Die Phasen einer Psychotherapie (Seite 2/4)

Die Probesitzungen

Die frühe Phase einer Therapie: Eingewöhnung oder Abbruch

Auch nach der Einführung der neuen Psychotherapie-Richtlinie finden weiterhin vor Beginn der Richtlinientherapie, sowohl wenn sie als Kurzzeittherapie als auch als Langzeittherapie durchgeführt wird, probatorische Sitzungen statt.

Wie viele Probesitzungen sind möglich?

Seit dem 1. April 2017 sind für erwachsene Hilfesuchende nun mindestens zwei und höchstens vier probatorische Sitzungen à 50 Minuten möglich.

Bisher konnten bei einer Verhaltenstherapie und einer tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie bis zu fünf und bei einer psychoanalytischen Psychotherapie bis zu acht probatorische Sitzungen durchgeführt werden.

Kinder und Jugendliche können bis zu sechs probatorische Sitzungen in Anspruch nehmen. Ihre Eltern können einen Teil dieser Probatorikgespräche alleine führen.

In dieser Zeit kann eine ausführlichere diagnostische Abklärung stattfinden und es kann genauer geklärt werden, welches Therapieverfahren für den Patienten am geeignetsten ist. Wie bisher soll in den probatorischen Sitzungen geprüft werden, ob eine ausreichende Therapiemotivation besteht und ob eine tragfähige therapeutische Beziehung möglich ist. Weiterhin soll der Psychotherapeut den Patienten in dieser Zeit über die geplanten psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen informieren und ihm erläutern, wie seine psychischen Probleme damit bearbeitet werden können.

Sobald die erste probatorische Sitzung stattgefunden hat und der Termin für die zweite Stunde vereinbart wurde, kann der Therapeut einen Antrag auf Kurzzeit- oder Langzeittherapie stellen. Um Wartezeiten bis zum Beginn der eigentlichen Therapie zu vermeiden oder zu verringern, können bis zur Höchstgrenze weitere probatorische Sitzungen durchgeführt werden, nachdem der Antrag gestellt worden ist.

Tipp: Während der probatorischen Sitzungen hat der Patient die Möglichkeit, sich zu entscheiden, ob er bei diesem Therapeuten bleiben möchte oder einen anderen Therapeuten suchen möchte. Im Unterschied zu früher sind jetzt nur noch 4 probatorische Sitzungen möglich. Entscheidet sich ein Patient während dieser Sitzungen, den Therapeuten zu wechseln, kann der neue Therapeut noch einmal die vollen probatorischen Sitzungen beantragen.

Was genau passiert in der Probatorik?

In diesen probatorischen Sitzungen wird ein Therapeut zunächst versuchen, mehr über Sie und Ihre Probleme sowie über die jeweiligen Hintergründe der bisherigen Entwicklung zu erfahren. Dazu wird er sich relativ ausführlich nach Ihren Beschwerden, aber auch sehr umfassend nach Ihrer sonstigen Lebenssituation erkundigen.

Häufig werden folgende Bereiche erfragt: die Erscheinungsform Ihres Problems (z. B. die Häufigkeit und Intensität von Ängsten), die Bedingungen, unter denen es auftritt, bisherige Behandlungsversuche, Angaben zu Medikamentenkonsum, Besonderheiten Ihrer bisherigen biographischen das heißt Ihrer persönlichen, sozialen, schulischen und beruflichen Entwicklung.

Als Patient oder Patientin sollten Sie die teilweise präzisen Fragen in Kauf nehmen. Schließlich benötigt Ihr Therapeut genaue Angaben von Ihnen, um bei Ihrer Krankenkasse die Übernahme der Behandlungskosten beantragen zu können.

Trotzdem steht es Ihnen grundsätzlich immer frei, was Sie beantworten möchten oder nicht. Dasselbe gilt auch für psychodiagnostische Testverfahren, die manche Therapeuten zusätzlich einsetzen, um nicht zu viel Zeit mit der Erhebung teilweise sehr spezieller Informationen zu verbringen. Je nach Fragestellung und nach therapeutischer Ausrichtung können dies unterschiedliche Verfahren sein, zum Beispiel ein Fragebogen, bei dem Sie ankreuzen sollen, unter welchen Beschwerden Sie leiden.

