Verhaltenstherapie

"Verlernen" von problematischem Verhalten

17.02.2023 Von Angelika Völkel

Unter dem Begriff Verhaltenstherapie werden verschiedene Therapieansätze und ein breites Spektrum an psychotherapeutischen Methoden zusammengefasst. Die Verhaltenstherapie wurde v.a. in den USA aus der Lerntheorie entwickelt.

Alle Ansätze basieren auf dem Kerngedanken, dass persönliches Verhalten erlernt wird und dass problematisches Verhalten deshalb auch wieder verlernt werden kann. Das bedeutet auch, dass man gute oder angemessenere Verhaltensmuster auch später noch lernen kann.

Seitdem wurde die Verhaltenstherapie in vielerlei Weise weiterentwickelt, hervorzuheben ist hier insbesondere die Integration kognitiver Elemente. Gemeint ist hiermit die Erweiterung des Fokus über reines Verhalten hinaus, es werden nun stärker das Erleben, die Gedanken und Gefühle der Patienten/Klienten mit einbezogen.

Was versteht die Verhaltenstherapie unter Verhalten?

Unter Verhalten wird dabei also nicht nur verstanden, was man beim Menschen von außen an Verhaltensweisen oder körperlichen Reaktionen beobachten kann. Verhalten beinhaltet auch die Gefühle, Gedanken, Motive und wie ein Mensch sich und seine Umgebung gedanklich bewertet.

Verhalten bestimmt, wie ein Mensch durchs Leben geht: Kann jemand seine Bedürfnisse zum Ausdruck bringen und verhält er sich selbst und anderen gegenüber so, dass sie angemessen befriedigt werden können? Verfügt er über die entsprechenden Fähigkeiten, sich in eine Gemeinschaft einzufügen und sich aktiv darin einzubringen? Hat er gelernt, sich einem Menschen gegenüber so anzuvertrauen, dass er eine tiefere Bindung eingehen kann?

Ist der Betroffene nicht imstande, in wichtigen Lebensbereichen gut für sich zu sorgen, kann ihm eine Verhaltenstherapie helfen, einen besseren Umgang und Fürsorge für sich selbst zu lernen.

Wann eignet sich eine Verhaltenstherapie?

Die Verhaltenstherapie bietet Hilfe, wenn das Denken, Fühlen, Erleben oder Handeln gestört ist. Sie ist für Erwachsene und auch für Kinder und Jugendliche geeignet und ist bei vielen psychischen Störungen sehr wirksam: besonders bei Depressionen, Angststörungen, wozu Phobien oder Panikstörungen zählen, und Zwangsstörungen und Sucht, aber auch bei Schlaf- oder Sexualstörungen. Sie kann außerdem auch bei körperlichen Erkrankungen, zum Beispiel bei chronischen Schmerzen, helfen, besser mit den Beschwerden zurechtzukommen.

Was passiert in einer Verhaltenstherapie?

Zu Beginn geht es deshalb darum, Verhalten, das Schwierigkeiten im Leben des Betroffenen verursacht, zu erkennen. Der Psychotherapeut wird deshalb gemeinsam mit dem Patienten zunächst das eigentliche Problem analysieren, um das dahinter verborgene Verhaltensmuster zu verstehen. Anschließend werden die Therapieziele bestimmt, die Behandlungsprinzipien erklärt und ein Therapieplan festgelegt.

Ziel dieser Therapie ist es, mit Unterstützung der Therapeutin oder des Therapeuten nach und nach neue Verhaltensformen zu erlernen. Der Klient soll Fertigkeiten erlernen, um die eigenen Ziele besser zu erreichen, um besser mit sich und seiner Umwelt umgehen zu können.

Um es in der Fachsprache zu formulieren: Aus dysfunktionalem Verhalten soll funktionales Verhalten werden.

Die Arbeit ist Ziel- und Lösungsorientiert, häufig werden Verhaltensübungen eingesetzt, die sowohl offen (in der Sitzung oder als Hausaufgaben) oder auch verdeckt, d.h. nur in der Vorstellung der Patienten/Klienten durchgeführt werden können. Klassische therapeutische Techniken der Verhaltenstherapie sind Konfrontation mit beispielsweise angstauslösenden Reizen (z.B. Exposition, systematische Desensibilisierung), Verstärkung ("Belohnung") von erwünschtem und Löschung ("Nichtbeachtung") unerwünschten Verhaltens.

Es ist wichtig, dass der Klient die Therapie aktiv mitgestaltet und beispielsweise außerhalb des psychotherapeutischen Settings sogenannte Hausaufgaben macht. Die Hilfe zur Selbsthilfe stellt einen zentralen Punkt in der Verhaltenstherapie dar. Deshalb lernt der Klient während der Sitzung Methoden und Techniken, die er regelmäßig zuhause oder auch unterwegs und in der Arbeit anwenden kann.

Welche Schwierigkeiten können bei einer Verhaltenstherapie auftreten?

Sie wollen weniger an Ihren Schwierigkeiten oder Ihrem Verhalten konkret etwas verändern, sondern in erster Linie einfach nur verstehen, warum Sie diese Probleme haben.

In diesem Fall kann die Ausrichtung der Therapie auf die konkreten Veränderungen dann manchmal selbst zum Problem werden. Überprüfen Sie also lieber vorher, ob und inwiefern es Ihnen in der Therapie wirklich um spürbare und sichtbare Veränderungen geht.

Sie fühlen sich durch die Aufgaben, die Sie während der Sitzungen bewältigen sollen, überfordert.

