Schutz und Rechte von Patienten bei Problemen in der Psychotherapie (Seite 3/9)

Leichte Probleme direkt mit Therapeuten klären

Wie oben beschrieben, sollte jeder Patient bei weniger schwerwiegenden Problemen oder Zweifeln in der Therapie zunächst eine Klärung mit dem Therapeuten anstreben. Dabei sollte man seine Zweifel, Unzufriedenheit oder Kritik offen ansprechen und versuchen, diese mit dem Therapeuten zu klären oder eine Einigung zu erreichen.

Wer hilft bei Konflikten oder Grenz­über­schreitungen in der Therapie?

Sind Sie mit den Abläufen in der Psychotherapie unzufrieden oder sind Sie der Meinung, dass der Therapeut sich nicht korrekt verhält, können Sie sich zunächst an eine unabhängige Patientenberatungsstelle oder eine telefonische Patientenberatung wenden (siehe „Liste der Anlaufstellen“). Dies gilt unabhängig davon, ob die Behandlung von einem Psychologischen oder Ärztlichen Psychotherapeuten oder einem Heilpraktiker durchgeführt wird.

Eine gezielte Beratung und Unterstützung bei Zweifeln, Konfliktsituationen oder Grenzüberschreitungen in der Psychotherapie bietet der Ethikverein e. V. an. Auch die Psychotherapeutenkammern führen Beratungen zu Patientenrechten und Beschwerden durch. Diese sind bei einigen Kammern auch anonym möglich.
Die genannten Stellen informieren über Patientenrechte in der Psychotherapie und können dazu beraten, ob im konkreten Fall ein Grund für eine Beschwerde vorliegt. Weiterhin können sie über verschiedene Beschwerdemöglichkeiten und den konkreten Ablauf einer Beschwerde informieren.

Viele Patienten möchten zunächst einmal Informationen und Orientierung bekommen, um das Geschehene einordnen zu können und herauszufinden, ob ein Fehlverhalten vorliegt – etwa bei Fragen wie „Ist es normal, dass der Therapeut so viel über sich spricht?“ oder „Darf sich der Therapeut abwertend über mich äußern?“ Für viele ist es entlastend, zu wissen, was beruflicher Standard ist und dass ihr Therapeut mit seinem Verhalten gegen diese Standards verstößt. Dies kann ihre Selbstsicherheit stärken und den Betroffenen helfen, besser auf das fragwürdige Verhalten zu reagieren.

Wer kann helfen, wenn man sich nicht offiziell beschweren möchte?

Einige Patienten sind zwar mit ihrem Therapeuten unzufrieden oder haben Zweifel an der Psychotherapie, möchten sich jedoch nicht offiziell beschweren. Das kann verschiedene Gründe haben:

Patienten, die negative Erfahrungen in einer Psychotherapie machen, sind häufig sehr verunsichert. Einige möchten nur die belastende Situation klären oder beenden, sich aber nicht offiziell beschweren und ihrem Therapeuten nicht explizit schaden. Andere scheuen den Aufwand und die psychische Belastung, die mit einem Beschwerdeverfahren verbunden sein kann.

Viele Patienten möchten mit ihrem Anliegen anonym bleiben, oder sie möchten nicht, dass ihr Therapeut von der Beschwerde erfährt – was bei einem offiziellen Beschwerdeverfahren jedoch erforderlich ist.

Manche Patienten sind skeptisch, sich mit einer Beschwerde an eine Psychotherapeutenkammer zu wenden, weil diese auch die Interessen der Therapeuten vertritt. Sie fürchten, dass die in der Kammer tätigen Therapeuten ihre Kollegen schützen wollen oder dass der Therapeut selbst eine einflussreiche Position in der Kammer hat.

In Fällen, in denen keine Beschwerde angestrebt wird, können ebenfalls unabhängige Patientenberatungsstellen hilfreich sein. Sie können Fragen und Zweifel zur Therapie beantworten und auf Wunsch auch anonym beraten. Gleichzeitig können sie die Betroffenen auch bei einer offiziellen Beschwerde beraten und unterstützen. Auch einige Psychotherapeutenkammern bieten die Möglichkeit einer anonymen Beratung an, bei der sich die Patienten zunächst informieren können, um die Sachlage besser einschätzen zu können.

Der Ethikverein e. V. bietet zudem die Möglichkeit, mit den Patienten geeignete Schritte zu erarbeiten, etwa, um den Konflikt mit dem Therapeuten zu klären, sich psychisch zu stabilisieren oder sich nach einem Therapieabbruch aus der ungünstigen Beziehung zum Therapeuten zu lösen und einen neuen, verlässlichen Therapeuten zu finden. Weiterhin unterstützt er Patienten auch bei der Suche nach einem geeigneten juristischen Beistand.

Wie wäre Menschen mit Zwei­feln in der Psychotherapie besser zu helfen?

Gespräch mit Andrea Schleu, Vorsitzende des Ethikvereins e. V.

„Aus meiner Sicht wäre es wünschenswert, wenn es für Patienten, die Zweifel an der Psychotherapie haben oder eine Beschwerde in Erwägung ziehen, mehr unabhängige, patientenorientierte Beratungs- und Unterstützungsmöglichkeiten gäbe. Dabei sollte immer auch eine anonyme Beratung möglich sein.

Bisherige unabhängige Patientenberatungsstellen wie unser Verein arbeiten auf gemeinnütziger Basis. Stattdessen sollte es eine offizielle, aus öffentlichen Geldern finanzierte Beratungsstelle geben, in der Berater mit psychotherapeutischen und juristischen Fachkenntnissen arbeiten. Darüber hinaus sollte es unabhängige Patientenvertreter geben, die Patienten bei einem klärenden Gespräch mit ihrem Psychotherapeuten unterstützen oder bei einem Schlichtungsverfahren der Psychotherapeutenkammern begleiten können.

Bis vor einigen Jahren führte auch die unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD), die von gemeinnützigen Verbänden geleitet wurde, unabhängige Beratungen zum Thema Beschwerden in der Psychotherapie durch. Die UPD wurde jedoch 2016 vom privaten Unternehmen Sanvartis GmbH übernommen. Seitdem wird sie von verschiedenen Seiten, unter anderem von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesärztekammer scharf kritisiert, wobei insbesondere die Unabhängigkeit der Beratung in Frage gestellt wird. Darüber hinaus bietet die UPD derzeit keine spezialisierten Beratungen zu Beschwerden in der Psychotherapie mehr an.

Problematisch ist auch, dass das Vorgehen bei einer Beschwerde und der Ablauf des Beschwerdeverfahrens sehr unterschiedlich sein können, je nachdem, ob es sich bei dem Therapeuten um einen psychologischen Psychotherapeuten, einen ärztlichen Psychotherapeuten oder einen Heilpraktiker für Psychotherapie handelt.

Auch die Abläufe bei den Psychotherapeutenkammern bzw. Ärztekammern der einzelnen Bundesländer sind nicht einheitlich. Zudem sind einige Psychotherapeuten, die nicht Mitglied in einer Kammer sind, durch eine Beschwerdeverfahren gar nicht erreichbar. Für Patienten können die Abläufe bei einer Beschwerde daher schwer zu durchschauen sein. Aus meiner Sicht sollte daher für geschädigte Patienten eine unabhängige und professionelle, niederschwellige Beratungsmöglichkeit angeboten werden, die sie durch die Verfahren begleiten kann.“