Formen der Verhaltenstherapie
In der Verhaltenstherapie können inzwischen mehr als fünfzig verschiedene Einzelverfahren eingesetzt werden.
Was ist die "Klassische Verhaltenstherapie"?
Die Anfänge der Verhaltenstherapie gehen auf die erste Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zurück. Sie entwickelte sich als Gegenbewegung zur Psychoanalyse. Sie entstand aus der Schule des sogenannten Behaviorismus. Der Begriff geht auf das englische Wort to behave (Deutsch: sich verhalten ) zurück. Während sich die Psychoanalyse nach Freud vor allem auf Deutungen und Interpretationen unbewusster Konflikte konzentrierte, stellten die Behavioristen das beobachtbare Verhalten in den Mittelpunkt. Menschliches Verhalten sollte objektiv, also wissenschaftlich untersucht werden können.
Die Behavioristen gingen vereinfacht formuliert davon aus, dass Verhalten immer eine Reaktion auf einen Reiz darstellt, das Verhalten also erlernt wird und dementsprechend auch ver- oder umgelernt werden kann.
Dieses Verständnis von Verhaltenstherapie basiert auf den Lerntheorien der klassischen und operanten Konditionierung. Die klassische Verhaltenstherapie wird in Reinform vor allem dann angewendet, wenn es um Lernprogramme oder auch Tiererziehung geht. In der psychotherapeutischen Praxis werden die kognitive Verhaltenstherapie oder auch neuere Ansätze der Verhaltenstherapie angewendet.
Was zeichnet die "Kognitive Verhaltenstherapie" aus?
Die kognitive Therapie zielt darauf ab, bisherige Denkweisen zu hinterfragen und zu bearbeiten. Eine wichtige Rolle spielen dabei die persönlichen Einstellungen und Annahmen. Manche Menschen glauben zum Beispiel, dass sie immer perfekt sein müssen, um gemocht zu werden. Früher oder später verzweifeln sie an ihren unrealistischen Ansprüchen. In der kognitiven Therapie geht es darum, solche ungesunden Überzeugungen durch realistische zu ersetzen.
Neuere Ansätze, die sich in den letzten Jahren aus der Verhaltenstherapie entwickelt haben:
Was ist die Akzeptanz- und Committment-Therapie (ACT)?
Unangenehmes akzeptieren und engagiert handeln
Das ACT-Verfahren vereint neueste psychologische und neurophysiologische Forschungsergebnisse mit traditionellen fernöstlichen Meditationstechniken.
Der amerikanische Psychiater Steven C. Hayes entwickelte in den 1990er Jahren diesen verhaltensanalytischen Therapieansatz, der darauf abzielt, Vermeidungsverhalten in Bezug auf unangenehme Erlebnisse abzubauen („Acceptance“) und wertebezogenes, engagiertes Handeln („Commitment“) aufzubauen. Dabei geht es weniger um standardisierte Methoden, sondern vor allem um die Haltung, dass Schmerz etwas Natürliches ist und Klient:innen nicht etwa kaputt sind.
Wie hilft CBASP (Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy) bei chronischer Depression?
Immer im Austausch mit der Umwelt sein
Das „Cognitive Behavioral Analysis System of Psychotherapy” (CBASP; McCullough, 2000) ist die einzige Psychotherapieform, die speziell zur Behandlung chronischer Depressionen entwickelt wurde. Auf Deutsch könnte man es als kognitiv-verhaltenstherapeutisch-analytisches Psychotherapie-System übersetzen.
Kurz gesagt geht CBASP davon aus, dass es notwendig ist, dass Klient:innen lernen, dass Sie immer in einem Austausch mit ihrer Umwelt stehen. Solange die Vermeidung zwischenmenschlicher Situationen nicht überwunden wird, gibt es keine emotionale Veränderung der chronisch depressiven Stimmung. Erst dann kann es zu Verhaltensänderungen, persönlicher Bestärkung und zu einer Verbesserung der dysfunktionalen Emotionsregulation kommen.
