Umgang mit dem Verlust von geliebten Menschen (Seite 3/7)

Trauerphasen und Traueraufgaben

Modelle helfen das Phänomen Trauer besser zu verstehen

Obwohl der persönliche Trauerprozess keinem festen Schema folgt, sondern ein höchst individueller Vorgang ist, zeichnen sich die Verläufe der Trauerprozesse häufig durch typische Muster aus, sodass sich eine Einteilung in Trauerphasen anbietet. Im Wesentlichen werden in der Literatur folgende drei Phasen der Trauerreaktion genannt:

  • Initiale (auslösende) Phase von Betäubung, Schock, Verleugnung, Identifikation mit dem Verstorbenen, Affektisolierung, Intellektualisierung / Rationalisierung
  • Akute Trauer mit intensiven Emotionen (Verzweiflung, Depression), Rückzug oder Identifikation mit dem Verstorbenen
  • Ablösung und Hinwendung zu neuen Personen und Erholung

Neben der emotionalen Verarbeitung gehört vor allem die Orientierung auf das Leben ohne den verstorbenen Angehörigen zu den wichtigsten Aufgaben trauernder Personen.

Traueraufgaben

Als Antwort auf die wegen ihrer angeblich zu passiven Auffassung vom Trauerprozess häufig kritisierten Phasenmodelle wurden so genannten Traueraufgaben-Modellen entwickelt. Diese bauen auf einer aktiveren Sichtweise auf und betrachten die Verlustbewältigung als Entwicklungsaufgabe. Aufgrund von fehlender empirischer Belegbarkeit bewerten jedoch viele Wissenschaftler sowohl Phasenmodelle als auch Traueraufgabenmodelle recht vorsichtig. Nach Worden (1996) gelten folgende Traueraufgaben als notwendig, um sich mit dem Erlebten und den entstandenen Gefühlen aktiv auseinander zu setzen.

Aufgabe 1: Die Realität des Verlustes akzeptieren

Die erste Traueraufgabe besteht darin, die Realität zu akzeptieren, dass der Betreffende tot ist und nicht zurückkehren wird. Viele Menschen, die einen schmerzlichen Verlust erlitten haben, rufen nach der dahingegangenen Person und sehen sie durch „Fehlidentifikation“ (falsche Zuordnung) bisweilen in anderen Personen in ihrer Umgebung.

Das Gegenteil davon, den Verlust als Realität zu akzeptieren, ist das Nichtwahrhabenwollen: der Verlust wird geleugnet. Das Leugnen kann sich auf unterschiedlichen Ebenen in verschiedenen Formen abspielen, aber meist betrifft es entweder die Tatsachen des Verlustes, seine Bedeutung oder seine Endgültigkeit. Das Leugnen der Tatsachen des Verlustes kann von einer leichten Verzerrung bis zur vollerblühten Wahnvorstellung reichen.

Beispielsweise lassen Eltern, die ein Kind verloren haben, dessen Zimmer oft unverändert, so wie es zu seinen Lebzeiten war, um dem Kind jederzeit eine Rückkehr zu ermöglichen. Das psychische Konzept dahinter ist, dass diese Betroffenen meinen, dass sie die Realität sich dadurch abwehren lässt, dass die Bedeutung des Verlustes geleugnet wird; auf diese Weise kann der Verlust als weniger schwer betrachtet werden, als er tatsächlich ist.

Manche Menschen blockieren die Bewältigung der Aufgabe 1 dadurch, dass sie die Endgültigkeit des Todes leugnen.

Ein passendes Beispiel brachte vor einigen Jahren ein Film in der TV-Serie „60 Minutes“. Es drehte sich um eine Hausfrau mittleren Alters, die durch einen Brand im Haus ihre Mutter und ihre zwölfjährige Tochter verloren hatte. In den ersten zwei Jahren nach diesen Verlusten sprach sie tagaus, tagein laut vor sich hin: „Ich will nicht, dass ihr tot seid, ich will nicht, dass ihr tot seid, ich ertrage es nicht, dass ihr tot seid.“ Ihr musste die Therapie zu der Einsicht verhelfen, dass die verlorenen Menschen unwiderruflich tot sind und nicht wiederkehren.

Aufgabe 2: Schmerz oder emotionale Aspekte des Verlusts zu erfahren

Der Begriff umfasst sowohl die tatsächlichen physischen Schmerzen, die viele Menschen nach dem Verlust erleiden, als auch das emotionale und verhaltensspezifische Leid, das er mit sich bringt. Wenn dieser Schmerz, ob nun physisch oder psychisch nicht verarbeitet wird, wird er entweder als Symptom oder in anderer Form zutage treten.

Wenn der Schmerz verdrängt oder verneint wird, entziehen sich manche Menschen der Bewältigung der „Aufgabe 2“ durch Flucht in die Empfindungslosigkeit. Es gibt zwar die Methode, negative Gefühle zu stoppen und durch positive zu ergänzen, doch die langfristige Wirkung in der Trauerbewältigung ist umstritten.

Aufgabe 3: Anpassung an eine Umgebung, in der der Verlorene fehlt

Oft wird der hinterbliebenen Person erst nach dem Verlust des Menschen richtig bewusst, worin die verschiedenen Rollen des Verstorbenen zu seinen Lebzeiten bestanden haben. Einige Hinterbliebenen wollen keine neuen Fertigkeiten erwerben und keine Rollen übernehmen, die zuvor Sache des Partners waren. Die „Aufgabe 3“ bleibt unerledigt, solange keine Anpassung an den Verlust erfolgt.

Aufgabe 4: Emotionale Energie abziehen und in eine andere Beziehung investieren

Viele Menschen missverstehen diese vierte Aufgabe und brauchen entsprechende Hilfe, vor allem, wenn es sich um den Verlust des Ehepartners handelt. Einige hinterbliebene Partner glauben, wenn sie ihre emotionale Bindung an den verstorbenen Menschen lösten, würden sie die Erinnerung nicht aufrichtig erhalten. Manche schrecken davor zurück, ihre Gefühle in eine andere Beziehung zu investieren, da sie fürchten, sie könnten auch diesen Menschen wieder verlieren. Die Lösung von solch engen Beziehung gilt als am schwierigsten.