Sprachbarriere überwinden ist wesentlich
Eine gute sprachliche Verständigung ist Voraussetzung für Therapieerfolg
Fehlende oder geringe Deutschkenntnisse können zu Verständigungsschwierigkeiten und Missverständnissen bei Anamnese, Diagnostik und Therapie führen. Idealerweise sollte eine Therapie von muttersprachlichen oder zweisprachig aufgewachsenen Therapeut:innen oder von Therapeut:innen mit guten Kenntnissen in der jeweiligen Fremdsprache durchgeführt werden. Alternativ können professionelle Dolmetscher:innen oder Sprach- und Kulturmittler:innen eingesetzt werden, die fachlich kompetent sind und eine neutrale Haltung haben. Eine gute sprachliche Verständigung ist bei einer psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlung eine Voraussetzung dafür, dass die Psychotherapie gelingen kann.
Allerdings stehen in der Praxis oft nicht genügend Dolmetscher:innen zur Verfügung. Lokale Sprachmittlungs-Initiativen können zwar Dolmetscher:innen oder Sprach- und Kulturmittler:innen vermitteln, aber diese reichen bei weitem nicht aus. Darüber hinaus werden die Kosten für Dolmetscher:innen oder Sprach- und Kulturmittler:innen bei einer Psychotherapie meist weder von den Krankenkassen noch von den Kommunen oder Ländern übernommen.
In der Praxis werden zum Teil Mitarbeitende einer psychosozialen Einrichtung oder Verwandte der Patient:innen zum Übersetzen eingesetzt. Das ist jedoch ungünstig, weil es zu unzureichenden Übersetzungen und zur Überforderung der Beteiligten führen kann. Familienangehörige können in einen Konflikt zwischen der korrekten Übersetzung und Rücksichtnahme auf den Patienten oder die Patientin geraten, etwa wenn sie eine schlechte ärztliche Nachricht übersetzen sollen.
Übersetzen und gleichzeitig Hintergrundwissen vermitteln
Sprach- und Kulturmittler:innen haben neben Sprachkenntnissen meist auch gute Kenntnisse der Herkunftskultur der Patient:innen. Oft haben sie selbst einen Migrationshintergrund und sprechen zwei oder mehr Sprachen fließend. Neben dem Übersetzen können sie deshalb auch kulturelle Hintergründe erläutern, die Bedeutung des Gesagten erklären oder Missverständnisse aufklären. Das kann Therapeut:innen helfen, die Situation ihrer Patient:innen besser zu verstehen und zugleich ihr kulturspezifisches Wissen zu erweitern.
Verschiedene Anbieter bilden zu Sprach- und Kulturmittler:innen aus. Inzwischen ist die Fortbildung an bundesweit einheitlichen Ausbildungskriterien und Qualitätsstandards ausgerichtet. Die einjährige Fortbildung besteht aus 2.040 Unterrichtseinheiten und umfasst eine theoretische und eine praxisorientierte Phase. Die Zertifizierung erfolgt durch anerkannte Fort- und Weiterbildungsträger.
Aussagen und Verhalten des Patienten muss auch kulturell eingeordnet werden
Dolmetscher:innen und Sprach- und Kulturmittler:innen können neben der Übersetzung auch kulturelles Hintergrundwissen vermitteln und die Aussagen oder das Verhalten der Patient:innen im kulturellen Kontext einordnen. Zu ihrer Aufgabe gehört es auch, möglichst objektiv und ohne persönliche Färbung zu übersetzen.
Ist bei der Therapie eine Dolmetscherin oder ein Dolmetscher anwesend, ist das Vorgehen komplexer, weil sich drei statt zwei Personen im Raum befinden und weil ständig zwischen zwei Sprachen gewechselt werden muss. Wichtig ist deshalb, die Rollen und Aufgabenbereiche von Psychotherapeut:in und Dolmetscher:in von Anfang an klar zu definieren. Patient:in und Dolmetscher:in sollten über diese Aufgabenteilung ausführlich informiert werden. So sollten die Patient:innen darauf hingewiesen werden, dass auch für Dolmetscher:innen eine Schweigepflicht gilt. Die Dolmetscher:innen sollten darauf hingewiesen werden, dass in der Zeit der Therapie auch für sie das Neutralitätsgebot gilt und sie keine persönlichen Kontakte zu den Patient:innen aufnehmen dürfen.
