Pro und Kontra von Ketamin in der Psychotherapie

Wann die Unterstützung einer Psychotherapie mit Ketamin sinnvoll sein könnte

Ketamin ist bisher nach dem Arzneimittelgesetz nicht für den Einsatz im psychotherapeutischen Kontext zugelassen. Deshalb darf es dort nur im Off-Label-Use verabreicht werden. Off-Label heißt auf Deutsch zulassungsüberschreitende Anwendung.
In der Regel haften die behandelnden Ärzte bei Off-Label-Behandlungen für die medizinische Richtigkeit sowie für mögliche eintretende Nebenwirkungen. Denn bei einem Off-Label-Gebrauch entfällt zu einem gewissen Teil die Haftung durch den Hersteller des Medikaments für eventuelle Schäden. Sie wird auf den Arzt übertragen.

Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen Off-Label-Behandlungen häufig nur in sehr seltenen Ausnahmefällen. Die können bestehen, wenn es sich bei der Behandlung um eine schwerwiegende Erkrankung handelt, für die keine andere Behandlung verfügbar ist und die Datenlage eine begründete Aussicht auf einen Behandlungserfolg verspricht.

Auch wenn die Krankenkassen eine Off-Label-Behandlung in der Regel nicht bezahlen, ist sie trotzdem legal, allerdings nur, wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Der Patient muss über die Off-Label-Behandlung mündlich und schriftlich aufgeklärt worden sein und eine Einverständniserklärung unterschrieben haben.

Zudem muss seine Krankengeschichte belegen, dass andere Therapieformen nicht geholfen haben, es sich also um eine so genannte therapieresistente Krankheit handelt. Der Einsatz von Ketamin stellt somit eher einen der letztmöglichen Schritte innerhalb einer Behandlungsstrategie dar.

Wer darf mit Ketamin behandeln?

Die ambulanten Praxen, die eine Ketamin-Behandlung im psychotherapeutischen Kontext anbieten, sind in Deutschland nicht sehr zahlreich. Das hängt damit zusammen, dass eine Therapie mit Ketamin sehr personalintensiv ist. Ein Psychotherapeut darf Ketamin nicht selbst verabreichen.

Diese Infusionen zu legen und zu überwachen, fällt in den Zuständigkeitsbereich eines Facharztes für Anästhesie. Dieser Narkosearzt muss auch das Vorgespräch führen und Indikation, Kontraindikation sowie Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten informieren.

Um den Patienten während der Infusionen optimal zu betreuen, sind auch Pflegekräfte notwendig. Dieser Aufwand erklärt auch die relativ hohen Sitzungskosten.

Wie wirkt Ketamin im psychotherapeutischen Setting?

Ketamin kann zu dissoziativen Zuständen und Wachträumen führen. Das Wort dissoziativ kommt aus dem Lateinischen und meint auf Deutsch trennen oder schneiden. Im psychologischen Zusammenhang wird es benutzt, um zu beschreiben, dass sich ein Mensch während eines dissoziativen Zustands in seiner Wahrnehmung, Denken, Handeln oder Fühlen getrennt fühlt.

In der psychotherapeutischen Anwendung von Ketamin werden diese dissoziativen Zustände bewusst genutzt, damit der Patient in Kontakt mit Verdrängtem kommt. Diese psychoaktive Wirkung kann, vereinfacht gesprochen, neue Neuromodulationen im Gehirn entstehen lassen.

Das bedeutet konkret, dass die häufig sehr dysfunktionalen Gedankenmuster aufgebrochen werden können und Patient:innen in die Lage versetzt werden, sich überhaupt wieder für positivere Erfahrungen zu öffnen.

Ketamin entfaltet diese Neuromodulationen vor allem durch die Blockade bestimmter Glutamat-Rezeptoren. Das Gehirn wird leistungsfähiger, weil neue neuronale Verbindungen entstehen können. Genau dort setzt die Kombination von Ketamintherapie und Psychotherapie an: Der Patient bekommt mehr Zugang zu seinen tieferen Schichten und kann sich nach den Ketamin-Infusionen intensiver auf psychotherapeutische Sitzungen einlassen. Wie das genau funktioniert, ist allerdings noch nicht abschließend geklärt.

Die Behandlung ist nebenwirkungsarm, Ketamin ist nicht suchterzeugend und sehr gut verträglich. Während der Infusion kann es allerdings vorkommen, dass Patient:innen ein dissoziatives Erleben wahrnehmen, sie verlieren beispielsweise den Bezug zu ihrem Körper und ihrer Umgebung und können Angst entwickeln.

Wie werden Patient:innen psychotherapeutisch begleitet?

Jede Ketaminsitzung wird psychotherapeutisch vorbereitet und begleitet, damit sich die Patient:innen sicher genug fühlen, um sich entspannt auf den Prozess einlassen zu können.
Meist finden auch nach der Ketamin-Infusion psychotherapeutische Sitzungen statt.

Im Rahmen von Psychotherapie wird Ketamin in einer niedrigen Dosis injiziert, um einen veränderten Bewusstseinszustand zu erzielen. Die Ketamininfusion dauert rund 40 Minuten und führt je nach Dosierung zu milden anästhetischen Wirkungen.

Eine niedrige Ketamindosis erzeugt einen traum- oder tranceähnlichen Zustand. Dieser veränderte Bewusstseinszustand lässt die sonst aktiven Kontrollmechanismen entspannen. Dadurch gewährt der Patient Zugang zum belastenden Thema und nimmt die Arbeit und Beziehung im psychotherapeutischen Setting besser an. Das Verarbeiten von schwierigen Erlebnissen und Inhalten kann so erleichtert oder auch erst ermöglicht werden.

Während dieser Infusionen können Patient:innen sich selbst aus einer anderen Perspektive wahrnehmen, sie erinnern sich beispielsweise an Momente, als sie als kleines Kind in einer ungeschützten Situation anderen Menschen ausgeliefert waren. Indem sie als Erwachsener auf diese Situation schauen, können sie endlich ihrem verletzten Anteil Verständnis und Mitgefühl entgegenbringen und müssen ihn nicht mehr unterdrücken.

Mit diesem neuen Blick, der es erst möglich macht, abgespaltene Teile zu integrieren, wird dann auch in der anschließenden Psychotherapie weitergearbeitet. Viele Patient:innen erleben während und nach einer Ketamin-Infusion mehr Klarheit sich selbst gegenüber und empfinden Leichtigkeit und Dankbarkeit. Dieser neue Blick erlaubt es Patient:innen sich tiefer als vorher auf die Psychotherapiesitzungen einzulassen.

Außerdem können die Infusionen mit Verfahren wie Hypnose oder Magnetstimulation (rTMS) kombiniert werden, um den Effekt des Ketamins zu verstärken.

Wer darf nicht mit Ketamin behandelt werden?

Gerade weil Ketamin während der Behandlung Dissoziationen auslösen kann, dürfen Menschen, die unter Psychosen leiden, nicht mit Ketamin behandelt werden. Auch diejenigen, die einen zu hohen Blutdruck, schwer herzkrank sind, einen Schlaganfall erlitten haben oder unter einer unbehandelten Schilddrüsenüberfunktion leiden, sind von der Therapie mit diesem Medikament ausgeschlossen.

Wer übernimmt die Kosten einer Ketamin-Therapie?

Eine Ketamin-Infusions-Therapie wird meist nicht von der Krankenkasse bezahlt. Inzwischen wird die Behandlung mit Ketamin-Nasensprays übernommen. Diese Therapie kann unter Umständen auch in hausärztlichen Praxen durchgeführt werden, sie wirkt jedoch meist nicht so intensiv wie eine Infusions-Therapie.

Wer die Kosten für solch eine Therapie von der Krankenkasse erstattet bekommen möchte, muss nachweisen können, dass er sozusagen austherapiert ist, das heißt schon viele Behandlungen bekommen hat, die zu keiner deutlichen Linderung oder Besserung gefüht haben.

Auf dem Weg zu einer Kostenerstattung spielt die Unterstützung des behandelnden Arztes eine große Rolle, denn Menschen, die unter einer schweren psychischen Störung leiden, sind meist nicht mehr in so kräftiger Verfassung, dass sie einen kräftezehrenden Weg durch die Instanzen auf sich nehmen könnten.

In Deutschland gibt es noch nicht so viele ambulante Praxen, die mit Ketamin behandeln. Bei einigen findet sich der Hinweis auf das Honorar schon auf der Startseite. Pro Sitzung werden meist 200 Euro fällig. Wer das nicht bezahlen kann, der wendet sich am besten an Kliniken, die zum Thema forschen.

Es gibt aber auch niedergelassene Ärzte, für die Ketamin nur einer von verschiedenen Bausteinen einer Therapie darstellt. Je weniger Ärzte für den Erfolg von Ketamin werben, desto sicherer kann man sich sein, dass das Honorar nicht im Vordergrund steht.