Selbstwertgefühl (Seite 3/7)

Welche Faktoren stärken das Selbstwertgefühl?

Gene, Umwelteinflüsse und Lebenserfahrungen prägen das Selbstwertgefühl

Experten gehen davon aus, dass das Selbstwertgefühl zum Teil genetisch und zum Teil durch Einflüsse aus der Umwelt und Erfahrungen im Lauf des Lebens bedingt ist.

Dabei wird das Bild, das jemand von sich selbst hat, stark durch Erfahrungen in der Kindheit und Jugend beeinflusst:

  • Einen wichtigen Einfluss hat die Qualität der Beziehungen zu nahestehenden Menschen. Dieser Einfluss ist bei jungen Kindern am stärksten und geht mit der Zeit etwas zurück.
  • Eine große Rolle spielen Urteile, Bewertungen und Rückmeldungen (Feedback) wichtiger Bezugspersonen wie Eltern, gleichaltriger Freunde oder Lehrer. Dabei sind auch nonverbale Reaktionen wie ein Gesichtsausdruck oder eine Geste von Bedeutung.
  • Zudem beobachten und bewerten Kinder ihr Verhalten und ihre Leistungen im Lauf der Entwicklung kontinuierlich selbst. Dabei können sie es mit ihrem früheren Verhalten oder mit dem Verhalten anderer Menschen oder Gruppen vergleichen. Besonders relevant für das Selbstwertgefühl sind Leistungen und Erfolge, die in persönlich wichtigen Bereichen erzielt werden und das Erreichen persönlich wichtiger Ziele.

Auf diese Weise kommen Kinder und Jugendliche mit der Zeit zu einer subjektiven Einschätzung von sich selbst. Man spricht auch von Grundannahmen über sich selbst, die in vielen Fällen nicht bewusst sind. Positive Grundannahmen wären zum Beispiel „Ich bin gut in der Schule“ oder „Ich habe viele Freunde“, negative Grundannahmen „Ich mache es nur wieder falsch“ oder „Die anderen mögen mich nicht“.

Welche Einflüsse tragen zu einem guten Selbstwert bei?

Eine Reihe von Bedingungen tragen zur Entwicklung eines gesunden Selbstwertgefühls bei:

  • Wichtig ist, dass die Eltern und andere wichtige Bezugspersonen dem Kind Liebe, Zuneigung und Wärme entgegenbringen und das Kind die Erfahrung macht, dass seine Bedürfnisse ernst genommen werden. Auf diese Weise kann es eine sichere Bindung aufbauen und Vertrauen entwickeln.
  • Ebenso wichtig ist, dass ein Kind von anderen Menschen Wertschätzung und Anerkennung erhält, so dass es die Überzeugung entwickeln kann, wertvoll zu sein. Wenn ein Kind im Lauf der Entwicklung wichtige Fähigkeiten lernt und Anforderungen bewältigen muss, sollten die Eltern es vertrauensvoll unterstützen und für Erfolge verstärken.
  • Günstig für den Selbstwert ist es, wenn ein Kind von anderen Kindern freundlich und respektvoll behandelt wird und wenn es in Gruppen, etwa in der Clique oder in der Schulklasse, das Gefühl hat, gemocht zu werden und dazu zugehören.
  • Günstig ist auch, wenn ein Kind sich mit wichtigen Bezugspersonen identifiziert, die selbst ein gutes Selbstwertgefühl haben.
  • Wenn ein kleines Kind die Erfahrung macht, dass es selbst Wirkungen erzielen kann, stärkt das seinen Selbstwert, vor allem, wenn dabei positive Gefühle auslöst werden. Werden die Kinder älter, spielen Erfolge und die eigene wahrgenommene Kompetenz eine wichtige Rolle für den Selbstwert. Dabei müssen Kinder und Jugendliche lernen, beim Vergleich mit anderen angemessene Maßstäbe zu wählen und konstruktiv mit Erfolgen und Misserfolgen umzugehen.
  • Positiv wirkt es sich auf den Selbstwert aus, wenn Kinder und Jugendliche selbständig Anforderungen bewältigen und Probleme lösen und so allmählich lernen, eigenständig zu handeln.
  • In der Jugend und im jungen Erwachsenenalter ist es wichtig, einen eigenen, befriedigenden Lebensentwurf zu entwickeln und Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.
  • In diesem Alter stärkt es außerdem den Selbstwert, wenn jemand enge Bindungen mit anderen Menschen eingehen und gleichzeitig ausreichend persönliche Freiheit bewahren kann.

