Selbstwertgefühl (Seite 5/7)

Coaching und Psychotherapie

Mit professioneller Hilfe kann jeder sein Selbstwertgefühl stärken

Ein niedriges Selbstwertgefühl ist oft mit großem Leidensdruck und einem erhöhten Risiko für psychische Erkrankungen verbunden. Daher ist es wichtig und sinnvoll, dass die Betroffenen sich Unterstützung suchen und aktiv daran (mit-)arbeiten, ihr Selbstwertgefühl zu stärken.

Die gute Nachricht lautet: Jeder kann seinen Selbstwert steigern. Wichtig ist dabei, offen für neue Erfahrungen und bereit zu sein, aktiv an Veränderungen mitzuarbeiten. Dieser Prozess lässt sich mit der Reise durch eine Landschaft vergleichen: Manche Gebiete kennt man schon gut, andere sind neu, einige Bereiche sind leichter, andere schwerer zugänglich.

In manchen Bereichen fühlt sich jemand schon vertraut und selbstsicher, in anderen dagegen weniger. Suchen die Betroffenen diese Bereiche aktiv auf und probieren neue Verhaltensweisen aus, können sie auch dort mehr Selbstsicherheit entwickeln.

Bei deutlich ausgeprägten Problemen des Selbstwerts können ein Coaching oder eine Psychotherapie sinnvoll sein, um das Selbstwertgefühl zu stärken und die Probleme zu bewältigen. In einem Coaching werden Übungen zur Verbesserung des Selbstwerts durchgeführt. Eine Psychotherapie kommt bei psychischen Erkrankungen zum Einsatz, bei denen gleichzeitig ein geringes Selbstwertgefühl besteht. Hier wird die eigentliche Erkrankung behandelt und es können ähnliche Übungen zur Verbesserung des Selbstwerts durchgeführt werden. Darüber hinaus können in der Psychotherapie auch tiefer gehende Probleme, etwa psychische Verletzungen in der Kindheit, bearbeitet werden.

Es gibt eine ganze Reihe von Methoden, die zum Ziel haben, den Selbstwert zu verbessern und die in Psychotherapie und Coaching angewendet werden können:

  • Um Selbstakzeptanz und Selbstvertrauen zu fördern, ist nach dem Modell der vier Säulen des Selbstwerts von Potreck-Rose und Jacob eine positive Selbstzuwendung wichtig. Diese kann laut Potreck-Rose und Jacob durch Achtsamkeitsübungen, Selbstfürsorge, das Erkennen des „inneren Kritikers“ und das Etablieren eines „liebevollen inneren Beobachters“ erreicht werden. Selbstakzeptanz kann zudem durch die Reflexion der eigenen Normen und Werte, Selbstvertrauen durch eine Verbesserung von Selbstkontrolle und Selbstmanagement gefördert werden. Um die soziale Kompetenz und das soziale Netz zu fördern, kann ein soziales Kompetenztraining hilfreich sein.

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Achtsamkeitsübungen

Darin geht es darum, die Aufmerksamkeit auf das zu richten, was in diesem Moment ist und es anzunehmen, ohne es ändern zu wollen, zu bewerten oder zu verurteilen. Achtsamkeitsübungen können dabei helfen, einen wertneutralen Blick auf sich selbst zu werfen, sich anzunehmen und zu akzeptieren.

