Stigmatisierung (Seite 7/8)

Wie sich Stigmatisie­rung bewältigen lässt

Genauso wichtig wie der Abbau von Stigmatisierung in der Gesellschaft ist es, psychisch Kranken dabei zu helfen, Stigmatisierung und ihre Folgen zu bewältigen. Dabei ist es günstig, wenn die Betroffenen gut über ihre eigene Erkrankung und deren Behandlungsmöglichkeiten Bescheid wissen und sich auf eine Auseinandersetzung mit der Erkrankung einlassen, statt diese zu verdrängen. Auf diese Weise können sie sich besser gegen falsche Behauptungen, Vorurteile und Diskriminierung wehren und auch einer Selbststigmatisierung entgegen wirken.

So können im Rahmen einer Psychotherapie oder einer psychologischen Beratung gezielt Einzel- oder Gruppengespräche angeboten werden, in denen es um die Bewältigung von Stigmatisierung geht. Auch Angebote zur Selbsthilfe können dazu beitragen, dass die Betroffenen gut über ihre Erkrankung informiert sind und lernen, wie sie konstruktiv mit stigmatisierendem Verhalten umgehen und wie sie die Folgen von Stigmatisierung bewältigen können. Auf diese Weise verbessern sich oft auch die sozialen Kontakte – was wiederum zu mehr Selbstsicherheit beiträgt.

Aus Sicht von Experten wäre es daher wünschenswert, dass das Thema Stigmabewältigung in Psychotherapien und anderen Behandlungsangeboten einen höheren Stellenwert erhält.

Ansatz des Empowerment

Ein wichtiger Ansatz zur Bewältigung von Stigmatisierung ist das Empowerment. Es setzt weniger bei den Defiziten der Betroffenen als vielmehr bei ihren Fähigkeiten, Ressourcen und Interessen an. Diese sollen gefördert werden und die Betroffenen sollen lernen, sich für ihre eigenen Bedürfnisse, Wünsche und Interessen einzusetzen. Auf diese Weise sollen sie wieder mehr Selbstvertrauen und Selbstständigkeit erlangen.

Weiterhin werden ihnen Fähigkeiten vermittelt, um mit Beeinträchtigungen durch ihre Erkrankung besser umzugehen. So sollen die Betroffenen lernen, sich mit ihrer psychischen Erkrankung auseinanderzusetzen, diese zu akzeptieren und sich aktiv mit ihrer Bewältigung zu beschäftigen. Dies kann dazu beitragen, Minderwertigkeitsgefühle, die mit der Erkrankung verbunden sind und Selbststigmatisierung zu bewältigen.

Gleichzeitig lernen psychisch kranke Menschen beim Empowerment, besser mit stigmatisierendem Verhalten umzugehen und sich gegen Vorurteile, Diskriminierung und negative Folgen von Stigmatisierung zu wehren – etwa, indem sie eine ungerechte Behandlung offen ansprechen.

Bewältigung als Vorbild

Wer gelernt hat, seine eigene Erkrankung zu bewältigen und günstig mit Stigmatisierung umzugehen, kann ein Vorbild für andere Menschen mit psychischen Erkrankungen sein. Zudem kann er durch sein Verhalten zum Abbau von Stigmatisierung und zu mehr Akzeptanz von psychisch kranken Menschen in der Gesellschaft beitragen.
von Dr. Christine Amrhein