Achtsamkeit hilft bei psychischen Problemen

Auf einzelne Krankheitsbilder zugeschnittene Therapie-Konzepte nutzen Achtsamkeit in unterschiedlicher Form

Das Potenzial von Achtsamkeit bei psychischen Problemen und für den Einsatz im Rahmen einer Psychotherapie wurde erkannt. Es werden unterschiedliche Wirkmechanismen diskutiert, wie Achtsamkeit bei der Behandlung von psychischen Erkrankungen helfen kann.

Achtsamkeit und psychische Schwierigkeiten

  • Ein Ziel von Achtsamkeit ist es, den Abstand zwischen Reiz und Reaktion zu vergrößern. Somit entsteht ein Raum zwischen bewusstem Erleben und Handeln. Es gibt mehr Zeit, um impulsive Reaktionen oder unerwünschte automatische Prozesse zu identifizieren und sie zu unterbrechen. Die Person kann sich bewusst für eine alternative und möglicherweise effektivere Reaktion entscheiden.
  • Durch Achtsamkeit kann das Abschweifen in negative Gedanken schneller erkannt werden. Die Aufmerksamkeit wird zurück auf das Hier und Jetzt gelenkt, um so wieder im Kontakt mit der gegenwärtigen Umwelt zu sein.
  • Bei einem achtsamen Lebensstil werden angenehme Situationen bewusster wahrgenommen. Unangenehme Situationen werden nicht vermieden, vielmehr wird ein hilfreicher Umgang gesucht.
  • Die annehmende Haltung bei Achtsamkeit erlaubt es, negative Erfahrungen in die Lebensbiografie einzubauen, ohne diese stetig verdrängen zu müssen. Daraus können Momente innerer Ruhe und Gelassenheit resultieren.
  • In der Meditation nimmt die Person von ihren (automatischen) Gedanken Abstand. Die Person kann so leichter selbst entscheiden, ob sie sich mit den Gedankeninhalten identifizieren möchte. Achtsamkeit hilft, sich selbst gegenüber eine wohlwollendere Haltung einzunehmen. Das kann das Selbstwertgefühl steigern und den Selbsthass reduzieren.
  • Personen können mittels Achtsamkeit eigene Bedürfnisse leichter wahrnehmen und diese auch kommunizieren. Dies kann zu einem besseren Beziehungserleben führen.
  • In der Achtsamkeitspraxis wird trainiert, eigene Körpersignale besser zu erkennen. Körperliche Beschwerden können als weniger belastend wahrgenommen werden. Darüber hinaus kann der Körper als zusätzliche Informationsquelle für innere Prozesse dienen.

Wie genau und warum Achtsamkeit bei verschiedenen psychischen Störungen wirkt, wird noch untersucht. Dass Achtsamkeit die psychische Gesundheit fördert, konnte in verschieden Studien nachgewiesen werden (Siehe Abschnitt Wirksamkeit).

Achtsamkeit in der Psychotherapie

Für eine Reihe von psychischen Störungen, wie Angststörungen, Depressive Störung, Zwangsstörungen, Posttraumatische Belastungsstörungen, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörungen oder Abhängigkeitserkrankungen existieren inzwischen speziell entwickelte Psychotherapiekonzepte, welche Achtsamkeit nutzen. Achtsamkeitsbasierte Therapiemethoden werden häufig zur „dritten Welle“ der Verhaltenstherapie gezählt. Dabei kann Achtsamkeit in unterschiedlichen Formen im Behandlungskonzept integriert sein. Zur Orientierung schlagen Heidenreich und Michalak drei Ansätze vor, in denen das Verhältnis von Achtsamkeit und Psychotherapie eingeordnet werden kann.

Achtsamkeitsanaloge Ansätze

Zwischen den Psychotherapieverfahren und den Achtsamkeitsprinzipien finden sich natürliche Schnittstellen. Beispielweise wird in der Verhaltenstherapie den Patienten beigebracht, destruktive Gedanken nicht als Tatsachen zu betrachten, sondern als Hypothesen, die überprüft werden sollen. Ähnlich wie bei der Meditationspraxis ist auch hier das Ziel sich mit den Gedanken nicht automatisch zu identifizieren. In der Psychoanalyse ist Aufmerksamkeit während der Analyse vergleichbar mit der gleichmütig-akzeptierenden Achtsamkeit (Lohmann & Annies, 2016). Besonders die humanistischen Verfahren, wie die Gestalttherapie oder die Gesprächstherapie, teilen viele Ansichten mit der Achtsamkeitslehre und unterscheiden sich vorwiegend in der Methode.

Achtsamkeitsinformierte Ansätze

Vor allem „neuere“ Verfahren setzen darauf, Achtsamkeit, als ein Baustein in ihr Behandlungskonzept zu integrieren. Achtsamkeitsprinzipen und kürzere Achtsamkeitsübungen werden in die Therapie eingebunden. Ein Beispiel ist die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT) nach Marsha Linehan, in der Achtsamkeit eine Komponente im Fertigkeitstraining darstellt. In der Accpetance and Commitment Therapy (ACT) von Hayes und Kollegen spielt Achtsamkeit eine wichtige Rolle beim Erlangen einer grundlegend akzeptierenden Haltung. Auch die Euthymie Therapie von Lutz kann hier eingeordnet werden, da durch das achtsame Lenken der Aufmerksamkeit positive Erfahrungen gesammelt werden sollen.

Achtsamkeitsbasierte Ansätze

Dies sind Therapien, in denen Achtsamkeit der zentrale Wirkmechanismus der Behandlung ist. Sie basieren auf zeitlich längeren Meditationen und gehen vertiefend auf die Lehre von Achtsamkeit ein. Im Vordergrund steht die eigene Erfahrung von Achtsamkeit durch die regelmäßige Praxis. Ebenso wird von den Therapeuten und Therapeutinnen meist langjährige Meditationserfahrung erwartet. Die zwei größten Vertreter der achtsamkeitsbasierten Therapie ist das Mindfulness-based Stress Reduktion Programm (MBSR) von Kabat-Zinn und die Mindfulness-based Cognitive Therapy (MBCT) von Segal und Kollegen. Beide Behandlungskonzepte werden in den folgenden Kapiteln ausführlich vorgestellt.