Beispiele

  • Stilles Sitzen: Eine einfache Achtsamkeitsübung ist das Stille Sitzen. Suchen Sie sich einen ruhigen Ort, setzen Sie sich in einer aufrechten Haltung auf einen Stuhl oder auf den Boden und blicken Sie mit offenen Augen geradeaus. Atmen Sie ruhig ein und aus und nehmen Sie dabei Ihre Atmung bewusst wahr, zum Beispiel, in dem Sie Ihre Atemzüge zählen oder bei jedem Atemzug „ein“ und „aus“ denken. Wenn andere Gedanken auftauchen, schieben Sie diese nicht weg. Lassen Sie sie einfach vorbeiziehen und bewerten Sie sie nicht. Kehren Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit immer wieder bewusst zu Ihrer Atmung zurück. Führen Sie diese Übung einige Minuten lang durch.
  • Gehmeditation: Ähnlich wie bei der vorherigen Übung geht es darum, die Aufmerksamkeit ganz auf eine bestimmte Sache zu richten. Gehen Sie umher und richten Sie dabei Ihre Aufmerksamkeit ganz auf Ihre Gehbewegung: Spüren Sie die Bewegung Ihrer Beine, das Aufsetzen und das Abrollen Ihrer Füße. Gehen Sie dabei so schnell, wie es für Sie angenehm ist. Sie können zum Beispiel mit schnellem Gehen beginnen und mit der Zeit etwas langsamer gehen. Die Hände können Sie entspannt herabhängen lassen oder unterhalb des Brustkorbs auf den Körper legen. Auch diese Übung sollten Sie einige Minuten lang durchführen.
  • Body Scan: Beim Body Scan geht es darum, die ganze Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper zu richten und ihn gedanklich von oben bis unten oder von unten bis oben „abzutasten“. Dies soll die Beziehung zwischen Körper und Geist stärken und Stress abbauen.
  • Nehmen Sie eine bequeme Haltung ein, zum Beispiel im Sitzen oder im Liegen. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit zunächst eine Zeitlang auf Ihre Atmung und atmen Sie ruhig und entspannt. Richten Sie Ihre Aufmerksamkeit nun zuerst auf Ihre Zehen, dann auf Ihre Füße, auf Ihre Unterschenkel, Ihre Knie, Ihre Oberschenkel und so weiter. Gehen Sie schrittweise durch Ihren ganzen Körper und achten Sie bei jedem Körperteil darauf, wie er sich anfühlt. Anschließend sitzen Sie einfach noch eine Weile entspannt da, ohne Ihre Aufmerksamkeit auf etwas Bestimmtes zu richten. Um die Übung zu beenden, dehnen und strecken Sie sich und richten Sie sich langsam auf.
  • Selbstfürsorge: Ziel dabei ist, gut auf sich zu achten und für sich selbst zu sorgen, zum Beispiel gesund zu essen, sich regelmäßig zu bewegen, ausreichend zu schlafen, sich selbst etwas Gutes zu tun oder Stress und Überlastung rechtzeitig wahrzunehmen und entsprechend gegenzusteuern.
  • Erkennen des „inneren Kritikers“ und Etablieren eines „liebevollen inneren Beobachters“: Viele Menschen haben einen starken „inneren Kritiker“, also eine innere Stimme, die ihnen immer wieder sagt, was sie nicht können oder was sie nicht gut machen. Diese Gedanken entstanden meist in früheren Lebensjahren durch wenig wertschätzende Aussagen anderer Menschen. Die Klient*innen sollen nun lernen, diese innere Stimme zum Schweigen zu bringen, ihre eigenen Schwächen zu akzeptieren und freundlich, verständnisvoll und wertschätzend mit sich selbst zu sprechen und umzugehen. So kann jemand statt einer negativen Annahme positive und wertschätzende Sätze formulieren und auf diese Art mit sich selbst sprechen. Denkt jemand zum Beispiel häufig: „Ich bin faul und bekomme nichts auf die Reihe“, kann er oder sie sich sagen: „Heute ist mir schon X und Y gelungen. Das ist eine ganz gute Leistung.“
  • Eine ähnliche Methode ist die kognitive Umstrukturierung: Dabei lernen die Klient*innen, ungünstige automatische Gedanken und damit verbundene negative Gefühle zu erkennen und zu verändern.
  • Verwandt mit der Selbstfürsorge sind der Aufbau angenehmer Aktivitäten und das Genusstraining: Ziel dabei ist, Dinge zu tun, die man gerne macht und die einem gut tun. Man kann sich selbst mit etwas zu verwöhnen, sich für etwas belohnen und genussvolles Empfinden bewusst trainieren. All das trägt zu positiven Gefühlen bei, die sich günstig auf das Selbstwertgefühl auswirken.
  • Imaginationsübungen: Dabei geht es darum, dass sich Klient*innen eine Situation intensiv und bildhaft vorstellen sollen. Sich angenehme Situationen vorzustellen, führt zu positiven Gefühlen, die sich günstig auf den Selbstwert auswirken. Man kann sich auch eine Situation, in der man gut dasteht, vorstellen oder sich positive Sätze über sich selbst sagen. Das kann die eigene innere Kraft bewusstmachen und aktivieren. Distanzierungsübungen können dabei helfen, sich von belastenden Gedanken und Gefühlen zu befreien.
  • Fokussieren auf die eigenen Stärken, Selbstermutigung und positives Feedback: Um sich seine Stärken bewusst zu machen, kann man eine Liste mit den eigenen positiven Eigenschaften, Fähigkeiten, Leistungen und Errungenschaften schreiben und sie jeden Tag lesen. Oder man schreibt sich positive und ermutigende Sätze auf und liest sie mehrmals am Tag. Eine andere Möglichkeit ist, ein Tagebuch zu führen, in dem man am Ende jeden Tages aufschreibt, was man geschafft hat oder was einem gut gelungen ist.

