Pandemie und Psyche (Seite 2/8)

Viele haben wichtige Unterstützung verloren

Beispiel Petra K. - Alleinerziehend mit psychisch krankem Kind

Petra K. ist 24 Jahre alt und lebt mit ihrem psychisch kranken Sohn Lorenz allein. Bei Lorenz wurde eine Störung des Sozialverhaltens diagnostiziert. Dies äußert sich in Aggressivität sowie Gewaltausbrüchen gegenüber Kindern und Zerstörungswut von Gegenständen.

Aufgrund der Pandemie kann er die sonderpädagogische Schule derzeit nicht besuchen und auch die therapeutische Unterstützung fällt aktuell weg. Die Zeit, während der Lorenz in der Schule oder bei der Therapie sein sollte, nutzte sie sonst für ihre Ausbildung. Die fehlt ihr nun vollkommen.

Petra hatte lange für den Therapieplatz ihres Sohnes gekämpft und nach der ersten Sitzung mitgeteilt bekommen, dass die Behandlung aufgrund von Corona zunächst ausgesetzt sei. Die Betreuungszeit ihrer Eltern für Lorenz, die im Nachbarort wohnen, nimmt sie nicht in Anspruch. Denn sie hat Angst, dass sich ihre Mutter, die zur Risikogruppe zählt, anstecken könnte. So versucht sie tagsüber, ihre Zeit weitestgehend für die Beschäftigung mit Lorenz einzuplanen und erst wenn Lorenz schläft, lernt sie für ihre Ausbildung - meist bis spät in die Nacht.

Nach zwei Wochen stellen sich die ersten Erschöpfungssymptome ein. Petra ist leicht reizbar, ungeduldig im Umgang mit Lorenz und neigt häufiger als sonst dazu, laut zu werden. Ihre Konzentrationsfähigkeit nimmt stetig ab. Sie fühlt sich unsicher und weiß nicht, wie lange sie diese Doppelbelastung und das Gefühl der Kontrolllosigkeit über ihre eigene Situation noch ertragen kann.

Nachdem sie vor kurzem vor Erschöpfung auf dem Sofa eingeschlafen ist und plötzlich von dem Geschrei ihres Sohnes, der sich beinahe lebensgefährlich verletzt hätte, wach wird, beschließt sie, ihre letzten Kräfte zusammenzuraufen und zu handeln.

Sie teilt ihrer Ausbilderin mit, dass sie ihre Teilnahme an den Online-Kursen vorerst reduziere, um eine Betreuungsmöglichkeit für Lorenz zu finden und die Wiederaufnahme seiner Therapie zu fordern. Ihre Ausbilderin reagiert verständnisvoll und spricht ihr Mut zu.

Nach zahlreichen und langwierigen Telefonaten findet Petra schließlich im näheren Umkreis einen Halbtagesplatz mit sonderpädagogischer Betreuung an drei Tagen die Woche. Zwar muss sie dafür 30 Kilometer je Fahrtstrecke zurücklegen, aber diese Entfernung nimmt sie als Übergangslösung in Kauf, bis sich wieder Normalität einstellt.*)

Für viele Menschen stellen die Maßnahmen, die im Rahmen der Corona-Pandemie getroffen wurden, eine große Belastung dar, auch wenn sie noch so sinnvoll sind. Gerade für Menschen wie Petra K. oder diejenigen, die selbst psychisch erkrankt sind, bedeutet die Schließung von Schulen oder anderen wichtigen Einrichtungen, das mangelnde Angebot an Psychotherapie oder die schwierige psychosoziale Versorgung einen massiven Einschnitt ins Leben und eine drastische Reduzierung ihrer Lebensqualität.

Quellen:

*) Nach einer Fallbeschreibung auf jetzt.de, Namen wurden von der Redaktion geändert.

www.jetzt.de/gesundheit/coronavirus-besondere-belastung-fuer-psychisch-kranke