Arbeitslos - und was nun?

Betroffene mit psychischen und körperlichen Folgen alleine

13.07.2009 Von Ulrike Propach und Mathias Petri

Die Entstehung von Massenarbeitslosigkeit ist in erster Linie ein gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem - die Last der Bewältigung der Folgen von Arbeitslosigkeit wird aber regelmäßig den einzelnen Betroffenen und ihren Angehörigen aufgebürdet.

Die psychischen Folgen für die Betroffenen und ihre Familien sind gravierend: »Untersuchungen zur Lebenszufriedenheit zeigen Arbeitslose regelmäßig "sehr unglücklich": Unglücklicher noch als Menschen, die eine Scheidung hinter sich haben«, schreibt Uwe Blien in seinem Essay über Arbeitslosigkeit in "Das Parlament". Denn Erwerbsarbeit hat in Arbeitsgesellschaften eine integrierende Wirkung, die weit über das reine Geldverdienen hinausgeht. Der Verlust des Arbeitsplatzes geht in der Regel einher mit dem Verlust von

  • Sozialen Kontakten
  • Strukturen, die den Tagesablauf bestimmen
  • Sinnstiftenden Tätigkeiten
  • Finanziellen Ressourcen
  • Anerkennung

Darüber hinaus gilt heute auf Grundlage von Metaanalysen und Längsschnittstudien als gesichert, dass Erwerbslosigkeit zu psychischen Beeinträchtigungen, insbesondere Depressionen, führt. Dabei haben vor allem die Dauer der Erwerbslosigkeit sowie eine schlechte finanzielle Lage einen negativen Einfluss auf den psychischen Zustand. Die psychischen Beeinträchtigungen erschweren mit zunehmender Dauer eine Rückkehr in die Erwerbsarbeit. Aus diesem Wissen lassen sich die zentralen Ansatzpunkte für Interventionen ableiten. Insbesondere gilt es,

  • eine längere Phase der Arbeitslosigkeit zu vermeiden und
  • die psychischen Ressourcen frühzeitig und möglichst dauerhaft zu stabilisieren

Die Reduzierung finanzieller Mittel erhöht zwar den (Bewerbungs-) Druck auf die betroffene Person, stärkt aber auf keinen Fall die psychischen Ressourcen. Forschungsergebnisse zeigen, dass sich die psychischen Ressourcen von Erwerbslosen darüber hinaus immer mehr verringern, wenn

  • die Arbeitsorientierung zu sehr forciert wird,
  • unrealistische Hoffnungen geweckt werden,
  • zu vielen und nicht Erfolg versprechenden Bewerbungsaktivitäten gedrängt und
  • eine zu große Konzessionsbereitschaft bezüglich der Art der Arbeit gefordert wird.

Derartige Maßnahmen bereinigen kurzfristig die Arbeitslosen-Statistiken, führen aber mittel- und langfristig zu gesellschaftlichen Kosten vor allem im Gesundheitswesen.

Eine genauere Betrachtung der Interventionsmaßnahmen zeigt, dass Aktivitäten zur Verbesserung der Bewerbungsqualität sich als sehr viel effektiver erwiesen haben als meist teurere allgemeine fachliche Qualifizierungen oder Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen.

Ist hingegen der Wiedereinstieg auf eine passende Arbeitsstelle geglückt, lässt sich rasch eine deutliche Verbesserung der seelischen Gesundheit nachweisen.

Martin L. aus K. kennt sich selbst kaum wieder, fragt sich nicht nur, was wird aus mir, sondern wundert sich, was geschieht da mit mir. Nach seinem Studium hatte er problemlos mehrere Stellen gefunden, zunächst als Praktikant oder Trainee, dann einen befristeten Job und schließlich eine feste Anstellung. Zwar war die Bezahlung nicht überragend, aber er war mit seinen Aufgaben und den Projekten sehr zufrieden und glücklich darüber, vielfältige Erfahrungen im Arbeitsleben zu machen. Plötzlich kam die Nachricht, dass die Auftragslage zu Entlassungen führen würde und man zunächst die Stellen der Mitarbeiter mit Familie erhalten wolle. Da stand Martin L. ohne Job da. Anfangs machte er sich kaum Sorgen, bereits in den letzten Wochen seiner Beschäftigung eine neue Stelle zu finden - jung, engagiert, gut qualifiziert. Inzwischen ist sein Anspruch auf Arbeitslosenunterstützung bald zu Ende und noch immer hat er keine neue Arbeit gefunden. Martin L. leidet vor allem unter dem Gefühl, sich ständig dafür rechtfertigen zu müssen, dass er seine Situation nicht selbst verschuldet hat. Zudem hat er das Gefühl, in seinem Umfeld kursiere die Meinung, er habe zu hohe Ansprüche an einen Arbeitsplatz.