Zweifel und Fragen in der Psychotherapie (Seite 2/4)

Mitsprache: Nur mit Ihrem Einverständnis

Nichts geschieht über Ihren Kopf hinweg

„Bin ich wirklich so krank?“

Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Therapie zu sehr um Ihre Schwächen kreist und Ihre Stärken vergisst

Dass in einer Psychotherapie die Probleme und Schwierigkeiten eines Patienten zunächst im Vordergrund stehen und auch ausführlich behandelt werden müssen, dürfte kaum verwundern. Schließlich sind es die Probleme, die Patienten zu einer Therapie veranlassen.

Zusätzliche Schwierigkeiten können jedoch entstehen, wenn in der Therapie nichts anderes geschieht, als Probleme zu beschreiben, sie zu deuten und zu anderen Problemen in Beziehung zu setzen, kurzum: wenn Sie mit Ihrem Therapeuten über nichts anderes mehr reden als darüber, was alles nicht funktioniert. Vorschub zu einer solchen Entwicklung kann dabei die Sprache und Wortwahl des Therapeuten leisten. Wenn Ihr Therapeut beispielsweise dazu neigt, in allen Ihren Verhaltensweisen, Erfahrungen oder Gedanken nur noch Zeichen von Schwäche, Unsicherheit, Angst, Hilflosigkeit, Unfähigkeit, Gestörtheit oder Willenlosigkeit zu sehen, dann kann es für Sie dadurch unnötig schwer werden, sich Ihrer eigenen Kräfte wieder bewusst zu werden und diese zur Lösung Ihrer Probleme einzusetzen.

Fragen Sie nach, wenn Sie
Fachbegriffe nicht verstehen

Auch die Fachbegriffe der Psychotherapeuten können etwas Entmutigendes haben, wenn Sie immer wieder damit konfrontiert werden, vor allem dann, wenn Sie nicht genau wissen, was sich dahinter verbirgt (z. B. Sätze wie „Sie haben eine Persönlichkeitsstörung, ... zu wenig Selbstbewusstsein, ... ein zu geringes Selbstwertgefühl, Ihnen fehlt der Antrieb, ... fehlt die soziale Kompetenz, ... Sie sind nicht konfliktfähig“).

Sie sollten in diesem Zusammenhang wissen, dass die Psychotherapieforschung gezeigt hat, dass Behandlungserfolge eher dann zu erwarten sind, wenn Ihr Therapeut die Behandlung auf die Wahrnehmung und Förderung Ihrer persönlichen Fähigkeiten und Stärken ausrichtet. Man spricht dabei auch von einer Orientierung an den Ressourcen der Patienten. Insofern ist es durchaus gerechtfertigt, wenn Sie gegen ein Verhalten des Therapeuten Einwände vorbringen, das Sie nur noch schwach, krank, hilflos, überfordert oder unfähig aussehen lässt. Sprechen Sie es offensiv in der Therapie an, wenn Sie wiederholt das Gefühl haben, dass Ihr Therapeut Sie durch sein Verhalten noch weiter entmutigt, schwächt oder demoralisiert.

„Eigentlich nicht so gerne ... “

Wenn Sie sich gedrängt fühlen, Dinge zu tun, die Ihnen peinlich oder unangenehm sind

Grundsätzlich gilt hier dasselbe wie im vorigen Abschnitt. Sie sollten jedoch berücksichtigen, dass es in manchen Fällen das Ziel der Therapie sein kann, sich zu unangenehmen oder peinlichen Verhaltensweisen zu überwinden. Wenn Sie zum Beispiel an Unsicherheit oder Angst vor anderen Menschen leiden, dann wird etwa eine Verhaltenstherapie darauf abzielen, dass Sie sich bewusst und absichtlich in solche für Sie unangenehmen Situationen begeben und lernen, sich darin zurechtzufinden. Voraussetzung für dieses Vorgehen ist, dass Sie in den Therapiesitzungen auf praktische Übungen genügend vorbereitet wurden und auch motiviert sind, diese in der Realität umzusetzen. Beispielsweise kann eine Therapeutin Sie bei Ängsten vor anderen Menschen auffordern, fremde Leute auf der Straße anzusprechen oder sich irgendwie auffällig in der Öffentlichkeit zu verhalten. Sie sollen so lernen, mit unangenehmen oder schwierigen Situationen umzugehen und zugleich festzustellen, dass die befürchteten unangenehmen Konsequenzen normalerweise ausbleiben.