Die aus den Tests gewonnenen Informationen dienen der Diagnostik und der Planung der Therapie. Ebenso können Fragebögen eingesetzt werden, um mögliche Veränderungen im Therapieverlauf sichtbar zu machen. Bei Kindern und Jugendlichen dienen Leistungstests (z. B. Intelligenz oder Entwicklungstests) dazu, Aussagen über bestimmte Fähigkeiten zu gewinnen. Psychotherapeuten haben im Laufe Ihrer Ausbildung gelernt, mit solchen Verfahren sehr verantwortungsvoll umzugehen und die Ergebnisse stets vorsichtig und immer nur im Zusammenhang mit anderen Informationen zu interpretieren. Besonders gilt dies für Tests, die auf tiefenpsychologischen Annahmen beruhen und bei denen von den Testergebnissen auf unbewusste Vorgänge geschlossen wird.

Nähere Informationen zu psychologischen Testverfahren enthält das Faltblatt »Psychologische Testverfahren«, das Sie beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen anfordern können.

Gerade in dieser frühen Phase der Therapie entstehen mitunter Missverständnisse durch den Austausch von so viel persönlicher Information. Manche Patientinnen und Patienten bekommen den Eindruck, dass sie ihr »Innerstes nach außen kehren müssen«, was sie verständlicherweise Überwindung kostet. Umgekehrt können Therapeuten diese vielen Informationen nicht gleich in der Therapie umsetzen oder gar Lösungen anbieten. Patienten und Patientinnen sind dann manchmal enttäuscht, wenn ihr Therapeut im Gespräch nicht gleich auf all die Themen eingeht, die im Fragebogen oder Interview angesprochen wurden. Bringen Sie als Patient oder Patientin in dieser frühen Therapiephase also ruhig etwas Geduld mit: Es lassen sich nicht alle angesprochenen Schwierigkeiten gleichzeitig behandeln.

Allerdings sollten Sie diese Sitzungen nutzen, um sich klarer zu werden über das Vorgehen in der Therapie und über den persönlichen Arbeitsstil Ihres Therapeuten oder Ihrer Therapeutin.

Checkliste: Klärungsbedarf in den Probesitzungen

  • Stellt der Therapeut mehr Fragen, oder gibt mehr Antworten?
  • Macht er selbst Vorschläge, oder wartet er Ihre Meinung ab?
  • Haben Sie das Gefühl, dass Sie verstanden werden, oder können Sie mit den Kommentaren häufig nichts anfangen und fühlen sich unverstanden?
  • Lässt er Ihnen in der Wahl der Themen und des Vorgehens weitgehende Freiheiten, oder haben Sie den Eindruck, dass Sie angeleitet oder Ihnen sogar ein bestimmtes Vorgehen aufgedrängt werden soll?
  • Findet er Deutungen, die Ihnen ungewöhnlich, neu und interessant erscheinen, oder werden nur Dinge gesagt, die Sie ohnehin schon gedacht oder gesagt haben?
  • Zeigt er eine Perspektive auf, oder wird wieder nur darauf verwiesen, dass keine Vorhersagen gemacht werden können?
  • Handelt er erkennbar nach einem bestimmten Plan, oder erscheint Ihnen das Vorgehen undurchsichtig und wechselhaft?
  • Und schließlich: Fühlen Sie sich in Gegenwart Ihres Therapeuten wohl, oder sind Sie eher erleichtert, wenn die Sitzung wieder vorbei ist? Fühlen Sie sich ermutigt oder eher verunsichert?

Fragen wie diese können Ihnen helfen, Klarheit zu gewinnen, für wie erfolgversprechend Sie die Therapiesitzungen halten.

Grundsätzlich sollte Ihnen in den probatorischen Sitzungen das therapeutische Arbeitsprinzip bereits relativ deutlich werden. Versuchen Sie also zu erkennen, ob es eher darum geht, dass Sie Ihre Probleme anders als bisher verstehen lernen oder darum, spürbare und sichtbare Veränderungen zu erzielen. Wenn Ihnen das Arbeitsprinzip nicht deutlich wird, scheuen Sie sich nicht, Ihren Therapeuten oder Ihre Therapeutin direkt darauf anzusprechen. Es schadet sicher nicht, eine zumindest vage Vorstellung davon zu haben, wie die nächsten Sitzungen verlaufen werden.

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