Prokrastination (Seite 4/5)
Strategien zur Überwindung prokrastinierenden Verhaltens
Die psychologischen und situativen Hintergründe von Prokrastination zu kennen, ist der erste Schritt, um das eigene Verhalten zu ändern.
Es gibt mehrere bewährte Strategien, um das Aufschieben wieder zu verlernen. Ein erster Schritt ist, den eigenen Tagesablauf zu strukturieren und Prioritäten zu setzen. Die gesteckten Ziele sollten realistisch und erreichbar sein. Außerdem ist es wichtig, Ablenkungen zu minimieren und eine angenehme Arbeitsumgebung zu schaffen.
Pomodoro-Technik
Die Pomodoro-Technik ist ein gutes Beispiel für ein Zeitmanagement-Tool, das hilft, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Der damalige Student Francesco Cirillo entwickelte diese Technik Ende der 1980er Jahre, weil er Schwierigkeiten hatte, sich auf sein Studium zu konzentrieren. Er fühlte sich von seinen akademischen Aufgaben überfordert und nahm sich deshalb vor, nur 10 Minuten für konzentriertes Lernen aufzuwenden. Eine Eieruhr in Tomatenform gab der Technik übrigens den Namen. Pomodoro kommt aus dem Italienischen und heißt auf Deutsch Tomate.
- Besorgen Sie sich eine To-do-Liste und einen Timer.
- Stellen Sie Ihren Timer auf 25 Minuten ein und konzentrieren Sie sich auf eine einzige Aufgabe, bis der Timer klingelt.
- Sobald Ihre Sitzung beendet ist, haken Sie einen Pomodoro (Arbeitseinheit) ab und erfassen Sie, was Sie erledigt haben.
- Gönnen Sie sich dann eine fünfminütige Pause.
- Machen Sie nach vier Pomodori eine längere Erholungspause von 15 bis 30 Minuten.
Die 25-minütigen Arbeitssprints sind der Kern der Methode, aber zusätzlich gibt es noch drei Regeln, um das Beste aus jedem Intervall herauszuholen:
- Breche komplexe Projekte auf. Wenn eine Aufgabe mehr als vier Pomodori erfordert, muss sie in kleinere, umsetzbare Schritte unterteilt werden. Wenn Sie sich an diese Regel halten, sorgen Sie dafür, dass Sie bei Ihren Projekten deutliche Fortschritte machen.
- Kleine Aufgaben gehören zusammen. Alle Aufgaben, die weniger als einen Pomodoro benötigen, sollten mit anderen einfachen Aufgaben kombiniert werden.
- Sobald ein Pomodoro eingestellt ist, muss er auch klingeln. Ein Pomodoro ist eine unteilbare Zeiteinheit und kann nicht unterbrochen werden, insbesondere nicht, um eingehende E-Mails, Teamchats oder Textnachrichten zu überprüfen. Alle Ideen, Aufgaben oder Anfragen, die während eines Pomodoros auftauchen, sollen lieber notiert werden, um später darauf zurückzukommen.
Sollten Sie einmal unterbrochen werden, machen Sie eine fünfminütige Pause und fangen von vorne an. Cirillo empfiehlt, dass Sie (interne und externe) Unterbrechungen erfassen, sobald sie auftreten und darüber nachdenken, wie Sie sie in Ihrer nächsten Sitzung vermeiden können.
Diese Regel gilt auch dann, wenn Sie Ihre Aufgabe vor Ablauf des Timers beenden. Zum Beispiel können Sie die zusätzliche Zeit damit verbringen, Fachzeitschriften zu lesen oder Networking-Möglichkeiten zu recherchieren.
Eisenhower-Prinzip
Mit dem Eisenhower-Prinzip bewertet man seine Aufgaben mithilfe der Aspekte Wichtigkeit und Dringlichkeit. Auch wenn einige Aufgaben sehr wichtig sind, müssen nicht alle dringend erledigt werden. Auch wenn Ihnen die Hausarbeit und die nächste Prüfung wichtig erscheinen, könnte das Fertigstellen der Hausarbeit, die in der kommenden Woche abgegeben werden muss, dringender sein als der Klausurtermin in zwei Monaten.
A-Priorität – wichtig und dringend
Welche Aufgaben sind sehr wichtig und müssen dringend schnellstmöglich bearbeitet werden? Steht die Abgabe der Hausarbeit kurz bevor und Ihnen fehlen noch der Schlussteil und der Anhang? Aufgaben, die Ihre unmittelbare Aufmerksamkeit, Konzentration und Energie erfordern, sollten Sie mit einem A kennzeichnen.
B-Priorität – wichtig, aber nicht dringend
Welche Aufgaben sind wichtig, aber müssen nicht dringend erledigt werden? Machen Sie sich Gedanken über die Prüfung, die in zwei Monaten stattfindet und gleichzeitig haben Sie die unfertige Hausarbeit, die am Ende der Woche abgegeben werden muss auf dem Schreibtisch liegen? Bei gleich wichtigen Aufgaben ist die Dringlichkeit entscheidend. In diesem Falle empfiehlt es sich, den Fokus auf die Fertigstellung der Hausarbeit zu legen, bevor man mit der Prüfungsvorbereitung beginnt. Das Zusammenfassen der Vorlesungsunterlagen zur Prüfungsvorbereitung kann in diesem Falle mit einem B gekennzeichnet werden.
