Zweifel und Fragen in der Psychotherapie (Seite 4/4)

Veränderungen und Verstrickungen

Rolle Umfeld, Beziehung zum Therapeuten, Therapiesucht?

„Wie Du Dich verändert hast ... “

Wenn Sie sich über positive Veränderungen freuen, aber Ihre Umwelt nicht so recht mitspielt

Mögliche Reaktionen
Ihres Umfeldes einplanen

Durch eine Psychotherapie kann sich vieles verändern. Diese Veränderungen können sowohl Sie selbst als Patient oder Patientin als auch Ihre Umwelt, Ihre Freunde, Ihr Partner, Familienangehörige, Arbeitskollegen oder andere Personen in Ihrer Umgebung betreffen. Sie sollten sich darauf einstellen, dass die Reaktionen darauf nicht immer und bei allen Beteiligten durchweg positiv ausfallen müssen. Ein Beispiel mag das illustrieren: Stellen Sie sich eine junge Frau vor, die infolge der Therapie selbstbewusster gegenüber ihrer Familie und ihren mit im Haus lebenden Eltern auftritt. Sie beginnt, auch mal alleine etwas in ihrer Freizeit zu unternehmen. Dem Ehemann und ihren Eltern missfällt diese Entwicklung möglicherweise. Es wird ihr vorgeworfen, auf diese Weise neue Probleme in der Familie zu schaffen. Im ungünstigen Falle bekommt sie daraufhin ein schlechtes Gewissen und zweifelt am Ende am Wert der Therapie. So können die für die Patientin zunächst positiven Wirkungen wieder kleiner werden, gegebenenfalls sogar ganz verschwinden.

Schwierigkeiten mit der Umwelt kann es verständlicherweise dann geben, wenn Sie infolge der Therapie Ihr Verhalten zum Nachteil anderer (Bekannte, Verwandte, Arbeitskollegen oder Freunde) ändern: Wenn Sie sich zum Beispiel durchsetzungsfreudiger oder weniger rücksichtsvoll verhalten als früher. Manchmal werden dann aufgrund der Reaktionen anderer sogar mühsam erreichte Entwicklungen lieber wieder rückgängig gemacht.

Allgemeine Regeln, wie dieses Problem zu bewältigen ist, gibt es wohl nicht. Vieles spricht jedoch dafür, wichtige Personen aus Ihrer Umgebung bereits während der Therapie in geplante Veränderungen mit einzubeziehen. Wenn das nicht oder nur schwer möglich ist, sollten Sie mögliche Reaktionen Ihrer Umwelt frühzeitig bedenken und diese bei der Planung und Umsetzung neuer Verhaltensweisen auch berücksichtigen. Ihr Therapeut wird Sie dabei unterstützen.

„Ich denke nur noch an die nächste Sitzung ... “

Wenn Sie den Eindruck haben, zu sehr von den Therapiesitzungen abhängig zu sein

Vorübergehend kann die
Therapie einen hohen Stellenwert
in Ihrem Leben einnehmen.

Manche Patienten entwickeln im Verlauf einer Psychotherapie das Gefühl, zu sehr von den Sitzungen abhängig zu sein. Das heißt, sie warten immer wieder auf das nächste Treffen und haben das Empfinden, sich eigentlich nur während dieser Termine so geben zu können, wie sie sich fühlen. Eine solche Abhängigkeit wird dann stärker ausgeprägt sein, wenn die Sitzungen sehr häufig sind, Sie den Therapeuten sehr mögen und sonst niemanden haben, mit dem Sie ähnlich intensiv über Ihre Probleme sprechen können. Grundsätzlich muss es kein Fehler sein, wenn Sie vorübergehend das Gefühl haben, in gewisser Weise auch von den Sitzungen abhängig zu sein. Es zeigt, dass Sie sich auf neuen Wegen befinden, für die Sie vorerst noch Unterstützung brauchen. Und es zeigt auch, dass Sie die Treffen ernst nehmen.

Andererseits kann es nicht Sinn einer Psychotherapie sein, Ihr ganzes Denken, Fühlen und Handeln auf unabsehbare Zeit nur auf Ihre Therapie zu beziehen. Sinnvoll wird dieser hohe Stellenwert nur dann sein, wenn Sie die Therapie als eine vorübergehende Phase begreifen. Sie können zum Beispiel Abstand gewinnen, indem Sie die Zeiträume zwischen den Sitzungen verlängern oder das Ende der Therapie gedanklich vorwegnehmen. Oft ist es auch angebracht, dass Sie versuchen, Erfahrungen aus der Therapie verstärkt im Alltag umzusetzen. So kann die Bedeutung der einzelnen Therapiesitzungen für Sie abnehmen.

„Ein toller Typ ... “

Wenn Sie Ihren Therapeuten oder Ihre Therapeutin persönlich näher kennen lernen möchten

Von außen betrachtet erinnert einiges in einer Therapie an eine freundschaftliche Beziehung: Zwei Menschen treffen sich immer wieder, sie unterhalten sich intensiv über persönliche Probleme und Schwierigkeiten, gehen aufeinander ein und versuchen gemeinsam, Probleme zu bewältigen. Da ist es nicht verwunderlich, wenn sich unter diesen Bedingungen auch Sympathie und Zuneigung entwickelt. Dies kann bisweilen so weit gehen, dass sich Patientinnen und Patienten in ihren Therapeuten oder ihre Therapeutin verlieben.

Sollten Sie als Patient oder Patientin Ihren Therapeuten oder Ihre Therapeutin näher kennenlernen wollen, dann können Sie dies direkt ansprechen; Sie können es aber auch für sich behalten oder mit anderen bereden. In aller Regel wird ein Psychotherapeut Ihre Bedürfnisse nach näherem persönlichem Kontakt zurückweisen: Das heißt, er wird Ihnen zum Beispiel keine persönlichen Briefe schreiben oder zurückschreiben, er wird sich nicht abends mit Ihnen zum Essen verabreden oder Ihnen Geschenke machen. Es mag sein, dass ein Therapeut Ihnen auf Nachfrage Informationen über persönliche Merkmale oder über die eigene Lebenssituation gibt. Weitergehende Annäherungen sind jedoch aus der Sicht seriöser Psychotherapieverfahren nicht zulässig.

Seriöse Therapeuten nehmen
keine persönlichen oder sexuellen
Beziehungen zu Ihren Patienten auf.

Das bedeutet nicht, dass Psychotherapeuten in den Annäherungsbedürfnissen, die einige ihrer Patienten äußern, nur ein Problem sehen. Ganz im Gegenteil werten manche Therapeuten diese Wünsche sogar als ein Zeichen dafür, dass die Therapie gut funktioniert. Dennoch gehen auch diese Therapeuten auf die Bedürfnisse ihrer Patienten nicht ein, denn eine persönliche, insbesondere aber sexuelle Beziehung zwischen Patienten und Therapeuten gilt als Tabu und somit als Kunstfehler.

Quellen:

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