Kunsttherapie

Erschließung nichtkommunizierbarer Lebenswelten

02.07.2014 Von Fritz Propach

Im Folgenden wird eine Definition des Begriffs Kunsttherapie versucht. Außerdem wird eine Anzahl kunsttherapeutischer Ansätze vorgestellt, die in unterschiedlichsten Traditionen stehen. Einen Überblick hierzu gibt Karl-Heinz Menzen. Er unterscheidet:

  • einen kunstpsychologischen Ansatz,
  • einen kunstpädagogisch/-didaktischen,
  • einen ergotherapeutischen (Psychiatrie),
  • einen heilpädagogisch-rehabilitativen,
  • einen kreativ-gestaltungstherapeutischen und
  • einen tiefenpsychologischen Ansatz.

Was ist Kunsttherapie? Wer einen Begriff vom Wesen und der Methode der Kunsttherapie gewinnen möchte, der hat sich zuerst darüber klar zu werden, wie innere Bilder auf die Psyche wirken und wie sie das Verhalten beeinflussen. Denn dass Bilder therapeutisch wirksam sein können, ist seit langem bekannt. Kunsttherapie verweist auf ein Fach, das seinen Namen aus einer Amalgierung zweier in ihren Interessen gegenläufiger Instrumente des sozialen Handelns bezieht. Wenn Kunst die imitierenden und irritierenden Kodes einer Gesellschaftsverfassung in eigenwilligen Material- und Verfahrensweisen entwirft, um eben diese Verfassung aufzubrechen und zu verändern, - dann will Therapie das Gegenteil: Menschen, die leidvoll aus ihren sozialen Kontexten herausgefallen sind, wieder dorthin zurückführen, wo sie sich geborgen fühlen. Wenn innere wie äußere Lebensbilder erstarrt, nicht mehr kommunizierbar sind, bieten sich künstlerische Therapieverfahren an, um kreativ und phantasievoll andere Bilder des Lebens zu erschließen. Wenn Kunst sich die therapeutischen Handlungsfelder erschließt, lassen sich die ästhetischen Einbahnstraßen des Lebens differenzieren, sodass individuelles Leben facettenreicher, in seinen gesellschaftlichen Bezügen wieder flexibel wird.

Definition: Der Kunsttherapie geht es um einen innerpsychischen und sich sensu- wie psychomotorisch auswirkenden Formbildungs- und Gestaltungsvorgang, der sich in der bildnerischen Formdynamik eines ästhetischen Mediums spiegelt und der dazu innere wie äußere Lebensverhältnisse so abbildet, dass sie bearbeitbar und neu zentrierbar werden. Ihr Zweck besteht darin, die Orientierung zu restituieren und Leiden zu bewältigen, ihr Mittel darin, jenen innerpsychischen und psychomotorischen Prozessen, die Leiden verursachen, ein anderes Ziel zu geben. Im Ergebnis sollen die Bewusstseins- und Erlebnisweisen, aber auch die Verhaltensabläufe so konstelliert werden, dass es möglich wird, das Alltagsleben zu bewältigen.

Ansätze der Kunsttherapie:

Nach ihrer Herkunft lassen sich vier Ansätze in der Kunsttherapie unterscheiden

  • eine präventiv orientierte Kunsttherapie
  • eine heilpädagogisch-neurologische Kunsttherapie
  • ein psychiatrische orientierte Kunsttherapie
  • eine psychotherapeutisch orientierte Kunsttherapie

Im kunsttherapeutischen Kontext werden Bilder ebenso als diagnostisches Mittel eingesetzt, um persönliche Probleme zu erkennen, als auch, um positive Entwicklungspotentiale zu bestimmen. Somit kann an die durch ein Bild ersichtlich gewordenen Ressourcen des Menschen angeknüpft werden, um ihn in seiner weiteren Entwicklung zu stabilisieren und zu fördern. Kunsttherapie bietet eine ganzheitliche Möglichkeit, den Menschen zu behandeln, sowohl durch sinnliche als auch geistige Erfassung und Verarbeitung von individuellen Themen. In der Begegnung mit dem eigenen Bild, das Ausdruck von bewussten oder unbewussten Gefühlen und Bedürfnissen der PatientInnen ist, bietet die kunsttherapeutische Intervention eine Basis zur Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit (siehe Gisela Schmeer, Gertraud Schottenloher, Elisabeth Tomalin). Sie trägt des Weiteren zur Entwicklung von Identität und Autonomie bei (Edith Kramer). Der Mensch erlernt kreative Einstellungen und erfährt schließlich durch die künstlerische Betätigung eine Stabilisierung des Selbstvertrauens (Helen Landgarten).

Als nonverbale Therapieform bietet sich die Kunsttherapie insbesondere in Bereichen an, in denen der Mensch einen Sprachausdruck ‚verweigert’ (sei es aus emotionalen oder anderen Gründen) oder diesem nicht mehr, bzw. noch nicht zugänglich ist (Barbara Wichelhaus, Karl-Heinz Menzen). Im Bild können notwendige Voraussetzungen geschaffen werden, sprachliche Seiten des Menschen zu aktivieren. Kunsttherapie dient somit der Förderung des Kommunikations- und Interaktionspotentials.

Weiterführende Links und Quelle: