Verzeihen (Seite 3/7)
Leichte Kränkbarkeit erschwert das "Vergeben-Können"
Ein gesunder Selbstwert verringert Kränkbarkeit
Wer dazu neigt, zu lange über Kränkungen nachzudenken, verletzt sich damit immer wieder selbst. Für diese Menschen ist es wichtig zu lernen, solche Erfahrungen, schneller innerlich abschließen zu können.
Wer sich schnell verletzt fühlt, hat meist ein zu geringes Selbstwertgefühl. Wer innerlich unsicher ist, nimmt die Worte oder das Verhalten der anderen schnell zu persönlich und bewertet sie vor allem als zu negativ.
Ein erster Schritt kann sein, genau hinzuhören, was das Gegenüber tatsächlich gesagt hat und anschließend rückzufragen, wenn man sich angegriffen und verletzt fühlt. Vielleicht hat der andere nur versehentlich die falschen Worte verwendet? Es kann auch zu einer gesunden Selbstdistanz beitragen, einen Perspektivwechsel zu wagen und sich zu überlegen, welche Schwierigkeiten das Gegenüber im Leben hat und was ihn so hat handeln lassen.
Wenn man wirklich unfair behandelt wurde, kann man daran arbeiten, selbstbewusster zu werden und Grenzen zu setzen.
8 Tipps zur Linderung gekränkter Gefühle
Die Psychotherapeutin Doris Wolf hat acht Tipps entwickelt, wie Menschen ihre gekränkten Gefühle lindern können:
Tipp 1: Prüfe, ob das, was der andere gesagt oder getan hat, richtig bei dir angekommen ist.
Hast du richtig verstanden, was dein Gegenüber gesagt hat? Frage ihn direkt: „Wie meinst du das?“, „Was verstehst du darunter?“ „Auf welches konkrete Verhalten beziehst du dich mit deiner Kritik?“, „Was wolltest du mir mit deinem Verhalten signalisieren?“
Wenn du möchtest, kannst du mit diesen Rückfragen warten, bis du dich wieder stärker und ruhiger fühlst.
Tipp 2: Sprich über deine Gefühle und Wünsche.
Teile deinem Gegenüber mit, wie du dich fühlst und wie seine Worte oder sein Verhalten bei dir angekommen sind, und was du dir anders wünschst: „Ich habe mich ... gefühlt, weil ich das so .... verstanden habe. Ich würde mir wünschen, dass du .... sagst/tust.“
Tipp 3: Schlüpfe in die Schuhe des anderen.
Überlege, welche Gefühle und Motive hinter seinem Verhalten stehen könnten. Hat er sich zuvor möglicherweise von dir angegriffen gefühlt? Passt auf ihn das Stichwort „Ein getroffener Hund bellt“? Ist er generell ein Mensch mit geringem Selbstwertgefühl?
Verhält er sich im Allgemeinen anderen Menschen gegenüber aggressiv und abwertend? Fehlt ihm generell die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen? Ist er zurzeit stark mit seinen eigenen Problemen beschäftigt? Fällt es ihm schwer, offen zu sein und nein zu sagen?
Tipp 4: Suche nach positiven Motiven bei deinem Gegenüber.
Frage dich, ob sich auch positive Absichten hinter seinem Verhalten verbergen könnten? Wollte er dir ein Kompliment machen, das missglückt ist? Wollte er dir helfen, einen Fehler auszumerzen? Oder könnte sein Verhalten vielleicht überhaupt nichts mit dir zu tun haben, sondern mit seiner schlechten Stimmung, Überforderung, Müdigkeit, einer aktuellen Krisensituation?
Tipp 5: Halte Tatsache und Meinung sorgfältig auseinander.
Erinnere dich daran, dass seine Worte nur seine persönliche Meinung widerspiegeln. Sie müssen überhaupt nichts mit der Wirklichkeit zu tun haben. Du hast die Wahl, ob du seine Meinung für dich akzeptierst oder dir sagst: „Das ist seine persönliche Sichtweise. Ich weiß, dass ich nicht so bin, wie er mich sieht.“
Tipp 6: Überlege, welche Bedeutung du diesem Ereignis beimessen willst.
Ist das Ereignis für dich so wichtig, dass du dich in Gedanken weiter damit beschäftigen willst? Hilft dir die Beschäftigung damit, deine Ziele zu erreichen und glücklich zu sein? Lohnt es sich, dafür deinen Körper in Aufruhr zu bringen und deine Abwehrkräfte zu schwächen? Wenn nicht, unterbreche deine Erinnerungen immer wieder mit einem innerlichen „Stopp“ und sage dir: „Ich bin bereit, loszulassen. Das ist Vergangenheit“ — solange bis du nicht mehr an das negative Ereignis denkst.
Tipp 7: Notiere deine Gedanken und Gefühle.
Vertraue deine quälenden Gedanken einem Tagebuch an und schließe deinen Text mit dem Satz: „Mir gefällt nicht, was der andere gesagt/getan hat, ich bin enttäuscht und traurig. Ich bin ärgerlich. Doch ich bin bereit, ihm zu verzeihen. Er ist ein Mensch und macht als solcher ab und zu Fehler.“
Tipp 8: Prüfe, wie wichtig dir die Beziehung ist.
Wenn du es mit einem Menschen zu tun hast, der dich immer wieder zu verletzen versucht, überlege dir, ob du weiterhin mit ihm zusammen sein willst/musst oder ob du dich von ihm zurückziehen möchtest.