Pandemie und Psyche (Seite 5/8)

Herausforderung Homeoffice

Zerrieben zwischen allen Anforderungen

Die Corona-Pandemie hat die Arbeitswelt vieler Menschen gravierend verändert. Die Art, wie und wo gearbeitet wird, mussten viele Beschäftigte innerhalb weniger Tage komplett umstellen, nicht ohne Folgen. Homeoffice wurde für viele Menschen innerhalb kürzester Zeit von der Ausnahmeregel zum Standardmodell. Grundsätzlich trifft die Pandemie Frauen stärker und führt bestehende Diskriminierungen weiter, wie eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung nun zeigt.

In vielen Haushalten verstärkt der Lockdown traditionelle Rollenmuster innerhalb der Familie. So können Mütter Präsenzarbeit durch Arbeitszeit von zu Hause aus aufstocken, gleichzeitig müssen sie auch Haushalts- und Erziehungsarbeit leisten. Dazu kommt die Rolle der Lehrerin im Homeschooling, die mit der Mutterrolle im Grunde schwer vereinbar ist. Lehrinhalte zu vermitteln und über den Erfolg des Einübens auch noch Kontrolle auszuüben, kann der Elternrolle negativ entgegenstehen und zu zusätzlichem Konfliktpotenzial in der Familie führen. Das gilt natürlich genauso für Väter.

In vielen Familien ist es jedoch die Mutter, die während der Corona-Pandemie flexibler als der Vater sein kann oder will, und daher eher dazu tendiert, diese Doppelrolle stärker einzunehmen. Die psychischen Folgen der Mehrfachrolle in Beruf und Familie während dieser Zeit stellen eine erhebliche Zusatzbelastung dar. Die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben verschwimmt zu sehr, wenn das Zuhause auch zum Arbeitsplatz wird. Feste Arbeitszeiten verschwinden und die gesetzlich vorgeschriebenen Pausen werden dafür verwendet, für die Familie zu kochen oder die Kinder beim Homeschooling zu unterrichten.

Richtiges Abschalten nach dem Arbeitstag im Homeoffice wird immer schwieriger und nun ständig im eigenen Zuhause für den Job erreichbar zu sein, erzeugt bei vielen einen zusätzlichen Druck. Neben Erschöpfungserscheinungen sind Nervosität, Wut und Reizbarkeit häufige Folgen davon.

Psychische Leiden wiederum können körperliche Beschwerden hervorrufen oder verstärken, zum Beispiel Spannungskopfschmerzen oder Magenprobleme. Die starke Reduzierung sozialer Kontakte beim Wegfall von Präsenzarbeit kann sich in vielen Fällen negativ auf die Psyche auswirken, vor allem bei Singles oder bei Menschen, die in spannungsreichen Beziehungen leben. Schwierige Vorgesetzte und eine hohe Arbeitsbelastung lassen sich beispielsweise besser aushalten, wenn Gespräche mit Kollegen möglich sind.

Pflegende Angehörige leiden überdurchschnittlich stark

Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, beklagen einen schlechteren Gesundheitszustand. in einer repräsentativen Studie, die die DAK-Gesundheit durchgeführt hat, gaben 57 Prozent der Befragten an, dass die Belastung durch die Pflege deutlich gestiegen sei. Ein Drittel bewertet die eigene Lebensqualität als schlecht oder sehr schlecht, vor der Corona-Pandemie waren es nur sieben Prozent – der Wert hat sich also mehr als vervierfacht. Dies erklärt sich vor allem damit, dass professionelle Hilfe durch Pflegedienste weggefallen ist.

