Die Phasen einer Psychotherapie (Seite 3/4)

Die Arbeitsphase

Veränderungen sind aktiv zu gestalten und oft mühsam

Formal beginnt Ihre Therapie damit, dass Ihre Krankenkasse die Kostenübernahme für eine bestimmte Anzahl an Stunden bewilligt hat. Bei allen Unterschieden im therapeutischen Vorgehen, die wir uns im nächsten Kapitel ansehen werden, gibt es aber auch in dieser Phase immer wieder bestimmte Erfahrungen und Situationen, die Ähnlichkeiten aufweisen.

Wie läuft eine Psychotherapie ab?

Zunächst gilt, dass das Kennenlernen in einer Therapie ähnlich abläuft wie sonst im Leben auch, nämlich Schritt für Schritt. Ihr Therapeut wird noch mehr über Ihre Probleme wissen wollen, aber auch über Besonderheiten, die damit nur teilweise zu tun haben. Wenn Sie zum Beispiel unter panischen Angstzuständen leiden, werden Sie nach den Ängsten gefragt, aber auch danach, wie zum Beispiel Ihr Partner oder Ihre Kinder darauf reagieren. Vielleicht auch: Wie zufrieden sind Sie mit Ihrer Arbeit? Was bereitet Ihnen im Alltag Sorgen? Worüber ärgern Sie sich?

Im Mittelpunkt steht bei all diesen Fragen normalerweise Ihre Sicht der Dinge, also was Sie selbst glauben, sehen, denken oder fühlen. So entsteht im günstigen Falle so etwas wie Vertrauen. Ihr Therapeut wird Ihnen wohlwollend gegenübertreten und Ihnen das Gefühl vermitteln wollen, dass Sie sich in der Therapie frei fühlen und alles sagen können. Wenn Sie die Sitzungen als angenehm und entlastend empfinden oder sich sogar auf die Treffen freuen, dann hat zumindest dieser erste Schritt funktioniert.

Allerdings wird diese wohlwollende Atmosphäre Ihren Therapeuten oder Ihre Therapeutin kaum daran hindern, das Augenmerk zunehmend auf Ihre Behandlungsmotivation zu lenken, die Sie mit in die Therapie bringen. Wie ernst ist es Ihnen damit, sich durch Psychotherapie verändern zu wollen? Wollen Sie Ihr Problem wirklich loswerden? Oder suchen Sie letzten Endes doch eher jemanden, der Ihnen bestätigt, wie schlecht es Ihnen geht? Aus guten Gründen ist diese Frage für viele Therapeuten ganz entscheidend: Erfolge werden Sie beide vermutlich nur dann erleben, wenn Sie wirklich die Veränderung wollen und bereit sind, über eine bestimmte Zeit an Ihrem Problem zu arbeiten, auch wenn der Weg zeitweilig mühsam und schmerzhaft sein könnte.

»Anfangs konnte ich mir einfach nicht vorstellen, wie durch die Gespräche meine Ängste beeinflusst werden konnten. Gesagt habe ich das aber nicht. Ich hatte immer irgendwie die Hoffnung, meine Therapeutin würde mir einen Weg aus meinem Elend zeigen. Einerseits wollte ich schon klare Hinweise von ihr haben, andererseits wollte ich mir nichts vorschreiben lassen. Ich glaube, ich brauchte wirklich jemanden, der mich immer wieder mit der Nase darauf stoßen musste, dass ein großer Teil der Verantwortung für meine Schwierigkeiten bei mir liegt. Meine Therapeutin hatte ein gutes Gespür dafür, wie sie mit mir umgehen musste. Trotzdem hatte ich zeitweise das Gefühl, ich komme keinen Schritt voran. Einmal stand es sogar auf der Kippe, ob wir die Therapie nicht besser beenden sollten. Wir haben aber weitergemacht. Das war letztlich richtig, denn meine Ängste sind deutlich zurückgegangen. Ich bin mir sicher, dass die Therapie daran einen wesentlichen Anteil hatte.«
[Patientin, 43 Jahre, soziale Ängste und Depressionen]

Vielleicht schon in den ersten, wahrscheinlich aber im Verlauf von 10 bis 15 Sitzungen wird es darum gehen, dass sich Ihr Problem oder Ihre Haltung dazu in irgendeiner Weise verändert. Hier unterscheiden sich nun die Therapierichtungen: zum einen darin, was sie als Veränderung ansehen, zum anderen darin, wie sie versuchen, diese Veränderungen in Gang zu bringen. Wenn Sie beispielsweise wegen Depressionen eine psychoanalytische Behandlung begonnen haben, dann wird Ihr Therapeut vielleicht mit Ihnen erörtern, inwieweit Ihre aktuelle depressive Stimmung etwas mit früheren Gefühlen gegenüber Ihren Eltern zu tun haben könnte. Die Veränderung bestünde dann darin, dass Sie die Ähnlichkeit Ihrer Gefühle für sich erkennen und sich dadurch selbst besser verstehen lernen. Ein Verhaltenstherapeut würde vermutlich eher versuchen, gemeinsam mit Ihnen bestimmte Aktivitäten zu planen, mit deren Hilfe Sie neue Erfahrungen machen und Ihren Lebensmut zurückgewinnen. Das Ergebnis wäre ein ganz anderes, zum Beispiel eine Vereinbarung, mit der Sie sich verpflichten, jeden Tag nicht erst mittags, sondern spätestens um zehn Uhr aufzustehen.

Natürlich verschwinden psychische Probleme oder Störungen nicht schnell und mühelos im Verlauf einer Therapie. Eher trägt die besondere Eigenart psychischer Konflikte dazu bei, dass Veränderungen nur mit Mühe errungen werden oder mitunter auch neue Probleme aufwerfen. Angstzustände und Depressionen können im Verlauf der Behandlung abnehmen, aber ebenso wieder zunehmen, das gilt auch für Ihre Hoffnungen, Ihre Bereitschaft, Ihren Optimismus, Ihre Kraft, all das kann wachsen und auch wieder schwinden. Der Fortschritt in der Therapie ist manchmal ein zähes Geschäft, und die dabei wirksamen Einflüsse sind zentrale Themen in einer Psychotherapie, »Warum kann ich nicht einfach keine Angst mehr haben, obwohl ich es so gern möchte?« »Warum kann ich nicht einfach keinen Alkohol mehr trinken?« »Was macht es mir so schwer, mich von meinen depressiven Gedanken zu lösen?« Fragen dieser Art spiegeln etwas wider, das Psychotherapeuten als »Widerstand« bezeichnen. Wir schütteln die Probleme nicht einfach ab, auch nicht mit Hilfe von Therapeuten. Wer schon einmal versucht hat, eine bestimmte Gewohnheit aufzugeben (z. B. das Rauchen), wird dieses Problem kennen: Gerne würde ich mich verändern, aber irgendwie hindere ich mich selbst daran.

Die Psychotherapieformen unterscheiden sich darin, wie sie an diese Schwierigkeiten herangehen. Psychoanalytiker werden eher die Ursachen Ihrer Konflikte zum Thema machen, Verhaltens-, System-, Gesprächs- oder Gestalttherapeuten werden sich mehr darauf konzentrieren, wie Sie die Widerstände überwinden können.