Erfahrungsberichte 'Therapie hat mir geholfen' (Seite 9/11)

„Ich habe die Trauer verarbeitet“

Erfahrungsbericht von Tanja, 31 Jahre, aus Niederbayern, Art der Therapie: Gesprächstherapie

therapie.de: Was waren die Gründe dafür, eine Therapie zu beginnen? Wie haben Sie den Weg in die Therapie gefunden?

Das war alles ungefähr vor fünf Jahren. Zu dieser Zeit habe ich meinen Ehemann verloren und unter Trauer und Depressionen gelitten. Dann habe ich, vom Arbeitsamt vermittelt, einen Job in der Altenpflege bekommen. Das hat alles nur noch schlimmer gemacht – ich hatte zu manchen der älteren Menschen eine gute Beziehung und musste dann miterleben, wie sie gestorben sind. Irgendwann habe ich einen Nervenzusammenbruch bekommen und war sieben Wochen lang in einer psychiatrischen Klinik. Ich weiß, viele Leute haben ein negatives Bild von „Psychiatrie“ – aber mir hat die Klinik in dieser Situation, wo ich keinen Ausweg mehr wusste, sehr geholfen.

Im Anschluss habe ich dann eine ambulante Psychotherapie und – zusammen mit meiner damals vierjährigen Tochter – eine Mutter-Kind-Reha gemacht.

therapie.de: Welche Art von Therapie haben Sie gemacht? Wie lange hat die ambulante Therapie gedauert und wie oft fanden die Termine statt?

Das war eine Therapie, die vor allem aus Gesprächen bestand und die ein Jahr gedauert hat. Die Termine haben einmal pro Woche stattgefunden.

therapie.de: Wie sah der Ablauf der Therapie aus? Was wurde dort gemacht?

Am Anfang in der Klinik wurde ich erst einmal eine Woche lang in Ruhe gelassen, was mir gutgetan hat. Dann gab es verschiedene Behandlungsmaßnahmen. Es wurde vor allem darauf Wert gelegt, dass wir regelmäßig am Sport teilnehmen, weil Bewegung gut gegen Depressionen hilft. Außerdem habe ich an der Ergotherapie und Kunsttherapie teilgenommen. Das Ziel dabei war auch, sich wieder längere Zeit mit einer Sache beschäftigen zu können, sich zu konzentrieren und mehr Durchhaltevermögen zu entwickeln. Einmal in der Woche hatte ich ein therapeutisches Gespräch, das mehr in die Tiefe ging. Dort ging es darum, meine Trauer zu bewältigen und die depressive Stimmung zu verändern.

In der ambulanten Therapie wurden die Probleme in den Gesprächen noch einmal vertieft bearbeitet. Dabei sind bei mir viele Gefühle hochgekommen, und oft gab es auch Tränen. Aber das hat mir letztlich dabei geholfen, viele Dinge zu verarbeiten. Teilweise wurden in der Therapie auch Übungen gemacht, zum Beispiel, um Aggressionen abzubauen.

therapie.de: Auf welche Art hat die Therapie Ihnen geholfen? Was haben Sie als besonders hilfreich erlebt?

In der Klinik haben mir der Sport und die regelmäßigen Aktivitäten gutgetan – obwohl ich mich am Anfang dazu überwinden musste. Da wollte ich mich am liebsten nur noch im Bett verstecken – aber das ganze „Programm“ hat mir geholfen, allmählich aus diesem Loch herauszukommen. Und mit der Zeit haben mir der Sport und das Malen richtig Spaß gemacht. Die Entspannungsübungen aus der Progressiven Muskelrelaxation waren auch sehr gut für mich. Dadurch konnte ich abschalten, mehr zur Ruhe kommen und auch wieder besser schlafen.

Am Anfang der Behandlung haben wir auch Informationen über Depressionen und psychosomatische Störungen bekommen: Über Ursachen, Behandlungsansätze, und wie die Familie damit umgehen kann. Das war für mich in zweierlei Hinsicht hilfreich: Ich habe meine eigene Erkrankung besser verstanden – und ich konnte anderen besser erklären, was mit mir los ist.

Die Gespräche – sowohl in der Klinik als auch in der ambulanten Therapie – waren für mich sehr wichtig. Da gab es jemanden, mit dem ich über meine Situation, meine Gefühle und die Probleme im Alltag sprechen konnte, der mir zugehört hat und für mich da war. Oft war es zwar belastend, dass so viele Gefühle hochgekommen sind – aber allmählich konnte ich so den Verlust meines Mannes und die Trauer verarbeiten. Und es war toll, endlich mal wieder lachen zu können, wenn nach einem Gespräch eine große Last aus der Seele weg war. Auch die Übungen – zum Beispiel auf einen Sandsack einzuschlagen, um meine Wut loszuwerden – haben mir gutgetan, weil dabei meine Gefühle herauskamen. Hinterher habe ich mich dann erschöpft, aber glücklich gefühlt.

Eine Aufgabe in der ambulanten Therapie war, mich zuhause an Dinge zu erinnern, die ich als Kind gerne getan habe – und dann öfters etwas zu tun, was mir guttut oder bei dem ich einfach abschalten kann. Mit der Zeit habe ich so gelernt, Sorgen zeitweise auszublenden und mir auch genügend Zeit für mich selbst zu nehmen.

