Wie wirkt EMDR?
Wirkung mehrfach wissenschaftlich nachgewiesen
Francine Shapiro, eine US-amerikanische Psychologin, machte bei sich selbst eine wichtige Erfahrung: Als sie sehr belastet war, entdeckte sie während eines Spaziergangs in der Natur, dass gezielte Augenbewegungen ihre Ängste und depressiven Gedanken milderten. Ihr wurde kurz davor die Diagnose Krebs mitgeteilt.
Diese Erfahrung beeindruckte Shapiro so, dass sie diese gezielten Augenbewegungen im therapeutischen Ablauf einführte. Die Klienten sprachen über ihre traumatischen Erlebnisse, während sie mit den Augen den schnellen gezielten Bewegungen des Zeigefingers der Therapeutin folgten.
Shapiro beobachtete wiederholt, dass dieses Vorgehen wirksam war und entwickelte daraufhin im Zeitraum zwischen 1987 und 1991 EMDR als Methode zur Behandlung von Traumafolgestörungen. Sie ergänzte die geführten Augenbewegungen durch andere Stimulationsweisen wie Handberührungen oder akustische Reize und auch durch Elemente der kognitiven Verhaltenstherapie.
Die EMDR gestaltete sie schließlich gezielt als Expositionstherapie (Konfrontationstherapie), bei der ein Patient das traumatische Geschehen in Gedanken noch einmal wachruft. Die Expositionstherapie ist ein Behandlungsansatz (Intervention) aus der Verhaltenstherapie. Dabei wird der Patient bewusst eine gewisse Zeit und meist mit Unterstützung des Therapeuten dem ausgesetzt, wovor er sich fürchtet.
Traumatische Erinnerungen werden neu verarbeitet
"Normale" Erlebnisse werden vom Gehirn in verarbeiteter Form im Gedächtnis abgespeichert. Ein traumatisches Erlebnis ist für den Betroffenen hingegen so überwältigend, dass er es nicht so schnell und geordnet verarbeiten kann wie andere Erlebnisse.
Die Erinnerungen an das traumatische Geschehen werden in einer Art Rohform abgespeichert, da das Gehirn diese Erinnerungsfragmente inhaltlich und zeitlich nicht in ein Netzwerk von anderen Erinnerungen einordnen konnte. Diese Erinnerungsfragmente setzen sich deshalb vor allem aus Sinneseindrücken, Körperempfindungen und Gefühlen zusammen.
Darüber hinaus werden traumatisch verarbeitete Erfahrungen im Grunde im Gehirn so abgelegt, dass sie jederzeit unmittelbar abrufbar sind, sobald eine Situation auch nur ansatzweise an die einmal erlebte Katastrophe erinnert.
Jemand, der einmal auf der Straße überfallen wurde, kann sich etwa durch Schritte hinter sich, sofort in die schreckliche Situation zurückversetzt fühlen und flüchten. Eine solche unbewusste Reaktion kann auch passieren, wenn seit dem Überfall Jahre vergangenen sind und er sich in einer sicheren Gegend aufhält.
Daran setzt die EMDR an: Die für die EMDR spezifische Stimulation unterstützt den Prozess, dass die alten Informationen, die das Trauma ausgelöst haben, neu verarbeitet werden. Darauf aufbauend können Fehlanpassungen wie Vermeidungsverhalten oder Überkompensation, die der Patient aufgrund des Traumas entwickelt hat, überwunden werden. Die belastenden Erinnerungen verlieren ihren sich unkontrollierbar aufdrängenden und emotionsgeladenen (intrusiven) Charakter. Diese Intrusionen klingen mit zunehmender Behandlungsdauer ab. An ihre Stelle treten erträgliche Erinnerungen an das Ereignis.
Erinnerungen an das Trauma können endlich in das eigene Leben integriert werden
Laut Francine Shapiro kann das Trauma durch die Stimulation schneller verarbeitet und besser in die übrigen Erinnerungen integriert werden, weil beide Gehirnhälften intensiv stimuliert und miteinander vernetzt werden. So können blockierte oder nicht integrierte Erinnerungen an das Trauma verarbeitet werden.
Viele wissenschaftliche Untersuchungen bestätigen das: EMDR benötigt nachweislich 40 Prozent weniger Behandlungsstunden als andere bewährte Verfahren.
Während die günstige Wirkungsweise von EMDR wissenschaftlich nachgewiesen werden konnte, wurde bis jetzt der eigentliche Wirkmechanismus noch nicht definitiv geklärt. Die spezifischen Augenbewegungen scheinen für den Erfolg keine große Rolle spielen, denn neben horizontalen sind auch vertikale Augenbewegungen und vor allem auch andere Formen der Stimulation wirksam.
Wahrscheinlich weil die Wirkung schneller eintritt, ist die Rate der Therapieabbrecher bei EMDR geringer. So sprechen beispielsweise die Symptome der Intrusionen und der Erregung besser auf EMDR an.