Zahlreiche Barrieren behindern Versorgung

Gründe für die oft mangelhafte psychotherapeutische Behandlung von Geflüchteten und Migrant:innen

Migrant:innen und Geflüchtete nehmen Angebote im Sozial- und Gesundheitswesen, zum Beispiel Psychotherapie, deutlich weniger in Anspruch als Einheimische, weil es zahlreiche Barrieren gibt. Insgesamt besteht eine deutliche Unterversorgung.

Außerdem kommt es bei Migrant:innen durch Verständigungsschwierigkeiten oder kulturelle Missverständnisse häufiger zu Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen, Therapieabbrüchen und Behandlerwechseln als bei Menschen ohne Migrationshintergrund. Statt einer psychologischen Beratung oder Psychotherapie erhalten sie häufiger Medikamente, bei leichten psychischen Symptomen werden sie häufiger in eine Klinik eingewiesen und bei psychosomatischen Erkrankungen erhalten sie häufiger eine rein körperliche Behandlung als Nicht-Migrant:innen. Oft kommen Menschen mit Migrationshintergrund erst dann in eine Psychotherapie, wenn ihre Erkrankung schon länger besteht, so dass die Behandlung aufwändiger und die Heilungschancen geringer sind.

Barrieren für eine angemessene psychotherapeutische Versorgung können im Versorgungssystem, bei der sprachlichen Verständigung, bei unterschiedlichen kulturellen Vorstellungen, bei den Behandler:innen oder auch bei den Migrant:innen selbst liegen.

Zugänge zu Psychotherapie für Migrant:innen schwierig

Das psychosoziale und psychotherapeutische Versorgungssystem in Deutschland ist bisher nicht ausreichend für eine angemessene Behandlung von Migrant:innen und Geflüchteten ausgestattet. Das Angebot an Psychotherapien, die sich an diese Gruppe richten, ist deutlich zu gering. Wenn es spezialisierte Einrichtungen gibt, sind sie oft überlaufen und haben lange Wartezeiten. Auch interkulturelle Kompetenzen werden bisher nicht standardmäßig in psychotherapeutischen oder ärztlichen Ausbildungen vermittelt.

Für neu nach Deutschland gekommene Geflüchtete ist eine Psychotherapie nicht ohne weiteres möglich, die Regelungen dafür sind kompliziert. Auch ist die Kostenübernahme für eine Psychotherapie und die oft notwendigen Dolmetscher:innen vielfach nicht gewährleistet. Die Antragstellung ist kompliziert und zeitaufwändig und die Bewilligung des Antrags häufig ungewiss.

Finanzierung der Therapie oder Aufenthaltsdauer häufig unsicher

Bei den Behandler:innen können sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, fehlende interkulturelle Kompetenzen, Unsicherheit im Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen und das Gefühl, nicht kompetent genug zu sein, Barrieren für eine psychotherapeutische Behandlung von Migrant:innen sein. Auch praktische Schwierigkeiten wie unklare Antragsprozedur, Finanzierung der Therapie oder Aufenthaltsdauer der Patient:innen können Hindernisse darstellen. Außerdem kann die Befürchtung, dass die therapeutische Arbeit mit Menschen mit Migrationshintergrund aufwändiger oder generell schwierig sei, eine Barriere darstellen.

Einige Therapeut:innen haben das Ziel, alle Patient:innen gleich zu behandeln und ignorieren ihren kulturellen, ethnischen und religiösen Hintergrund. Das ist für die Therapie jedoch nicht hilfreich. Umgekehrt ist auch eine Haltung, bei der kulturelle, ethnische und religiöse Unterschiede stark betont werden, in der Therapie nicht hilfreich. Auch andere Wertvorstellungen und unbewusste Vorurteile von Therapeut:innen können die psychotherapeutische Arbeit mit Menschen aus anderen Kulturen erschweren oder verhindern.

Misstrauen gegenüber Institutionen

Viele Menschen mit Migrationshintergrund haben in ihren Herkunftsländern diktatorische Systeme und Willkür erlebt. Deshalb sind sie möglicherweise misstrauisch gegenüber offiziellen Institutionen und es kann schwierig sein, eine vertrauensvolle therapeutische Beziehung aufzubauen. Manche Migrant:innen empfinden ihre Situation auch als perspektivlos, fühlen sich sozial ausgeschlossen und sind frustriert. Deshalb sind sie möglicherweise wenig motiviert, eine Psychotherapie zu beginnen.