Dieser Ansatz integriert behaviorale, kognitive, psychodynamische und auch interpersonelle Strategien. James P. McCullough begann Mitte der 70er Jahre seine Arbeit mit chronisch depressiven Patient:innen. Er überprüfte die Wirksamkeit des Verfahrens zunächst mit Hilfe von Einzelfallreihen und publizierte erste erfolgversprechende Resultate schon 1980.
Erst 1996 wurde das CBASP in einer großen randomisierten Untersuchung an 681 chronisch-depressiven ambulanten Patienten überprüft (Keller, McCullough, Klein et al. 2000). Die erfolgreichen Studienergebnisse machten CBASP sowohl national als auch international bekannt.
Was passiert in der Schematherapie?
Muster von Gefühlen, Gedanken und Empfindungen
Die Schematherapie basiert auf den Methoden der kognitiven Verhaltenstherapie und erweitert sie um erlebnis- und handlungsorientierte Vorgehensweisen. Ein wichtiges Element der Therapie ist die bewusste Gestaltung der Beziehung zwischen Therapeut und Patient.
Mit einem Schema ist ein typisches Muster von Gefühlen, Gedanken und Empfindungen, das das Verhalten steuert, gemeint. Dieses Muster wird in der Kindheit gelernt. Die Schemata dienen dazu, die wichtigsten psychischen Bedürfnisse (Grundbedürfnisse) eines Menschen zu befriedigen, etwa das Bedürfnis nach sicheren Bindungen oder zufriedenstellenden Beziehungen oder das Bedürfnis nach Autonomie. Wurden die Grundbedürfnisse in der Kindheit häufig nicht befriedigt, können ungünstige Schemata entstehen. Sie wirken sich langfristig negativ auf das Leben des Betroffenen und auf seine Beziehungen zu anderen Menschen aus.
In der Schematherapie geht es darum, die ungünstigen Erlebens- und Verhaltensmuster, die im Lauf der Lebensgeschichte entstanden sind, bewusst zu machen und so zu verändern, dass der Betroffene seine Gefühle und sein Verhalten besser regulieren und seine Bedürfnisse auf eine günstigere Weise befriedigen kann. Dadurch reduzieren sich langfristig auch die psychischen Belastungen und Symptome.
Mehr Informationen finden Sie in diesem Artikel
https://www.therapie.de/psyche/info/therapie/schematherapie/artikel/
Dialektisch-behaviorale Therapie (DBT)
Selbstgefährdendes Verhalten wird umgelernt
Die dialektisch-behaviorale Therapie (DBT) hat die amerikanische Psychotherapeutin Marsha Linehan ursprünglich als Therapieprogramm für Borderline-Patient:innen entwickelt. Mittlerweile konnte man die Erfahrung machen, dass neben Patient:innen mit der Diagnose einer Borderline-Persönlichkeitsstörung auch Patient:innen mit anderen Diagnosen, zum Beispiel einer Depression sehr gut von den Elementen der DBT profitieren können.
Die ambulante DBT umfasst:
- Einzeltherapie
- Fertigkeitentraining in der Gruppe
- Telefonkontakt im Notfall
- regelmäßige Intervision der Therapeut:innen.
In der Einzeltherapie werden die Problembereiche hierarchisch im Sinne der Dringlichkeit geordnet. Suizidales und parasuizidales Verhalten stehen im Vordergrund, gefolgt von therapiegefährdendem Verhalten, Beeinträchtigungen der Lebensqualität und mangelnde Verhaltensfertigkeiten. In dieser Reihenfolge werden die Problemfelder bearbeitet und – falls nötig – geht der Behandlungsfokus umgehend nochmal auf die nächsthöhere Ebene zurück.
Verhaltensaktivierung (Behavioral Activation)
Positivere Erlebnisse suchen und erfahren
Die Verhaltensaktivierung soll die Patient:innen befähigen, sich auf bedeutende Aktivitäten zu fokussieren, die durch ihre eigenen persönlichen Werte angetrieben werden, um so ihre Depression zu bewältigen.
