Kontext und Ablauf von Bonding
In Deutschland wird die Bonding-Psychotherapie – als ein Baustein von mehreren Therapieangeboten – in einigen psychosomatischen Kliniken und Suchtkliniken eingesetzt und von einigen niedergelassenen Therapeuten angeboten.
Sie wird häufig mit anderen Therapieformen wie Gestalttherapie, Psychodrama, Transaktionsanalyse oder psychoanalytischer Therapie kombiniert.
Kontext der Bonding-Therapie
Bonding wird meist eingebettet in eine begleitende Einzel- oder Gruppentherapie durchgeführt. Diese kann aber auch im Anschluss an die Bonding-Therapie stattfinden.
Häufig findet Bonding im Kontext einer so genannten therapeutischen Gemeinschaft statt – insbesondere bei einer stationären Behandlung, aber auch bei der gemeinsamen Arbeit in mehrtägigen Workshops oder ambulanten Therapiegruppen.
Dabei bilden die Patienten in der Gruppe eine Gemeinschaft, in der sie sich auch außerhalb der Therapiesitzungen unterstützen. Auf diese Weise können sie im geschützten Umfeld der Gemeinschaft neue emotionale Erfahrungen machen und bisherige Gefühle, Denk- und Verhaltensweisen verändern.
In der Therapiegruppe ist eine vertrauensvolle und unterstützende Atmosphäre wichtig. Das gilt sowohl für die Beziehung zu den Therapeuten als auch zwischen den Gruppenmitgliedern. Damit soll ein offener und ehrlicher Austausch zwischen den Gruppenmitgliedern ermöglicht werden.
Ablauf einer Bonding-Psychotherapie
In der Bonding-Psychotherapie wechseln sich die Bonding-Arbeit und die Arbeit in der Einstellungsgruppe ab. Zu Beginn der Therapie erläutert der Therapeut die wesentlichen Aspekte der Therapie. Dabei geht er auf die Bedeutung emotionaler und körperlicher Nähe zu anderen Menschen und auf die Bedeutung des Ausdrucks von Gefühlen ein. Weiterhin erläutert er, wie der Bonding-Prozess abläuft und auf welche Weise er wirkt. Die Teilnehmer werden auch darauf hingewiesen, dass es bei der Bonding-Arbeit um emotionale Nähe geht und dass sexuelles Verhalten in jeder Form tabu ist.
Bonding-Arbeit
Die Bonding-Arbeit findet meist in größeren Gruppen mit der Anleitung und Unterstützung von mehreren Therapeuten statt. Zu Beginn wählen sich die Partner, die anschließend gemeinsam arbeiten. Dabei arbeitet der eine Partner therapeutisch, während der andere ihn begleitet. Nach der Hälfte der Sitzung wechseln sich die beiden Partner ab. Eine Sitzung dauert etwa zwei bis drei Stunden.
Bei der klassischen Bonding-Haltung liegt der „arbeitende“ Partner auf dem Rücken auf einer Matte und umarmt den begleitenden Partner. Der „arbeitende“ Partner beginnt nun damit, seine Gefühle und Empfindungen wahrzunehmen und diese möglichst offen zu benennen. Der begleitende Partner ist dabei „Zeuge“, greift aber nicht ein. Einer der Therapeuten kann dem „arbeitenden“ Partner Fragen stellen oder Vorschläge machen – zum Beispiel, das genannte Gefühl immer lauter auszusprechen. So ist es ein typisches Merkmal der Bonding-Arbeit, dass die emotionalen Empfindungen laut ausgesprochen oder heraus geschrien werden.
In neueren Formen der Bonding-Therapie können die Gefühle jedoch auch leise ausgedrückt werden. Der Patient beobachtet dabei, was mit seinem Gefühl passiert: zum Beispiel, ob es immer stärker wird oder nach einer gewissen Zeit verschwindet und einem anderen Gefühl Platz macht. Der Therapeut kann ihn auch anregen, einen anderen Satz laut auszusprechen, der eher den positiven Aspekt des Gefühls betont, zum Beispiel: „Meine Angst ist meine Kraft“.
Durch den angenehmen, entspannten Körperkontakt soll es den Teilnehmern ermöglicht werden, die Erfahrung von Nähe und Vertrautheit, die ihnen in der Kindheit gefehlt hat, „nach zu lernen“ und auf diese Weise Vertrauen zu anderen Menschen und die Überzeugung, selbst wertvoll und liebenswert zu sein, zu entwickeln. Insbesondere am Ende der Bonding-Arbeit können sie dabei Gefühle von Freude, Dankbarkeit, Vertrauen und Liebe erleben.
