter“ nicht einander gegenüber, sondern nebeneinander haben möchte.

Durch diese Übungen habe ich ein Gefühl dafür bekommen, was ich mir tatsächlich wünsche. So konnte ich im Anschluss an die Therapiestunden auch im „echten Leben“ etwas verändern – zum Beispiel, Konflikte mit anderen weniger konfrontativ anzugehen.

therapie.de: Was haben Sie als besonders hilfreich erlebt?

Ich habe die Vorgehensweisen in der Therapie alle als hilfreich erlebt. Am Anfang konnte ich durch die Vorstellungs- und Atemübungen wieder mehr innere Ruhe finden und Abstand zu meinen Problemen im Alltag bekommen.

Die Arbeit mit dem „inneren Kind“ hat mir sehr geholfen, die schmerzhaften Erlebnisse aus meiner Kindheit in einem geschützten Raum zu verarbeiten. Auf diese Weise konnte ich die Trauer und den Schmerz zulassen und meine Gefühle, die ich früher gar nicht wahrgenommen habe, erleben und neu verarbeiten.

Bei den unterschiedlichen Methoden der Psychodrama-Therapie, zum Beispiel der Arbeit mit den „Stellvertretern“, fand ich gut, dass man dabei aktiv etwas tut. Dadurch wurden die Gefühle, die mit den verschiedenen Erlebnissen verbunden sind, viel mehr aktiviert – und es passiert viel mehr, als wenn man nur über die Probleme spricht.

therapie.de: Wie war Ihr Verhältnis zur Therapeutin? Was war charakteristisch am Verhalten der Therapeutin?

Mein Verhältnis zur Therapeutin war und ist sehr gut. Sie ist immer sehr zugewandt und mitfühlend. Gleichzeitig verhält sie sich „wertfrei“, das heißt, sie beurteilt meine Sichtweise und mein Verhalten nicht. Sie hat mich nie dazu gedrängt, etwas zu machen, sondern hat mir immer Angebote gemacht, woran wir arbeiten könnten.

Bei den verschiedenen Übungen war sie sehr mitfühlend. Sie hat immer meine Gefühle gesehen – und diese auch ausgehalten. Dabei hat sie mich sehr souverän durch die Übungen geführt und den Ablauf klar gestaltet. Zum Beispiel ist sie mit mir immer wieder zurück zum Todestag meines Vaters gegangen – so lange, bis ich dies verarbeitet hatte.

therapie.de: Was war bei Ihnen selbst (bei Ihren Einstellungen, Ihrem Verhalten) wichtig für die Therapie?

Ich bin eher ein handlungsorientierter Mensch. Wenn die Therapeutin ein bestimmtes Vorgehen vorgeschlagen hat, habe ich nicht lange nachgedacht – ich habe es einfach gemacht. Diese Bereitschaft, alles mitzumachen hat dazu beigetragen, dass die Therapie mir so gut geholfen hat. Zum Beispiel habe ich mit einer Übung einfach angefangen. Und das war gut für mich, weil ich dabei meine Gefühle, die ich früher nicht gespürt habe, wahrnehmen und auf diese Weise verarbeiten konnte.

therapie.de: Gab es auch mal schwierige Situationen während der Therapie?

Mit der Therapeutin gab es nie Schwierigkeiten. Die Therapie hat mir sehr gut geholfen und ich habe dabei oft eine große Entlastung gespürt. Manchmal bin ich aber an einen Punkt gekommen, wo ich dachte: Jetzt geht es nicht mehr weiter. Dann hat die Therapeutin meinen Blick immer auf meine Ressourcen und Talente gelenkt. Sie hat mir Mut gemacht und mir Wege aufgezeigt, wie es weitergehen könnte.

therapie.de: Was hat sich inzwischen alles verbessert? Was möchten Sie noch weiter verbessern?

Ich denke, ich habe durch die Therapie schon viel erreicht. Zum Beispiel konnte ich eine Weiterbildung als Coach machen und so einen neuen beruflichen Weg einschlagen. Auch die Konflikte in der Familie haben sich gebessert, und ich kann jetzt mit vielen Situationen souveräner umgehen, so dass sie mich nicht überfordern. Gleichzeitig weiß ich auch, dass alles nicht mehr so werden wird wie es früher war. Aber ich habe gelernt, das zu akzeptieren.

Im Moment geht es jetzt darum, die Therapie zu einem guten Abschluss zu bringen. Wir wollen uns ein paar Problembereiche noch einmal anschauen, meine Ressourcen stärken und alles, was wir erarbeitet haben, noch einmal gut festigen. Außerdem geht es darum, den Abschied von der Therapie gut zu gestalten, so dass ich nach diesem langjährigen Prozess wieder gut auf eigenen Beinen stehen kann.

Interview: Dr. Christine Amrhein