Drogensucht und Drogenmissbrauch

Wenn das "Experimentieren" mit Drogen außer Kontrolle gerät und in die Abhängigkeit führt

03.12.2019 Von Dr. Christine Amrhein

Unter dem Begriff „Drogen“ versteht man allgemein psychotrope Substanzen – also Stoffe, die sich auf die Psyche des Menschen auswirken. Dazu gehören zum Beispiel auch Alkohol, Nikotin, Koffein und verschiedene Medikamente. In diesem Kapitel geht es jedoch nur in erster Linie um Substanzen, die unter den Begriff „illegale Drogen“ fallen.

Solche Substanzen können zu – zum Teil schwerer – körperlicher und / oder psychischer Abhängigkeit führen. Zudem führen sie, vor allem bei längerem Gebrauch, häufig zu deutlichen körperlichen und psychischen Schäden.

Nach einer vereinfachten Einteilung unterscheidet man zwischen stimulierenden Substanzen („Upper“), dämpfenden Substanzen („Downer“) und bewusstseinsverändernden Substanzen (Halluzinogenen). Zu den stimulierenden Substanzen gehören Amphetamine, Kokain und Ecstasy, zu den dämpfenden Substanzen Opioide (zum Beispiel Morphin, Codein, Methadon), Heroin und Benzodiazepine (Schlaf- und Beruhigungsmittel, die zwar legal verschrieben werden können, aber von Drogenkonsumenten häufig missbraucht werden). Zu den Halluzinogenen zählen LSD, halluzinogene Pilze und Meskalin. Bei Cannabis ist die Zuordnung schwierig, weil es sowohl stimulierende als auch dämpfende Effekte hat und auch zu Halluzinationen führen kann.

Einige der genannten Substanzen, etwa Opiate und Opioide, Schlaf- und Beruhigungsmittel und Amphetamine, können zwar legal als Medikamente verschrieben werden. Bei ihnen besteht jedoch ein Abhängigkeitspotential, so dass bei nicht sachgemäßer Anwendung die Gefahr eines Missbrauchs oder einer Abhängigkeit besteht.

Kennzeichen von Drogenmissbrauch und Drogenabhängigkeit

Die Kriterien für einen Missbrauch oder eine Abhängigkeit von Drogen (zum Beispiel nach ICD-10) entsprechen den Kriterien für einen Alkoholmissbrauch bzw. eine Alkoholabhängigkeit. Auch bei Drogen muss die Problematik mindestens einen Monat lang oder wiederholt in den letzten zwölf Monaten aufgetreten sein.

Im ICD-10 wird zwischen Störungen durch folgende psychoaktive Substanzen unterschieden – die als Drogen oder als legale Substanzen beschafft werden oder, im Fall von Medikamenten, auch vom Arzt verordnet sein können:

  • Opioide
  • Cannabinoide (Substanzen aus der Hanfpflanze und verwandte, synthetisch hergestellte Substanzen)
  • Sedativa und Hypnotika (Beruhigungs- und Schlafmittel)
  • Kokain
  • andere Stimulanzien, einschließlich Koffein
  • Halluzinogene
  • Tabak
  • flüchtige Lösungsmittel

Von einem multiplen Substanzgebrauch spricht man, wenn jemand zwei oder mehr verschiedene psychotrope Substanzen einnimmt, ohne dass eine davon im Vordergrund steht.

Jürgen besucht eine Realschule und ist ein relativ guter Schüler. Mit 14 Jahren freundet er sich mit einer Clique an, deren Mitglieder er „richtig cool“ findet. Die Gruppe feiert immer wieder „wilde Partys“, bei denen oft bis zur Bewusstlosigkeit Alkohol getrunken wird. Bald fangen die Jugendlichen auch an, Cannabis zu rauchen und mit verschiedenen Drogen, vor allem Kokain und „Magic Mushrooms“, zu experimentieren. Die Eltern sehen den Kontakt zu der Clique sehr kritisch, schaffen es aber nicht, Jürgen davon abzuhalten.

In der Schule lassen Jürgens Leistungen nun immer mehr nach, er schwänzt immer öfter den Unterricht und bleibt am Ende des Schuljahres sogar sitzen. Immer öfter kommt es auch zu Diebstählen und kleineren Einbrüchen, bei denen Jürgen mehrmals von der Polizei aufgegriffen wird. An der Schule fällt sein Drogenkonsum auch den Lehrern auf, so dass er mehrmals Verweise erhält und schließlich von der Schule verwiesen wird.
Als Jürgen 17 Jahre alt ist, wenden sich die verzweifelten Eltern an eine Suchtberatungsstelle. Nur durch den starken Druck des Vaters kommt Jürgen schließlich mit den Eltern zu einem ersten Beratungsgespräch.

Weitere Substanzen mit Suchtpotenzial

Auch der Konsum von Alkohol, sowie die Einnahme einzelner Medikamente sowie bestimmte Verhaltensweisen bergen die Gefahr, in eine Abhängigkeit zu führen.

In vielen Ländern ist der Alkoholkonsum fester Bestandteil der Lebenskultur. Bei nahezu jedem gesellschaftlichen Anlass oder jeder Feierlichkeit oder freudigem Ereignis stößt man mit einem Glas Sekt an. Zu einem guten Essen gehört in aller Regel ein gutes Glas Wein oder Glas Bier oder man trifft sich abends mit Freunden „auf ein Bier“, "geht Cocktails trinken" oder nimmt noch einen "Absacker" vor dem Nach-Hause-Gehen. Oft wird man sogar "schief angeschaut", man in geselliger Runde kein "Gläschen" mit trinkt.

Die Wirkung von Alkohol und Drogen wird oft als positiv und angenehm empfunden. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, die Substanzen wiederholt zu konsumieren. Diese positiv wahrgenommenen Wirkungen können derart stark sein, dass die Einnahme außer Kontrolle gerät und fortgesetzt wird, obwohl sie kurz- und langfristig gesehen negative Folgen hat. Dadurch kann sich ein Missbrauch oder sogar eine Abhängigkeit entwickeln.

Neben illegalen Drogen und Alkohol können auch manche ursprünglich vom Arzt verschriebene Medikamente, insbesondere Schlaf- und Beruhigungsmittel, opiathaltige Schmerzmittel und Psychostimulanzien, abhängig machen. Diese Medikamente führen, wenn sie wie verordnet und nur für eine begrenzte Zeit eingenommen werden, normalerweise nicht zur Abhängigkeit.

Es kann jedoch sein, dass ein Patient das Medikament über eine längere Zeit einnimmt als vom Arzt verordnet oder die vorgesehene Menge nicht mehr ausreicht, um die Beschwerden zu lindern. Mit der Zeit kann sich dadurch eine Abhängigkeit entwickeln und Versuche, das Medikament ganz abzusetzen oder zu verringern, gehen mit deutlichen Entzugserscheinungen einher.

Schließlich können sich verhaltensbezogene Süchte entwickeln. Dazu gehört zum Beispiel die Sucht nach Glücks- oder Computerspielen, Fernsehen oder der Nutzung elektronischer Medien oder auch das zwanghafte Verlangen nach Essen, Einkaufen oder Arbeiten.

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