Wie läuft eine Verhaltenstherapie ab?

Zu Beginn einer Verhaltenstherapie spricht der Klient über seine Probleme und Schwierigkeiten. Gemeinsam untersuchen Therapeut und Klient, welche Bedingungen und Verhaltensweisen dazu führen. Gefühle, Gedanken und körperliche Prozesse werden dabei auch beachtet. Manche Therapeuten beziehen das Umfeld des Patienten ein, dann wird beispielsweise auch das Verhalten von Partnern, Familienangehörigen, Freunden oder Bekannten und auch Arbeitskolleg:innen thematisiert.

Das so genannte SORKC-Modell ist ein bewährtes Konzept, um zu untersuchen, was die Probleme verursacht und was dazu beiträgt, dass sie aufrecht erhalten bleiben.

Das SORKC-Modell zur Problemanalyse

Dieses Modell der Verhaltensanalyse wurde in den 70er Jahren von den Psychologen Frederick H. Kanfer und G. A. Saslow entwickelt. Es wird vor allem in der kognitiven Verhaltenstherapie eingesetzt, um Störungen zu diagnostizieren und Verhalten zu erklären und zu verändern.
Das Modell besteht aus fünf Bestimmungsstücken, die nach Bedingungen suchen, die ein Verhalten positiv oder negativ beeinflussen Je häufiger man auf eine bestimmte Weise reagiert, desto eher verfestigt sich ein bestimmtes Verhalten.

  • S (Stimulus): eine äußere oder innere Reizsituation, die ein Verhalten auslöst
  • O (Organismus): individuelle und lerngeschichtliche Ausgangssituation einer Person, auf den Stimulus zu reagieren
  • R (Reaktion): beobachtbares Antwortverhalten, das dem Stimulus und seiner Verarbeitung im Organismus folgt
  • K (Kontingenz): zeitliche Aufeinanderfolge des Verhaltens
  • C (Konsequenz, englisch consequence): Verstärkung (Belohnung) oder Bestrafung als Folge eines Verhaltens

Ein Beispiel zur Veranschaulichung des SORKC-Modells:

Kurz bevor Frauke G. nach Hause gehen möchte, stürzt ihr Chef in ihr Büro und übergibt ihr eine zusätzliche Aufgabe, die sie bis Mittag des nächsten Tages erledigen soll.

Diese Anforderung stellt den Stimulus dar, weil er überhaupt erst eine Reaktion notwendig werden lässt. Die Mitarbeiterin wird sehr nervös, denn sie schätzt den Zeitumfang, den die Aufgabe zur Bewältigung benötigt, deutlich höher ein als ihr Vorgesetzter.

Sie wird aber auch deshalb sehr nervös, weil sie davon ausgeht, dass sie die Erwartungen ihres Chefs erfüllen muss und das ihren Ansprüchen entsprechend auch sehr gut. Sie klärt ihn nicht darüber auf, dass sie ohnehin schon überlastet ist und für eine angemessene Bewältigung der Aufgabe mindestens das Doppelte an Zeit notwendig wäre. Ihre Gedanken, ihre Nervosität, ihr Verständnis von Pflicht und Fleiß, die Aufgabe unbedingt erledigen zu müssen, werden in diesem Modell dem Punkt Organismus zugeordnet. Der Organismus wird als sogenannte Black Box verstanden, in der alles, was das Individuum mitbringt, also Erfahrungen, Dispositionen, Lernmuster, Neigungen, Temperament und dergleichen aufbewahrt wird.

Die Mitarbeiterin reagiert in diesem Fall so, dass sie ihren Computer wieder hochfährt, ihre Verabredung mit einer Freundin kurzfristig absagt und sofort beginnt, die zusätzliche Aufgabe zu bewältigen. Während sie daran arbeitet, isst sie Gummibärchen, weil das Kauen sie beruhigt und auch, weil der Zucker ihr Belohnungssystem sehr schnell aktiviert. Das ist ihr im Moment nicht bewusst. Ihr ist nur wichtig, funktionieren zu können und instinktiv weiß sie, dass sie das mit dem Hilfsmittel Süßigkeit besser schafft. Gleich loszulegen und zu funktionieren und dabei etwas Süßes zu essen, kann in diesem Fall als Reaktion bezeichnet werden.

Die Süßigkeiten wirken schnell und die Mitarbeiterin funktioniert wie gewohnt. Das stellt die Kontingenz dar, also wie schnell eine Reaktion auf einen Reiz folgt.

Die Süßigkeiten machen es kurzfristig möglich, dass die Mitarbeiterin besser arbeitet, langfristig, dass sie ihren Job behält, denn dieses Verhaltensmuster hat sich die Mitarbeiterin schon angewöhnt, wenn es um für sie unangenehme Situationen geht. Diese Ersatzbefriedigung hält die Mitarbeiterin aber langfristig davon ab, ihre eigenen Bedürfnisse zu erkennen und zu befriedigen, außerdem führt sie dazu, dass sie viel zu viel Zucker aufnimmt, übergewichtig werden und an anderen Folgeerkrankungen wie Karies oder im schlimmsten Fall auch Diabetes leiden könnte. Die Verhaltensmuster, die aufgrund eines Zusammenspiels von Stimulus und Reaktion entstehen, sind die Konsequenzen.

Weiteres Vorgehen im Anschluß an die Problemanalyse

Nach einer solchen Problemanalyse legen Therapeut und Klient gemeinsam die Therapieziele fest. Abhängig von den Zielen schlägt der Therapeut dem Patienten verschiedene Methoden vor, aus denen sie gemeinsam die passenden auswählen.

Ziel der Verhaltenstherapie ist, dass der Klient problematische Verhaltensmuster erkennt, um unabhängig von der Therapie auch künftig ähnliche Muster verändern zu können.

Wenn es notwendig ist, werden wichtige Bezugspersonen der Patienten in die Therapie einbezogen. Bei einem depressiven Klienten kann es wichtig sein, dass nicht nur er, sondern auch sein Umfeld lernt, Frühsymptome einer depressiven Episode zu erkennen und dass auch seine Angehörigen wissen, was dann zu tun ist.

Die Ursache des Problems muss nicht ergründet werden, um Veränderungen zu bewirken. Vor allem bei psychischen Störungen wie Angststörungen haben Studien gezeigt, dass auch ohne Entstehungsanalyse eine Heilung möglich ist.

Ein weiteres Ziel der Therapie ist es, Rückfälle zu verhindern. Zur Rückfallprophylaxe gehört, dass der Klient gut auf die Zeit nach der Therapie vorbereitet wird, dass er lernt, wie er mit erneut auftretenden Probleme umgehen kann. Am Ende der Verhaltenstherapie sollte der Klient über ausreichend Strategien und Methoden verfügen, so dass er sich auch ohne die Therapeutin oder den Therapeuten sicher fühlt.