Stolpersteine in der Therapie

Fragen, Zweifel oder Bedenken im Therapieverlauf

18.06.2017 Von Fritz Propach

Mit freundlicher Genehmigung entnommen aus dem empfehlenswerten Buch "Psychotherapie - Angebote sinnvoll nutzen" der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen e.V.

Im Folgenden sind Fragen und Zweifel zusammengestellt, die sich im Verlauf einer Psychotherapie ergeben können, aber nicht müssen. Mit diesen „Stolpersteinen“ wollen wir Sie nicht verunsichern, sondern vielmehr dazu beitragen, Ihnen die Abläufe in einer Psychotherapie zu veranschaulichen. Denn es ist ganz normal, dass eine Therapie nicht stets harmonisch und glatt erfolgt, sondern manchmal Fragen, Zweifel oder sogar Verunsicherungen auftreten.

Fragen, Zweifel oder Bedenken
im Therapieverlauf offen zur
Sprache bringen

Solche Erfahrungen sind durchaus nicht immer negativ zu bewerten, mitunter tragen sie zur Klärung oder einem tieferen Verständnis der eigenen Probleme bei. Wir möchten Ihnen Hinweise geben, was Sie tun können, wenn im Laufe Ihrer Therapie Bedenken auftauchen sollten. Häufig wird es sinnvoll sein, solche Zweifel oder Fragen offen anzusprechen und mit dem Therapeuten zu klären. Manchmal allerdings kann es auch notwendig sein, etwas Geduld aufzubringen oder die eigene Erwartungshaltung zu verändern. Wenn das alles nichts ändert und Ihre Bedenken bestehen bleiben, dann kann es eine notwendige Konsequenz sein, die Therapie abzubrechen oder den Therapeuten zu wechseln.

„Natürlich hat alles zwei Seiten“

Wenn es Ihnen im Therapieverlauf vorübergehend schlechter geht

Nicht selten müssen weiterführende Erfahrungen und Entwicklungen durch zusätzliche Anstrengungen, mitunter auch durch zusätzliche Schmerzen oder Beschwerden erkauft werden.

Beispielsweise stellt eine Frau, die immer sehr behütet und gut versorgt gelebt hat, im Laufe ihrer Ehe schließlich fest, dass sie sich bis zur Selbstaufgabe den Bedürfnissen anderer Menschen, insbesondere denen ihres Ehemannes angepasst und unterworfen hat. Sie merkt, dass sie durch ihre Unterordnung immer depressiver und ängstlicher geworden ist. In der Therapie wird sie sich entscheiden müssen, ob sie die gewohnte Rolle beibehalten möchte oder ob sie lieber versuchen möchte, sich aus ihr zu lösen. Therapeuten wissen: Sehr wahrscheinlich wird es vorübergehend zusätzliche Streitigkeiten und Auseinandersetzungen mit dem Ehemann geben, wenn sie weniger Rücksicht auf ihn nimmt. Vielleicht wird sie sich durch diese Konflikte eine Zeit lang schlechter fühlen. Gleichzeitig lernt sie aber in der Therapie, dass diese Schritte möglich und auch für sie sinnvoll sein können.

Verschlechterung des Befindens:
nur akzeptabel, wenn es vorüber-
gehend ist und zur Problemlösung
beiträgt.

Was aber ist „vorübergehend“? Natürlich sollte die Aussicht bestehen, dass es Ihnen durch zusätzliche Belastungen langfristig besser gehen wird. Warum sonst sollten Sie eine vorübergehende Verschlechterung in Kauf nehmen?

Fragen Sie also, wenn bevorstehende zusätzliche Probleme angedeutet oder angekündigt werden, was genau damit gemeint ist und wie der zeitliche Verlauf dieser Belastungen einzuschätzen ist. Wenn Ihre Therapie mit 30 bis 50 Sitzungen veranschlagt wird, und Sie haben nach 10 bis 15 Sitzungen das Gefühl, dass es Ihnen auch infolge der Therapiekontakte noch schlechter als früher geht, dann bringen Sie das zur Sprache.

Es gibt Therapeuten, die es für notwendig halten, dass Sie sich immer wieder an belastende und kränkende Erfahrungen aus der Vergangenheit erinnern. Diese Annahme muss jedoch nicht richtig sein. Wenn es Ihnen durch die Auseinandersetzung mit belastenden früheren Ereignissen im Therapieverlauf immer schlechter geht, dann wägen Sie sorgfältig die Vor- und Nachteile einer Fortführung der Therapie ab.