Die Verhaltensaktiviationstherapie ist eine Behandlung, die sich darauf konzentriert, den Patient:innen mit Depression zu helfen, ihr Verhalten zu ändern. Sie hilft den Betroffenen, die Verbindung zwischen ihrem Verhalten und ihrer Stimmung herzustellen. Die Therapeut:innen helfen den Patient:innen, positivere Erlebnisse in ihrem Leben zu suchen und zu erfahren. Die Aktivationstherapie hilft den Klient:innen, ihr Vermeidungsverhalten in schwierigen Situationen mehr und mehr zu reduzieren und stattdessen Alternativen für nicht hilfreiche Gewohnheiten und Verhaltensweisen zu finden.
Interpersonelle Psychotherapie (ITP)
Beziehungen zu anderen Menschen entscheidend
Diese Form der Verhaltenstherapie ist speziell auf die Behandlung unipolar depressiver Episoden zugeschnitten. Bei wiederkehrenden Depressionen wird in der Regel eine mehrmonatige Erhaltungstherapiephase angehängt.
Dabei stehen die Beziehungen des Patienten zu anderen Menschen im Mittelpunkt der Therapie. Gleichzeitig werden bei der Behandlung schwierige Themen, die mit der Entstehung der Depression zusammenhängen können, aufgegriffen. Dies können beispielsweise der Verlust eines geliebten Menschen oder der Abschluss eines Lebensabschnitts, zum Beispiel das Ausscheiden aus dem Berufsleben, sein, aber auch zwischenmenschliche Konflikte oder Kontaktschwierigkeiten. Diese Themen werden in der Therapie aufgegriffen und in Rollenspielen oder durch den Ausdruck von Gefühlen bearbeitet.
Die Therapieziele bestehen zum einen in der Reduktion der depressiven Symptome, zum anderen in der emotionalen, aber auch handlungsbezogenen Bewältigung belastender zwischenmenschlicher und psychosozialer Stressoren. Der Therapeut ist aktiv unterstützend, hoffnungsvermittelnd und fungiert als Advokat des Patienten.
Die IPT gehört noch nicht zu den von den Krankenkassen erstatteten Richtlinienverfahren. Der Ansatz ist jedoch in internationalen Leitlinien empfohlen und zählt zu den so genannten evidenzbasierten und am besten überprüften Depressionsbehandlungen. Die IPT wurde vom Wissenschaftlichen Beirat Psychotherapie für die Diagnosegruppe der Affektiven Störungen, wozu Depressionen und bipolare Störungen gehören, und auch der Ess-Störungen als wissenschaftliche Methode anerkannt.
Metakognitives Training
Automatische Denkmuster erkennen
Das Metakognitive Training ist im Grunde eine Variante der Kognitiven Verhaltenstherapie für Psychosen. Ziel dieses Trainings ist es, den Patient:innen typische kognitive Denkverzerrungen, die sie während einer Psychose erleben, durch interaktive Übungen bewusst zu machen.
Das Metakognitive Training bei Depression (D-MKT) ist im Ansatz zwar inspiriert vom Metakognitiven Training (MTK) für Psychose, es greift aber depressionsrelevante Denkverzerrungen auf. Automatisch auftauchende Gedanken und Gefühle sollen bewusst hinterfragt werden, um eventuell überschießende Reaktionen zu vermeiden.
Das Training leitet Betroffene an, die zumeist automatischen und unbewussten Denkmuster zu erkennen und zu korrigieren. Zu diesem Zweck werden den Teilnehmenden Informationen über die depressionsfördernden und -aufrechterhaltenden Denkmuster spielerisch vermittelt und an einer Reihe von Beispielen veranschaulicht, um sie so praktisch erfahrbar zu machen. Darüber hinaus werden auch ungünstige Annahmen über die eigenen Denkprozesse sowie über dysfunktionale Coping-Strategien wie sozialer Rückzug, Gedankenunterdrückung oder Grübeln zur Problembewältigung bearbeitet.