Neben der klassischen Bonding-Haltung sind auch andere Bonding-Haltungen möglich. Welche Bonding-Haltung gewählt wird, hängt auch von der Schwere der Erkrankung und der Belastbarkeit der Patienten ab. In heutigen Bonding-Psychotherapien wird dabei verstärkt auf die Wünsche und Bedürfnisse der Patienten oder Klienten geachtet. Andere Bonding-Haltungen können zum Beispiel die Umarmung des Partners im Stehen oder im Sitzen oder das so genannte Augenbonding sein, bei dem sich die Partner gegenüber sitzen, sich an den Händen halten und in die Augen schauen. Es sind auch Haltungen möglich, bei denen die Bonding-Partner sich nicht berühren, sondern nur nah nebeneinander oder auch in einiger Entfernung voneinander sitzen.
Arbeit in der Einstellungsgruppe
In der anschließenden Einstellungsarbeit werden die während der Bonding-Arbeit erlebten Gefühle, Erfahrungen und Bedürfnisse reflektiert. Diese werden als bisher abgewehrte Teile der eigenen Identität angesehen, die nun in das übrige Erleben integriert werden sollen.
Die Einstellungsarbeit kann auch parallel zur Bonding-Arbeit stattfinden, zum Beispiel in einem separaten Raum, so dass die Teilnehmer je nach Bedarf zwischen Bonding-Arbeit und Arbeit in der Einstellungsgruppe wechseln können. Haben in der Bonding-Arbeit günstige Veränderungen stattgefunden, können sie in der Einstellungsgruppe weiter verstärkt werden und neue, positive Einstellungen hinsichtlich des Erlebten erarbeitet werden.
Der Therapeut kann außerdem Einstellungssätze vorschlagen, die den Ausdruck von Bedürfnissen, etwa dem Bedürfnis nach zwischenmenschlichem Kontakt oder körperlicher Nähe, verstärken. Ein solcher Satz kann zum Beispiel sein: „Ich brauche und nehme eure Nähe.“
Weiterhin können in der Einstellungsgruppe ungünstige Einstellungen der Teilnehmer, die durch Erfahrungen in der Kindheit geprägt wurden, aufgespürt werden. Ein Teilnehmer kann zusammen mit dem Therapeuten und den übrigen Gruppenmitgliedern neue Einstellungssätze finden, die dann eingeübt und in der Bonding-Arbeit weiter vertieft werden können, etwa „Ich bin ok, so wie ich bin.“
Verarbeitung der emotionalen Erfahrungen in der therapeutischen Gemeinschaft oder in einer Einzel- oder Gruppentherapie
Auch das Eingebundensein in die therapeutische Gemeinschaft kann dazu beitragen, dass die Patienten ihre Erfahrungen aus der Bonding-Arbeit und die neu erarbeiteten Einstellungen umsetzen und in den Alltag integrieren können. Haben sie in der Bonding-Arbeit starke Gefühle erlebt, finden sie in der therapeutischen Gemeinschaft anschließend den notwendigen Halt und die notwendige Unterstützung.
Ist die Möglichkeit einer therapeutischen Gemeinschaft nicht gegeben, sollte die Bonding-Psychotherapie in eine Einzel- oder Gruppentherapie eingebunden sein, damit die Patienten ihre emotionalen Erfahrungen auf positive Weise verarbeiten und in ihr Leben integrieren können.
Peter, 34 Jahre alt, ist Teilnehmer einer wöchentlichen Bonding-Therapie-Gruppe. Er hat große Angst vor Gruppen jeder Art und Angst, etwas Falsches zu tun oder unangenehm aufzufallen. Deshalb kann er sich im Beruf schlecht behaupten und hat in sozialen Situationen häufig das Gefühl, zu kurz zu kommen. Er nickt zustimmend, als andere Gruppenmitglieder ihm sagen, dass sie ihn als zurückhaltend, profillos und in der Gruppe verschwindend erleben.
Nach der Besprechung der Rückmeldungen ist Peter bereit, eine emotionale Übung auszuprobieren, in der er einem neuen Einstellungs-Satz ausprobiert. Dabei soll er den Satz sagen: “Ich bin auch da.” Zuerst sagt er den Satz leise und ängstlich, dann immer lauter und mit klarerem Blick. Dabei schaut er den im Kreis sitzenden Gruppenmitgliedern nacheinander in die Augen. Am Anfang empfindet er dabei kein Gefühl, aber mit der Zeit kann er den Satz laut und voller Kraft und Selbstbehauptung sagen. Während der Übung wird Peter sich des Ärgers bewusst, den er sein ganzes Leben lang unterdrückt hat.
Mit der wohlwollenden Unterstützung und Bestätigung der anderen Teilnehmer lernt er, seine Gefühle offener zu äußern und seinen Wunsch nach Akzeptiertwerden nicht mehr durch übertriebene Anpassung zu erreichen.*
* Fallbeispiel angelehnt an: Informationen auf der Webseite der Deutschen Gesellschaft für Bonding-Psychotherapie e. V.