Soforthilfe für Erwachsene

  • Unter dem Titel „Psychisch gesund bleiben während Social Distancing, Quarantäne und Ausgangsbeschränkungen aufgrund des Corona-Virus“ hat das Max-Planck-Institut für Psychiatrie ein Kurzprogramm zur Selbstanwendung verhaltenstherapeutischer Interventionen zusammengestellt.
  • Aktivitäten an der frischen Luft und in der Natur sind in einem strukturierten Tagesablauf zu empfehlen, um einen Lagerkoller zu vermeiden.
  • Eine ausgewogene Ernährung unterstützt das Immunsystem und versorgt den Körper mit Energie.
  • Schlafen Sie nicht zu viel. Gerade für Menschen, die an einer Depression leiden, ist es eine große Gefahr, sich zu viel ins Bett zurückzuziehen. Das hat negative Auswirkungen auf Ihre Erkrankung. Die Deutsche Depressionshilfe bietet auf ihrer Internetseite das kostenlose und mehrsprachige iFightDepression Tool an. Wie bei einer Psychotherapie kann man sich dort durch unterschiedliche Programme durcharbeiten. So kann man mithilfe des Tools den Aufbau einer Tagesstruktur erlernen und den Zusammenhang zwischen Bettzeit, Schlaf und Stimmung nachvollziehen.
  • Soziale Kontakte können im Lockdown über Telefon und Online-Plattformen gepflegt werden. Wer über einen Internetzugang verfügt, kann kostenlos Videogespräche über Skype oder WhatsApp führen.
  • Weil zurzeit in den meisten Fällen viele Familienmitglieder zu Hause sind, ist eine ausgewogene Balance zwischen Zusammensein und Rückzug notwendig, die jeder auch selbst gestalten können muss. Vor allem in Haushalten mit Kindern sind eine klare Kommunikation und genaue Absprachen wichtig, um die Bedürfnisse des Einzelnen erkennen und beachten zu können.
  • Der Lockdown gibt vielen die Gelegenheit zum Nachdenken, manchmal mehr als ihnen lieb ist. Wenn das Gedankenkarussell zu sehr auf Hochtouren läuft und beispielsweise Zukunftsängste immer bedrohlicher werden, helfen Meditationsübungen oder Entspannungsverfahren, um wieder mehr innere Ruhe zu erleben.
  • Die Telefonseelsorge ist immer unter diesen kostenfreien Telefonnummern 0800-111 0 111 und 0800-111 0 22 erreichbar, aber auch online über online.telefonseelsorge.de und sogar vor Ort. Man kann an 27 Standorten in zu einem kostenlosen Beratungsgespräch vorbeikommen. Die Telefonseelsorge ist ein Netzwerk mit mehr als 100 regionalen Stellen in ganz Deutschland. Wer dort anruft oder über das Internet Kontakt aufnimmt, wird mit einer dieser Stellen verbunden, nach Möglichkeit mit der Stelle, die dem Aufenthaltsort des Anrufenden am nächsten liegt. So können bei Bedarf auch konkrete Informationen zu Angeboten in der jeweiligen Region gegeben werden, außerdem kann ein Gespräch gegebenenfalls auch vor Ort fortgesetzt werden.
  • Das Projekt „Stark durch die Krise“ bietet kostenfreie Online-Trainings an, die helfen sollen, die eigene Gesundheit zu stärken: https://hellobetter.de/online-kurse/.
  • Wer sich in einer akuten Krise mit lebensmüden Gedanken befindet, soll sich unbedingt Hilfe holen, entweder die Rettung ohne Vorwahl, einfach unter 112 oder die Telefonseelsorge unter 0800-111 0 111 oder 0800-111 0 22 anrufen.
  • Seelsorge per Chat finden Sie unter www.telefonseelsorge.de
  • OFEK e.V. ist ein gemeinnütziger Verein und eine Beratungsstelle bei antisemitischer Gewalt und Diskriminierung mit Sitz in Berlin und bundesweiter Ausrichtung. OFEK entstand 2017 als Reaktion auf den sichtbar werdenden Antisemitismus und den zunehmenden Bedarf an Beratung, die auf Antisemitismus spezialisiert ist.
  • Vielen älteren Menschen gehen in der gegenwärtigen Coronakrise auch noch die letzten ihrer ohnehin oft spärlichen Sozialkontakte verloren. Die Mitarbeiter*innen der Hotline Silbertelefon stehen älteren Menschen mit Rat und offenen Ohren in der Coronakrise bei. Derzeit arbeiten 16 Mitarbeiter*innen in mehreren Schichten am Silbertelefon, die meisten sind selbst bereits älteren Datums. Das Silbertelefon ist täglich bundesweit von 8 bis 22 Uhr unter der kostenlosen Telefonnummer 0800 470 80 90 zu erreichen.