Bonding-Psycho­therapie

Positive Bindungserfahrung in der Gruppe stärkt günstige Gefühle und Verhaltensweisen

28.01.2019 Von Dr. Christine Amrhein

Die Bonding-Psychotherapie ist eine Form der Gruppentherapie. Sie wurde vom amerikanischen Psychiater Daniel Casriel in den 1960er Jahren für die Arbeit mit schwer Drogenabhängigen entwickelt und in den 1970er Jahren auch in Deutschland eingeführt.

Casriel sah das Bedürfnis nach emotionaler Offenheit zusammen mit emotionaler und körperlicher Nähe als wichtiges Grundbedürfnis an, das er „Bonding“ (deutsch: Bindung) nannte. Er hielt die befreiende Wirkung des Ausdrucks tiefer Gefühle und die Erfüllung des Bedürfnisses nach menschlicher Nähe für wichtige Wirkfaktoren in der Therapie. So sollen negative Erfahrungen in der Therapie durch den Zugang zu und den Ausdruck von tiefen Gefühlen verarbeitet werden. Weiterhin sollen die Teilnehmer positive Einstellungen zu sich selbst und zu anderen erarbeiten und neue Verhaltensweisen lernen und einüben.

Ziel dabei ist, neue, günstige Gefühle, Einstellungen und Verhaltensweisen zu entwickeln und so die Beziehungen zu anderen Menschen und das eigene Leben positiv und lebensfroh gestalten zu können.

Wirkansatz der Bonding-Psychotherapie

Negative und verletzende Erfahrungen wie Gewalt, sexueller Missbrauch oder ein Mangel an Geborgenheit und Liebe führen zu negativen Gefühlen wie Angst, Schmerz und Wut. Das ist umso stärker der Fall, wenn die verletzenden Erfahrungen früh in der Kindheit und mit engen Bindungspersonen – insbesondere den Eltern – gemacht wurden. Dadurch haben sie dort, wo sie eigentlich Nähe, Zuneigung und Schutz erfahren sollten, große Verletzungen erlebt.

Eine weitere, häufige negative Erfahrung ist auch ein Mangel an körperlicher und seelischer Zuwendung. Dies führt laut Casriel zu ungünstigen Einstellungen wie: „Ich bin nichts wert“ oder „Ich bin nicht liebenswert“ und dazu, dass Gefühle und Bedürfnisse nicht angemessen ausgedrückt werden können.

Außerdem haben viele Menschen in der Kindheit gelernt, dass es nicht angemessen ist, starke Gefühle zu zeigen oder auszudrücken – etwa durch Sätze wie „Ein Junge weint nicht“ oder indem Eltern wütendes Verhalten hart bestraft haben.

Die Betroffenen haben gelernt, sich anzupassen und solche Gefühle nicht mehr zu zeigen bzw. auszudrücken. Dadurch verhalten sie sich oft in ungünstiger Weise – etwa zurückhaltend, misstrauisch oder feindselig. Das wiederum führt zu Enttäuschungen in zwischenmenschlichen Beziehungen. Insgesamt entwickeln sie bestimmte ungünstige Gefühls-, Denk- und Verhaltensmuster, die immer wieder zu Enttäuschungen führen. Auf diese Weise können auch wichtige Grundbedürfnisse nicht befriedigt werden.

In der Bonding-Psychotherapie sollen die Patienten bzw. Klienten nun emotionale Offenheit, verbunden mit körperlicher Nähe, erleben. Einerseits sollen sie so die Befriedigung wichtiger Grundbedürfnisse, wie der Bedürfnisse nach Bindung, dem Ausdruck von Gefühlen, körperlicher Nähe, Selbstwert, Autonomie, körperlichem Wohlbefinden und Lebenssinn erleben. Andererseits sollen Verletzungen bei der Bindung zu den Eltern und anderen wichtigen Bindungspersonen aktiviert und die damit verbundenen negativen Gefühle, körperlichen Blockierungen und ungünstigen Denkmuster und Verhaltensweisen besonders intensiv durchlebt, anschließend unterbrochen und verändert werden. Das Neulernen findet dabei auf den Ebenen des Fühlens, des Denkens und des Verhaltens statt.

Bonding soll dazu beitragen, die eigene Bindungs- und Beziehungsfähigkeit zu stärken und sich auf Nähe einzulassen und sich gleichzeitig gut abgrenzen zu können und das Bedürfnis nach Autonomie zu verwirklichen.