Eher ungünstig ist dagegen eine Erziehung, die das Kind weitgehend gewähren lässt und wenig Grenzen setzt. Das kann zu Selbstüberschätzung und einem überhöhten Selbstwert beitragen, was für die Bewältigung von Lebensaufgaben eher problematisch ist.

Welche Faktoren tragen zu einem geringen Selbstwert bei?

Umgekehrt können verschiedene Gegebenheiten im Lauf der Entwicklung zu einem niedrigen Selbstwertgefühl beitragen:

  • Wenn ein Kind emotional oder körperlich vernachlässigt, misshandelt oder sexuell missbraucht wird. Auch im späteren Leben können Gewalt oder Mobbing in Beziehungen oder im Beruf das Selbstwertgefühl deutlich beeinträchtigen.
  • Wenn ein Kind autoritär erzogen oder stark behütet wird und ihm wenig eigener Spielraum gelassen wird.
  • Wenn jemand ständig Zurückweisung, Kritik oder abwertendes Verhalten erlebt oder das Gefühl hat, nicht gemocht zu werden.
  • Wenn jemand sich nicht zugehörig oder ausgegrenzt fühlt, vor allem in Gruppen, die ihm oder ihr persönlich wichtig sind.

Ein niedriges Selbstwertgefühl neigt dazu, niedrig zu bleiben. Das liegt an mehreren Faktoren:

  • Generell wollen Menschen ein stimmiges Bild von sich selbst beibehalten. Daher neigen sie dazu, Informationen, die nicht zur ihrem Selbstbild passen, auszublenden.
  • Menschen mit niedrigem Selbstwert haben negative Grundannahmen über sich selbst, die zu einer verzerrten Informationsverarbeitung führen. So richten sie ihre Aufmerksamkeit stärker auf ihre Schwächen als auf ihre Stärken. Sie denken und sprechen negativ über sich selbst und neigen dazu, Misserfolge auf ihre eigene Unfähigkeit und Erfolge auf Glück oder Zufall zurückzuführen. Bei einem Lob glauben sie, es sei nicht ernst gemeint. Auf diese Weise beeinflussen die negative Annahmen das Selbstbild stärker als tatsächliche Fähigkeiten oder Erfolge.
  • Die Betroffenen reagieren sensibel auf Bemerkungen oder das Verhalten anderer Menschen, etwa einen kritischen Kommentar, fehlende Anerkennung oder vermeintliche Zurückweisung. Das beeinträchtigt ihr Selbstwertgefühl weiter.
  • Menschen mit geringem Selbstwert trauen sich oft wenig zu und verhalten sich eher vorsichtig und konservativ. Zum Beispiel versuchen sie in sozialen Situationen, keine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken oder sie trauen sich nicht, etwas Neues auszuprobieren, etwa, sich für einen Job zu bewerben oder neue Freundschaften zu schließen. Dadurch schränken sie ihren Handlungsspielraum deutlich ein und erleben tatsächlich Misserfolge, was sich wiederum ungünstig auf den Selbstwert auswirkt.

Welche Rolle spielen Alter, Geschlecht und Bildung?

Untersuchungen haben gezeigt, dass das Selbstwertgefühl, gemittelt über eine große Zahl von Personen, im Lauf des Lebens einem typischen Verlauf folgt: Im Alter von vier bis 11 Jahren steigt es kontinuierlich an und bleibt anschließend bis zum Alter von 15 Jahren etwa gleich. Danach steigt es bis zum Alter von 30 Jahren deutlich und bis 60 Jahre weiterhin leicht an. Zwischen 60 und 70 Jahren bleibt es etwa gleich, anschließend geht es bis zum Alter von 90 Jahren leicht und danach deutlich zurück.

Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass Menschen im mittleren Lebensalter oft in Partnerschafts- und Familienbeziehungen leben und einen Beruf ausüben, was zu einem hohen Selbstwert beitragen könnte. Bei älteren Menschen nehmen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten und die sozialen Kontaktmöglichkeiten allmählich ab, was den Rückgang des Selbstwertgefühls in diesem Alter erklären könnte.

Bei Übergängen in neue Lebensphasen, insbesondere in der Pubertät, in der die Jugendlichen eine eigene Identität suchen, kommt es häufig zu Veränderungen des Selbstwertgefühls und auch zu Selbstzweifeln. Allerdings kann sich der Selbstwert auch im Erwachsenenalter verändern. Dabei spielen vor allem Erfolge und Misserfolge im Beruf und im Privatleben eine Rolle.

Außerdem haben Studien ergeben, dass Menschen mit höherer Bildung in jedem Lebensalter ein höheres Selbstwertgefühl haben als solche mit geringerer Bildung. Zwischen Männern und Frauen ließen sich dagegen keine Unterschiede im Selbstwertgefühl beobachten.

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