Training sozialer Kompetenzen

Vielen Menschen mit geringem Selbstwert fehlen bestimmte soziale Fähigkeiten, die für funktionierende und befriedigende soziale Beziehungen wichtig sind. Gute Beziehungen tragen wiederum stark zu einem positiven Selbstwertgefühl bei.

In einem sozialen Kompetenztraining üben die Teilnehmer*innen in Rollenspielen angemessenes, selbstsicheres Verhalten in ganz konkreten Situationen ein, die ihnen bisher schwer gefallen sind. Das kann zum Beispiel sein, Bitten, Wünsche oder Forderungen zu äußern, nein zu sagen, positive und negative Gefühle auszudrücken, ein Gespräch anzufangen und aufrecht zu erhalten, auf Kritik zu reagieren, erwünschte Kontakte auszubauen und unerwünschte Kontakte zu beenden, sich zu entschuldigen oder eine Schwäche einzugestehen. Ziel ist dabei, sich weder selbstunsicher noch aggressiv, sondern angemessen und sozial kompetent zu verhalten.

Etablierte Trainings sind das Gruppentraining sozialer Kompetenzen von Hinsch und Pfingsten (2015) oder das Selbstsicherheitstraining von Ullrich und de Muynck (2008). Hier üben die Teilnehmenden ganz konkrete Problemsituationen in Rollenspielen, erhalten Feedback und führen die Übungen als Hausaufgaben auch in ihrem Alltag durch. Die Übungen finden meist in der Gruppe statt, können aber auch in der Einzeltherapie durchgeführt werden.