„Und das soll was bringen?“

Wenn Sie bezweifeln, ob die von dem Therapeuten vorgeschlagenen Maßnahmen Ihnen wirklich helfen können

„Stundenlang hat er nur zugehört. Dann hat er vorgeschlagen, ich soll mal allein ohne meinen Mann in Urlaub fahren. Wie komme ich dazu? Das kann ich doch nicht einfach tun!“ Wie Sie mit Zweifeln dieser Art umgehen können, hängt von vielen Einflüssen ab; zum Beispiel davon, welche Erfahrungen Sie bisher mit derartigen Maßnahmen gemacht haben und in welcher Phase der Therapie Sie sich befinden. Wenn Sie gleich zu Beginn der Therapie starke Einwände gegen das Vorgehen in der Sitzung oder gegen Vereinbarungen mit dem Therapeuten haben, dann stimmen meist wichtige Voraussetzungen nicht, die für einen erfolgreichen Therapieverlauf nötig sind. Möglicherweise wird der Therapeut Ihre Motivation und Bereitschaft zur Therapie in Frage stellen, wenn Sie ihm bereits frühzeitig zu erkennen geben, dass Sie an den Erfolg von Maßnahmen nicht glauben. Ein guter Therapeut sollte dann seine Bemühungen nicht einfach fortsetzen, sondern sich vor allem mit Ihrer Behandlungsmotivation beschäftigen: Warum wollen Sie die Therapie? Was versprechen Sie sich davon? In jedem Fall wird er Ihre Einwände ernst nehmen.

Bei grundlegenden Zweifeln am
therapeutischen Vorgehen sollten
Sie einen Wechsel oder Abbruch
der Therapie erwägen.

Grundlegende, tiefe Zweifel am therapeutischen Vorgehen sind mehr oder weniger das Aus für eine Therapie. Ein Konflikt kann beispielsweise entstehen, wenn ein Therapeut Sie immer wieder nach vergangenen Erlebnissen aus Ihrem Elternhaus oder Ihrer Biographie fragt, Sie selbst aber entschlossen sind, sich mit diesen Erfahrungen nicht in der Therapie zu beschäftigen, weil Sie sich davon nichts versprechen. Oder ein Therapeut versucht, mit Ihnen Vereinbarungen zu treffen, wie Sie sich in der Zwischenzeit bis zur nächsten Sitzung gegenüber Ihren aufsässigen Kindern verhalten sollen. Sie sind aber der festen Überzeugung, dass Ihnen dieses Experiment mehr schaden als nutzen wird. Souveräne Therapeuten werden Ihren Wunsch respektieren und nichts mit Ihnen unternehmen, was Sie nicht wirklich wollen. Darüber hinaus gibt es kaum allgemeine Regeln, die Ihnen als Laie vorhersagen, ob Vorschläge von Therapeuten Erfolg versprechend sind oder nicht. Verlassen Sie sich auf Ihr Gefühl, und bringen Sie Ihre Bedenken zur Sprache.

„Ich weiß nicht, ob das richtig angekommen ist ...“

Wenn Sie den Eindruck haben, dass Ihr Therapeut Ihr Problem nicht richtig versteht

Wenn Sie über mehrere Sitzungen hinweg das Gefühl haben, mit Ihren Problemen nicht verstanden zu werden, dann ist dies ein gewichtiger Einwand gegen die Art oder die Gestaltung der Therapie.

Prüfen Sie Ihren Eindruck daher genau und schieben ihn nicht beiseite in der Hoffnung, dies werde sich irgendwann von selbst geben. Wenn ein Therapeut Ihnen nicht zeigen kann, dass er Ihre Schwierigkeiten wirklich erfasst hat und sich auch dafür interessiert, dann fehlt eine wichtige Voraussetzung für eine therapeutische Beziehung.

Gebraucht er dann noch eine Sprache, die Ihnen fremd erscheint, benutzt er viele Fach- oder Fremdworte, die Sie nicht oder nur teilweise verstehen, dann sind dies weitere Einwände, über die Sie nicht hinweggehen sollten. Ein Therapeut sollte sich ernsthaft darum bemühen, für Sie verständlich zu formulieren. Schließlich reden wir im Alltag genug aneinander vorbei, hören uns nicht zu, wollen uns vielleicht auch nicht verstehen: Gerade das soll und darf es in einer Therapie nicht geben.

Fragen Sie also, wenn Worte gebraucht werden, die Sie nicht kennen. Haken Sie ein, was gemeint ist, wenn wiederholt unklare Andeutungen gemacht werden. Und sagen Sie auch, wenn Sie wiederholt das Gefühl haben, Ihr Therapeut nehme Ihre Schwierigkeiten nicht ernst oder interessiere sich nicht für das Problem.