Alles Wissenswerte zu Psychotherapie (Seite 9/13)

Sind nur anerkannte Methoden erfolgreich?

Ist Trennung in Richtlinienpsychotherapie und nicht anerkannte Therapieverfahren richtig?

Wie sinnvoll ist die in Deutschland praktizierte Aufteilung in wissenschaftlich anerkannte und nicht anerkannte Therapieverfahren? Diese Frage ist auch unter Experten umstritten. Befürworter argumentieren, dass die Beschränkung auf wenige „anerkannte“ Verfahren, deren Wirksamkeit durch zahlreiche Studien belegt wurde, psychische kranke Menschen bei der Behandlung vor Missbrauch und Willkür schützt. Allerdings spielen bei der Frage, welche Verfahren als anerkannt gelten, auch historische und gesellschaftspolitische Gründe – zum Beispiel die lange Tradition der Psychoanalyse oder der Verhaltenstherapie – eine Rolle.

Welche Verfahren umfasst die Richtlinien-Psychotherapie?

Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen nur Behandlungen nach den derzeit anerkannten "Richtlinienverfahren". Nur diese gelten als „wissenschaftlich anerkannt“ und „wirtschaftlich“. Dazu gehören im Moment:

Die aufgezählten Verfahren werden nur von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt, wenn die Behandlung von einem ärztlichen oder psychologischen Psychotherapeuten mit Approbation durchgeführt wird.

Was beeinflusst den Therapieerfolg neben dem angewendeten Verfahren positiv?

Auf der anderen Seite belegen umfangreiche Studien (z. B. Wampold, 2001), dass die Wirkung von Psychotherapie weniger auf spezifische therapeutische „Techniken“, sondern vor allem auf so genannte „kontextuelle“ Faktoren zurückzuführen ist. Dazu gehören insbesondere die Qualität der therapeutischen Beziehung, die Persönlichkeit des Therapeuten sowie der Glaube des Therapeuten und des Patienten an die Vorgehensweise in der Therapie. Dies bedeutet, dass ganz unterschiedliche Therapieverfahren psychisch kranken Menschen wirksam helfen – vorausgesetzt, die Beziehung zwischen Therapeut und Patient stimmt und beide sind überzeugt, dass die Behandlung die Probleme und Krankheitssymptome lindern wird.

Das unterschiedliche Verständnis von Psychotherapie spiegelt sich auch in den sehr unterschiedlichen Regelungen verschiedener europäischer und nordamerikanischer Länder wider. Diese betreffen zum Beispiel die Fragen, ob es offiziell anerkannte Psychotherapieverfahren gibt, wie viele Verfahren anerkannt werden und ob die Kosten für ein Verfahren von der Krankenkasse übernommen werden. Ähnlich wie in Deutschland gelten auch in den Niederlanden, Schweden oder Großbritannien relativ strenge Richtlinien, nach denen nur vier bis fünf Therapieverfahren anerkannt sind. In anderen europäischen Ländern wie Finnland, der Tschechischen Republik oder Slowenien werden deutlich mehr Verfahren anerkannt – in Österreich sind es insgesamt 22. Dagegen gibt es in vielen Ländern überhaupt keine offiziell anerkannten Therapieverfahren – Beispiele sind Belgien, Dänemark, Frankreich oder Portugal.

Tendenziell ist zu beobachten, dass in Ländern, in denen Psychotherapie stärker in das staatliche Gesundheitssystem integriert ist, auch die Kosten einer Therapie eher von den Krankenkassen übernommen werden. Allerdings gibt es in solchen Ländern auch oft strengere gesetzliche Regelungen über die Anerkennung von Therapieverfahren. (Quelle: Forschungsgutachten im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit, April 2009).

In den USA muss das "Wie" wissenschaftlichen Standards genügen

In den USA gelten nochmals andere Voraussetzungen für die Ausübung von Psychotherapie: Dort kann sich jeder, der einen Doktorgrad in Clinical oder Counseling Psychology von einer staatlich anerkannten Institution (Universität oder privates Institut) erworben hat, ein Zertifikat als „Health Service Provider“ erwerben, mit dem er psychotherapeutisch tätig werden und Leistungen mit Krankenversicherungen abrechnen darf. Bei der Akkreditierung der Ausbildungsinstitute ist weniger entscheidend, welches Therapieverfahren angeboten wird, sondern das „wie“ muss wissenschaftlichen Kriterien entsprechen. Demnach werden alle Therapieverfahren, die von anerkannten Institutionen zur Ausbildung angeboten werden, auch vom Gesundheitssystem anerkannt.