In allen Zweifelsfällen ist
Ihr Einverständnis entscheidend

Möglicherweise werden Ihnen während der Therapiesitzung Verhaltensweisen vorgeschlagen, die ungewohnt oder unangenehm für Sie sind. Manche Therapeuten fordern zum Beispiel ihre Patienten auf, sich vorzustellen, dass auf dem leeren Stuhl vor ihnen „ihre Angst sitzt“, mit der sie ein Gespräch führen sollen. Wenn Ihnen ein solcher Vorschlag jedoch zu künstlich und fremdartig erscheint, dann müssen Sie diesen Vorschlag natürlich nicht befolgen.

Alle Verhaltensweisen setzen Ihr Einverständnis voraus, in diesem Sinne sollten Sie die Anregungen und Interpretationen von Therapeuten auch verstehen: Es sind eben Vorschläge, keine Befehle.

Es kann auch Situationen geben, in denen ein Therapeut Sie körperlich berührt. Eine kürzlich veröffentlichte Studie ergab, dass manche Therapeuten Mitgefühl oder Nähe zu ihren Patienten zum Ausdruck bringen, indem sie sie zum Beispiel am Arm berühren, ihnen über den Rücken streichen oder sie auch umarmen. Bei körperorientierten Therapien geschieht dies mitunter auch häufiger. Wenn Ihnen die Nähe unangenehm ist, weisen Sie sie unmissverständlich zurück. Dies gilt natürlich erst recht bei sexuellen Anspielungen oder Berührungen.

„Ist Ihre Ehe glücklich?“

Wenn Therapeuten Dinge oder Erfahrungen erfragen, die Sie lieber für sich behalten wollen

Nur Sie selbst treffen die Entscheidung,
worüber Sie sprechen und was Sie
für sich behalten wollen.

Manche Patienten befürchten, in der Therapie zu sehr unter dem Druck zu stehen, bestimmte Dinge sagen oder tun zu müssen. Gerade die Unsicherheit am Anfang löst solche Ängste aus: Was wird er mich fragen? Muss ich alles sagen? Muss ich mich auch mit Themen beschäftigen, die mir zuwider sind oder die ich für unwichtig halte? Muss ich auf Fragen antworten, die mir unangenehm oder peinlich sind? Vielleicht wird ein Therapeut Ihnen erläutern, warum er es für wichtig hält, darüber zu sprechen. Beispielsweise kann er im Laufe der Behandlung den Eindruck gewinnen, dass die Ängste, die eine Patientin beschreibt, möglicherweise auf eine früher erlebte Vergewaltigung zurückzuführen sind. Oder eine Therapeutin vermutet, dass die ehelichen Schwierigkeiten, die eine Patientin beschreibt, zum großen Teil auf den Alkoholismus des Ehemannes zurückzuführen sind. So werden Verbindungen gezogen, die Ihnen auf den ersten Blick vielleicht unangenehm, peinlich oder auch nicht ganz geheuer sind. In allen diesen Situationen gilt für Sie die Regel: Was Sie für sich behalten wollen, das behalten Sie für sich. Es besteht in einer Therapie kein Zwang, auf alle Fragen zu antworten. Eine Therapie ist keine Beichte, vielmehr steht es Ihnen frei, ob Sie überhaupt etwas und was Sie zum Thema sagen wollen.

Auf der anderen Seite sollte eine Therapie Ihnen natürlich die Gelegenheit bieten, über andere Themen oder in anderer Art und Weise darüber zu sprechen, als Sie dies sonst gewohnt sind. Gerade dafür sind Therapeuten schließlich ausgebildet, und diese Gelegenheit sollten Sie in einer Therapie auch nutzen.

Seite 2/4