Ein paar Mal haben wir in der Therapie auch Paargespräche gemacht, die zusammen mit meinem neuen Partner stattgefunden haben. Dort musste zum Beispiel jeder sagen, was ihn an dem anderen stört, und wir haben auch mal die Rollen getauscht. Das war alles einfacher, weil noch jemand Drittes, Neutrales dabei war – denn wenn es in der Partnerschaft Konflikte gibt, ist es nicht immer einfach, sich gegenüber dem anderen zu öffnen. Da war es gut, dass noch eine qualifizierte Person dabei war, die einem von außen einen kleinen Schub gibt.

therapie.de: Wie war Ihr Verhältnis zum Therapeuten? Was war charakteristisch am Verhalten des Therapeuten?

Ich war bei einem männlichen Therapeuten, bei dem ich von Anfang an das Gefühl hatte: „Das passt“. Er hat sehr viel Ruhe ausgestrahlt – sowohl beim Sprechen als auch in seinem Verhalten. Das war für mich sehr angenehm, ich habe mich wohlgefühlt und von Anfang an Vertrauen gehabt. Auch der Therapieraum hat dazu beigetragen – er war hell und gemütlich eingerichtet, so dass ich mich fast wie zuhause gefühlt habe. Der Ablauf in den Stunden sah immer ähnlich aus, und ich hatte am Anfang erst einmal Zeit, anzukommen und zur Ruhe zu kommen.

Typisch am Verhalten des Therapeuten war auch, dass er keine Ratschläge gegeben hat. Stattdessen ging es in der Therapie vor allem darum, meine echten Gefühle zu zeigen, auszuleben und auch loszulassen. Das konnte ich tun, ohne mich dabei zu schämen oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Wut, Trauer, Freude, sich trennen – durch die Therapie habe ich verstanden, dass das alles so normal und menschlich ist.

therapie.de: Was war bei Ihnen selbst (bei Ihren Einstellungen, Ihrem Verhalten) wichtig für die Therapie?

Ein entscheidender Punkt war, dass ich mir klar gemacht habe, dass die Therapie mir guttut und dass ich mich dadurch selbst besser kennenlerne. Ich habe gemerkt, dass ich mir selbst wichtig bin – und deshalb auch wirklich etwas verändern will. Außerdem ist mir bewusst geworden, dass die lieben Menschen um mich herum mich brauchen – und ich deswegen gesund und munter sein möchte. Schließlich war es für mich wichtig, immer wieder die Kraft in mir zu finden, um weiterzumachen und die Therapie erfolgreich abzuschließen.

therapie.de: Gab es auch mal schwierige Situationen während der Therapie?

Es gab schon immer mal wieder Rückschläge während der Therapie. Aber mit der Zeit habe ich verstanden, dass das dazugehört und gelernt, es zu akzeptieren. Und nach einem Rückschlag ging es ja nach einer Weile auch immer wieder aufwärts.

therapie.de: Was hat sich inzwischen alles verbessert? Und was möchten Sie noch weiter verbessern?

Ich würde sagen, dass ich mich seit 2011, seit dem Ende der ambulanten Therapie, wieder psychisch gesund fühle. Ich habe jetzt einen neuen Partner und neben meinem ersten Kind noch eine eineinhalb-jährige Tochter. Seit 2011 habe das Gefühl, wieder richtig für meine Kinder da sein zu können und fühle ich mich wieder in der Lage, zu arbeiten.

Vor allem hat mir die Therapie dabei geholfen, meine Trauer zu verarbeiten, so dass ich jetzt wieder nach vorne blicken kann. Alles, was damals passiert ist, ist für mich inzwischen abgeschlossen – ich kann offen damit umgehen und auch darüber reden. Es gibt natürlich immer mal wieder Momente, wo die Trauer wieder hochkommt. Aber ich habe gelernt, mehr auf mich selbst und meine Gefühle zu achten – und auch die Kinder mal eine Zeit lang an meinen Partner „abzugeben“, damit ich etwas Zeit für mich habe.

Durch die Therapie habe ich auch mehr Selbstbewusstsein entwickelt. Ich habe gelernt, dass ich etwas wert – und kann mich selbst so lieben, wie ich bin.

Bei Belastungen bleibe ich inzwischen eher ruhig und lasse mich nicht so leicht stressen. Außerdem schaffe ich es, auch mal „nein“ zu sagen und weiß, dass ich nicht perfekt sein muss oder alles tun muss, was von mir verlangt wird. Ich versuche, mir trotz Familie und aller anderen Verpflichtungen auch mal Zeit für mich zu nehmen. Zum Beispiel habe ich ein Hobby, bei dem ich kreative Perlenketten bastele. Das ist etwas, was ich nur für mich tue – und es macht mir viel Spaß.

therapie.de: Was tun Sie jetzt, damit es Ihnen weiterhin gut bzw. besser geht?

Für mich ist es wichtig, auch weiterhin „dranzubleiben“ – mich also an die Dinge, die ich in der Therapie gelernt habe, zu erinnern und sie auch auf neue Situationen anzuwenden. Außerdem lerne ich immer wieder etwas Neues dazu. Zum Beispiel lese ich im Internet nach, was mir noch gut tun könnte. So habe ich schon viele neue Ideen entdeckt. Zum Beispiel habe ich Informationen über Entspannungstechniken, Meditation oder Yoga gelesen – oder die Idee, etwas Kreatives zu gestalten oder einen schönen Ausflug in die Berge zu machen.

Interview: Dr. Christine Amrhein