Ablauf eines Trainings

  • In einer kurzen Vorbesprechung wird eine konkrete Problemsituation einer Gruppenteilnehmerin oder eines Gruppenteilnehmers besprochen – zum Beispiel, den Wunsch zu äußern, bei der Arbeit kurzfristig einen Tag frei zu nehmen. Die oder der Klient*in soll die Situation, die damit verbundenen Gefühle und Gedanken und ihr oder sein Verhalten beschreiben.
  • Im Erstspiel wird die Situation im Rollenspiel nachgespielt, wobei andere aus der Gruppe die Rollenspielpartner sind. Die Gruppe beobachtet das sprachliche und nicht-sprachliche Verhalten der Klientin oder des Klienten.
  • Nach der Übung gibt sie Rückmeldung (Feedback) über positive Aspekte des Verhaltens und macht einige wenige Verbesserungsvorschläge. Das Rollenspiel kann auch auf Video aufgenommen und anschließend in der Gruppe besprochen werden.
  • Im Zweitspiel spielt die oder der Klient*in die Situation erneut durch und berücksichtigt dabei die Verbesserungsvorschläge. Es folgt ein zweites Feedback. Am Ende erhält die oder der Teilnehmer*in die Hausaufgabe, das geübte Verhalten in einer konkreten Situation im Alltag umzusetzen.
  • Insgesamt sollten die Betroffenen Aufgaben oder Situationen, in denen sie sich unsicher fühlen, nicht grundsätzlich vermeiden. Stattdessen sollten sie sich Strategien überlegen, wie sie die Situation bewältigen könnten. Anschließend sollten sie sich bewusst in die Situationen begeben und versuchen, mit ihr zurecht zu kommen. Das Erfolgserlebnis, dass man die Aufgabe oder Situation geschafft hat, kann das Selbstwertgefühl deutlich stärken und es motiviert zugleich, weitere Herausforderungen anzugehen. Auch von Gewohnheiten abzuweichen und neue Dinge auszuprobieren, kann den Selbstwert deutlich verbessern.
  • Wichtig ist es beispielsweise auch, positive soziale Kontakte aufzubauen und zu pflegen, statt sich allein Zuhause zurückzuziehen.
  • Manchmal fehlen den Betroffenen tatsächlich Fertigkeiten, die sie im Beruf oder in anderen Bereichen benötigen. Diese können sie jedoch in jedem Lebensalter noch erlernen, zum Beispiel in einer beruflichen Weiterbildung.
  • Die Klient*innen können üben, bewusst eine selbstsichere Körperhaltung einzunehmen, etwa bewusst aufrecht zu stehen, laut und deutlich zu sprechen, anderen in die Augen zu schauen und selbstsicher zu gestikulieren. Dies können sie vor dem Spiegel üben oder die Übungen auf Video aufnehmen und anschließend anschauen.
  • Über die eigenen Normen und Werte und die eigenen Ziele im Leben nachzudenken, kann dazu beitragen, mehr Verantwortung für sein Leben zu übernehmen. So kann man sich zum Beispiel bewusst machen, was einem im Leben wichtig ist und was einen glücklich macht. Außerdem kann man für sich selbst persönliche und berufliche Ziele und einen Lebenssinn definieren. Diese Ziele anzugehen, kann das Gefühl, Kontrolle über sein eigenes Leben zu haben und damit auch das Selbstwertgefühl stärken.

Selbsthilfe

Bei leichteren Beeinträchtigungen des Selbstwerts können Übungen im Alltag dazu beitragen, das Selbstwertgefühl zu stärken. Wichtig ist, die Übungen aktiv und regelmäßig durchzuführen, um spürbare Veränderungen zu erreichen. Viele der oben beschriebenen Übungen können Betroffene auch selbständig durchführen. Dazu gehören zum Beispiel Achtsamkeitsübungen, der Aufbau angenehmer Aktivitäten, eine bessere Selbstfürsorge, das Fokussieren auf die eigenen Stärken, Selbstermutigung und positives Feedback, Übungen zu einer selbstsicheren Körperhaltung oder Übungen aus dem Training sozialer Kompetenzen. Auf diese Weise lässt sich bewusst Einfluss darauf nehmen, wie man sich selbst sieht, was man über sich denkt und wie man auf Dinge im Leben reagiert.

Fazit

Das Selbstwertgefühl wird von einer Reihe unterschiedlicher Faktoren beeinflusst und stark durch Erlebnisse in der Kindheit und Jugend geprägt. Wichtig ist deshalb, dass Eltern, Lehrer:innen und andere Bezugspersonen bei Kindern und Jugendlichen ein gesundes Selbstwertgefühl fördern. Aber auch im späteren Alter ist es möglich, sein Selbstwertgefühl durch Übungen deutlich zu verbessern.