Schon vor Beginn der Therapie können Therapeut:innen sich bei den Dolmetscher:innen über kulturelle Aspekte informieren, die für das Gespräch mit der Patientin oder dem Patienten wichtig sein könnten. Kommt es in einer Therapiesitzung zu Unklarheiten, sollten Therapeut:innen sowohl beim Patienten als auch bei der Dolmetscherin nachfragen. Darüber hinaus ist eine Nachbesprechung zwischen Therapeut:in und Dolmetscher:in nach den Therapiegesprächen sehr wichtig. Dann können zum einen Informationen und Eindrücke über die Patient:innen ausgetauscht und eventuelle Missverständnisse aufgeklärt werden, zum anderen haben die Dolmetscher:innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen, ihr Befinden und ihre Eindrücke während der Therapiestunde zu schildern oder Bedenken, zum Beispiel zu bestimmten Therapiemethoden, zu äußern.
Problematisch kann sein, dass Patient:innen von Dolmetscher:innen, die aus einer ähnlichen Kultur kommen wie sie selbst, möglicherweise persönlichen Einsatz und Unterstützung erwarten oder zu ihnen persönlich Kontakt aufnehmen möchten. Auch die Dolmetscher:innen können sich verpflichtet fühlen, die Patient:innen persönlich zu unterstützen. Sie empfinden neutrales Verhalten dann möglicherweise als Unhöflichkeit und mangelnde Hilfsbereitschaft. Daher ist es sinnvoll, die Rolle und die Aufgabenbereiche der Dolmetscher:in vor Beginn der Therapie klar zu definieren.
Kostenübernahme von Dolmetscher:innen
In manchen Fällen ist es möglich, einen Antrag auf Kostenübernahme für Dolmetscher:innen oder Sprach- und Kulturmittler:innen bei einer Psychotherapie zu stellen. Die Antragstellung ist aber oft aufwändig und langwierig, und die Entscheidung liegt im Ermessen der zuständigen Sachbearbeiter:in, so dass eine Bewilligung ungewiss ist. Zudem werden oft nicht die vollen Kosten übernommen.
Bei Geflüchteten und Migrant:innen, die kürzer als 18 Monate in Deutschland sind und noch nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind, kann eine Kostenübernahme beim Sozialamt beantragt werden. Dabei handelt es sich um eine Ermessensleistung, die bewilligt werden kann, wenn dies zur Sicherung der Gesundheit unerlässlich ist.
Bei Geflüchteten, die länger als 18 Monate in Deutschland und Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung sind, ist eine Kostenübernahme für Dolmetschleistungen durch die Krankenkassen bisher nicht vorgesehen. In diesem Fall kann eine Kostenübernahme als Ermessensleistung über das Sozialgesetzbuch (SGB) XII beantragt werden. Die Antragstellung ist dabei eher kompliziert.
Geflüchtete, die eine Aufenthaltserlaubnis erhalten oder eine versicherungspflichtige Arbeit aufnehmen, werden automatisch Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. In diesem Fall kann eine Kostenübernahme für Dolmetschleistungen möglicherweise über SGB II „Mehrbedarf“ beantragt werden. Auch diese Antragstellung ist kompliziert und die Chancen auf eine Kostenübernahme sind relativ gering.
Sprachmittlung sollte Leistung der Regelversorgung werden
Sprachmittlung in der Psychotherapie zu unterstützen, ist zwar als Ziel im aktuellen Koalitionsvertrag festgelegt. Dies wurde aber bisher nicht umgesetzt. Verschiedene ärztliche und psychotherapeutische Fachverbände setzen sich seit Längerem für einen gesetzlichen Anspruch auf Übersetzung bei der ärztlichen und psychotherapeutischen Versorgung von Geflüchteten ein. Sie plädieren dafür, dass die Kosten für Dolmetscher:innen oder Sprach- und Kulturmittler:innen in diesen Fällen von den Krankenkassen übernommen werden sollten.
So fordern die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) und die Bundesweite Arbeitsgemeinschaft der psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer (BafF) in einem gemeinsamen aktuellen Positionspapier, dass Sprachmittlung für fremdsprachige Patient:innen bei der medizinischen, psychotherapeutischen und psychosozialen Versorgung eine Leistung der Regelversorgung werden sollte und die Kosten von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen werden sollten.