Dieses Gefühl kann zum Beispiel auftreten, wenn Sie bei Angstproblemen versuchen, gemeinsam mit der Therapeutin Aufzug zu fahren, obwohl Sie bereits bei dem Gedanken daran vor Angst zittern und schwitzen. Eigentlich sollte die Therapeutin versuchen, die Aufgaben auf Ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten abzustimmen, manchmal gelingt das aber nicht so hundertprozentig. Eine gewisse Überforderung ist häufig auch von Therapeuten gewollt und fachlich begründet. Scheuen Sie sich aber nicht, Ihr Gefühl der Überforderung anzusprechen; Therapeuten sind auf Ihre Rückmeldung angewiesen.

Sie haben das Gefühl, dass Ihnen auch nach der Lösung eines bearbeiteten Problempunktes immer noch eine Menge anderer ungeklärter Schwierigkeiten bleiben.

Mit anderen Worten: Die Arbeit an kleinen Problemen löst Ihr „eigentliches“ Problem nicht.

Schwierig wird es, wenn Sie
das Prinzip der „kleinen Schritte“
nicht akzeptieren können.

So sagt zum Beispiel eine Patientin: „Auch wenn ich gegenüber meinen Arbeitskollegen sicherer auftrete, dann gibt es doch immer noch unendlich viele Personen, gegenüber denen ich mich unsicher fühle und mich auch so verhalte. Ich bin einfach ein ängstlicher Mensch!“

Wenn Sie sich schwer tun mit der Philosophie der „kleinen Schritte“ in der Verhaltenstherapie, dann ist dies ein Konflikt, der innerhalb der Therapie immer wieder Schwierigkeiten erzeugen wird.

Sie halten sich nicht an Vereinbarungen.

Diese Schwierigkeit kann eine Folge davon sein, dass Sie als Patient oder Patientin den Nutzen einer bestimmten Vereinbarung nicht erkennen. Klären Sie mit der Therapeutin oder dem Therapeuten, was Ihnen die Einhaltung so schwer macht und womit Sie Probleme haben. Wenn Sie unsicher sind, ob Sie überhaupt Vereinbarungen treffen wollen, sollten Sie lieber auf diese Methode verzichten.

Wie wird die hohe Erfolgsquote wissenschaftlich belegt?

Es gibt sehr viele klinische Studien, die die hohe Erfolgsquote von verhaltenstherapeutischen Methoden belegen. Es liegen umfangreiche wissenschaftliche Ergebnisse vor, die die Wirksamkeit von Verhaltenstherapie für viele psychische Störungen nachweisen. So konnten beispielsweise Wissenschaftler der Philipps-Universität Marburg um Benjamin Straube und Tilo Kircher 2022 in einer Studie mit Menschen, die an einer Panikstörung leiden, feststellen, dass sich eine erfolgreiche Behandlung mit kognitiver Verhaltenstherapie in einer geänderten Hirnaktivität niederschlägt.

Die Entstehung einer Panikstörung werde regelmäßig von einer verzerrten Verarbeitung von sprachlichen und nichtsprachlichen Bedeutungen über die Welt und sich selbst begleitet, so die Wissenschaftler. Nach der Verhaltenstherapie hatte sich die sprachliche Verarbeitung der Studienteilnehmer jedoch normalisiert. Dieser Behandlungserfolg schlug sich in der Hirnaktivität nieder: Sie war dann in einem Hirnareal gedämpft, das panik-bezogene Wortpaare verarbeitet.

Das Team nutzte die Magnetresonanz-Bildgebung, um die Hirnaktivitäten der Studienteilnehmer zu untersuchen, während diese gleichzeitig eine sprachliche Aufgabe bewältigten. Bei dieser Aufgabe ging es um die Vorbereitung der Symptome einer Panikattacke durch typische Auslöser von Panik, etwa durch das Wort Aufzug, das Betroffene oft mit dem Gefühl von auswegloser Enge und Angst verbinden.

Wie schnell wirkt Verhaltenstherapie?

Eine erste positive Verbesserung durch die Behandlung bemerken viele bereits nach einigen Tagen. Bis die akute Phase allerdings überstanden ist, vergehen etwa sechs bis zwölf Wochen. Damit ist die Therapie meistens aber noch nicht abgeschlossen.

Die Verhaltenstherapie zählt in Deutschland zu den sogenannten Richtlinienverfahren. Das bedeutet für gesetzlich versicherte Hilfesuchende, dass die gesetzlichen Krankenkassen Behandlungen per Verhaltenstherapie bezahlen, wenn sie von psychologischen Psychotherapeut:innen durchgeführt werden.

Im Rahmen der Akutbehandlung kann man sehr rasch mit einer Verhaltenstherapie beginnen, wenn vorab in einer psychotherapeutischen Sprechstunde eine psychische Erkrankung diagnostiziert wurde. Die Akutbehandlung kann aus bis zu 24 Einheiten zu je 25 Minuten bestehen und in eine Kurz- oder Langzeittherapie übergehen.

Wenn Sie mehr über Stundenkontingente, die Hilfesuchenden für die psychotherapeutische Sprechstunde, Akutbehandlung, probatorische Sitzungen sowie Kurz- und Langzeittherapie zur Verfügung stehen, wissen wollen, finden Sie die Informationen in dem Artikel "Wieviele Therapiestunden bezahlt die Krankenkasse?".

Weiterführende Links:

Quelle:

  • Der Abschnitt "Welche Schwierigkeiten kann es im Verlauf einer verhaltenstherapeutischen Behandlung geben?" wurde mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem empfehlenswerten Buch "Psychotherapie - Angebote sinnvoll nutzen" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Wesfalen e.V..
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