Theorie der Musiktherapie
Als kreativ-therapeutisches Verfahren basiert die Musiktherapie je nach Ausrichtung auf unterschiedlichen Psychotherapieschulen. Zu erwähnen sind hier insbesondere der gestalttherapeutische Ansatz, die Psychoanalyse, der klientenzentrierte Ansatz und der antroposophische Ansatz. Es sollen jeweils einige im Hinblick auf die Musiktherapie wichtige Elemente dieser Ansätze hervorgehoben werden. Wesentliches Element der auf FRITZ PERLS zurückgehenden Gestalttherapie ist der Dialog zwischen Therapeut und Patient im „Hier und Jetzt“.
Die musiktherapeutische Improvisation kann ein solcher Dialog oder Teil eines solchen Dialoges sein und bietet zudem die Möglichkeit, nicht erledigte Geschehnisse zu bearbeiten (im Sinne des Wiedererlebens und Durcharbeitens eines Traumes). Den gestalttherapeutischen Grundsatz, das Ganze sei mehr als die Summe seiner Teile, kann der Patient in der Musik erleben in der Gesamtgestalt der musikalischen Improvisation, die mehr ist als die Summe der musikalischen Grundelemente Rhythmus, Klang, Melodie, Dynamik und Form (Hegi 1998).
Die analytisch fundierte Musiktherapie übernimmt verschiedene Elemente der Psychoanalyse in das musikalische Geschehen; der dem Symptom zugrundeliegende Konflikt soll mit Hilfe der Musik aufgedeckt und überwunden werden. An die Stelle der freien Assoziation der Psychoanalyse tritt die Spielanalyse. In der musiktherapeutischen Improvisation sind Regression, Abwehr, Übertragung und Gegenübertragung möglich. Die analytische Musiktherapie ist dialogisch, der Patient und der Therapeut musizieren zusammen. Übertragung und Gegenübertragung sind hier auf das musikalische Geschehen zu beziehen. Wie bei dem gestalttherapeutischen Ansatz wird üblicherweise der musikalische Teil durch einen verbalen ergänzt (Bruscia 1989).
Die wesentlichen Elemente der klientenzentrierten Psychotherapie, die unbedingte Annahme, die Empathie und die Echtheit sind auch auf musikalischer Ebene möglich. Darüber hinaus sind Konfrontation und Fokussierung in der musiktherapeutischen Improvisation möglich. Bruscia beschreibt Improvisationsmodelle, die diesen klientenzentrierten Kategorien entsprechen. Auch der auf klientenzentrierter Basis arbeitenden Musiktherapie steht das verbale Durcharbeiten zur Verfügung (Bruscia 1987).
Der anthroposophische Ansatz geht davon aus, daß sich in Musik die Ordnung des Kosmos wiederspiegele. So könne dem Menschen durch die adäquate Musik geholfen werden, seine seelische Ordnung wiederzufinden. Zusammenfassend ist zu sagen, daß die Realität musiktherapeutischer Praxis im Rahmen des jeweiligen musiktherapeutischen Settings häufig Teile verschiedener Schulen verbindet. Unabhängig von der zugrundeliegenden Theorie werden die spezifischen musiktherapeutischen Wirkelemente genutzt. Diese umfassen die Kommunikation auf der non-verbalen, symbolhaften Ebene, das Erleben und Ausdrücken von Emotionen mit Hilfe von Musik, das Erleben von Ganzheit in der Musik und ggf. in der musizierenden Gruppe, die Möglichkeit der Regression auf der klanglichen Ebene und das Körpererleben und Probehandeln durch aktives Musizieren in der Musiktherapie.
"Die psychotherapeutische Wirkung der Musiktherapie geschieht vor allem auf Grund des Einflusses der Musik auf die Psyche der Patienten und durch die Einbettung in eine therapeutische Beziehung zwischen Patient und Musiktherapeut und die Einbettung dieser Beziehung in die Musik." (Smeijsters 1999)