C-Priorität – nicht wichtig, aber dringend
Manchmal hat man auf der To-Do-Liste auch Aufgaben stehen, die einen nicht an das große Ziel wie Prüfungen und Hausarbeiten bringen, aber dennoch erledigt werden müssen. Aufgaben, die nicht so wichtig, aber dringend sind, könnten zum Beispiel das Besorgen eines Geburtstagsgeschenks sein. Solche Aufgaben können unter Umständen an Familienmitglieder, Freunde und Kommiliton:innen abgegeben werden oder man terminiert sie zu Randzeiten. Solche Aufgaben können mit einem C markiert werden.
D-Priorität – nicht wichtig und nicht dringend
Aufgaben, die weder wichtig noch dringend sind, können gestrichen werden oder auf einen Zeitpunkt verschoben werden, in dem Sie wieder etwas mehr Zeit haben. Dennoch können eher unwichtige Aufgaben, die nicht viel Energie, Konzentration und Zeit erfordern, auch zwischendurch als kurze Pause von sehr komplexen wichtigen Aufgaben eingeschoben werden, um Ihr Gehirn zu entlasten.
Das sogenannte Eisenhower-Prinzip ist eine in der Ratgeberliteratur oft referenzierte Möglichkeit, anstehende Aufgaben in Kategorien einzuteilen. Dadurch sollen die wichtigsten Aufgaben zuerst erledigt und unwichtige Dinge aussortiert werden.
Es gibt keine Hinweise darauf, dass der namensgebende US-Präsident Dwight D. Eisenhower sie selbst praktiziert oder gelehrt hat. Der Bezug auf Eisenhower geht vielmehr auf eine Rede zurück, in der er 1954 einen ungenannten früheren Hochschulpräsidenten folgendermaßen zitierte: „I have two kinds of problems, the urgent and the important. The urgent are not important, and the important are never urgent.” (Auf Deutsch: Ich habe zwei Arten von Problemen, dringende und wichtige, die dringenden sind nicht wichtig und die wichtigen sind niemals dringend.)
Dieses Prinzip wird heutzutage gelegentlich kritisch betrachtet, da ein gutes Zeitmanagement gerade verhindern soll, dass Aufgaben sich als dringende in den Vordergrund schieben. Die Priorisierung und Einteilung der Aufgaben wird demzufolge vorwiegend nach dem Kriterium Wichtigkeit vorgenommen.
Situationskontrolle, Motivationskontrolle und Emotionskontrolle
Um Prokrastination dauerhaft zu überwinden, ist es wichtig, Motivation aufzubauen und aufrechtzuerhalten. Dazu gehört es, den eigenen Fortschritt sichtbar zu machen, beispielsweise durch To-Do-Listen oder Erfolgstagebücher. Auch Belohnungen nach erledigten Aufgaben können motivierend wirken. Sich mit Gleichgesinnten auszutauschen oder auch professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, kann zusätzlich unterstützend sein.
Eine positive Einstellung ist essenziell, um Prokrastination zu bekämpfen. Selbstgespräche und Affirmationen können das Selbstbild stärken und dazu beitragen, negative Gedankenmuster zu durchbrechen. Wer an sich glaubt und sich seiner Fähigkeiten bewusst ist, kann Hemmnisse leichter überwinden und sich effektiver den bevorstehenden Aufgaben widmen.
Neigt man auch noch im Erwachsenenalter zur Prokrastination, heißt das aber nicht, dass alles verloren ist. Wichtig ist, dem eigenen Gehirn wieder zu beweisen, dass verspätete Belohnung erstrebenswerter sein kann als sofortige Befriedigung. Der Psychologe Job nennt konkret drei Strategien, mit denen man sich die schlechte Angewohnheit abgewöhnen kann: Situationskontrolle, Motivationskontrolle und Emotionskontrolle.
Bei der Situationskontrolle überprüft man, was man im eigenen Umfeld selbst beeinflussen kann. Lenkt das Handy oft ab, dann könnte man es zeitweise wegsperren. Kann man sich zu Hause generell nicht gut konzentrieren, geht man etwa zum Lernen in die Bibliothek.
Motivationskontrolle bedeutet, die eigene Motivation zu steigern, indem man sich etwa selbst belohnt. Man kann die Aufgabe in kleinere Aufgaben einteilen, die einfacher zu erledigen sind. Oder man gönnt sich nach jedem geschafften Abschnitt eine kleine Pause. Auch eine Zukunftsvisualisierung hilft: Man macht sich bewusst, wofür man diese Aufgabe erledigt und wie man von der Erfüllung dieser Aufgabe profitieren wird.
Bei der Emotionskontrolle schließlich geht es um die emotionale Stimmung, die man braucht, um ein Projekt anzufangen. Wer sich in eine positive Stimmung versetzt, kann sich besser zu einer Handlung motivieren, zum Beispiel mit motivierender Musik oder wenn man einen entspannten Nachmittag mit Freudinnen und Freunden einplant. Danach ist man mental besser vorbereitet auf alles, was kommen kann.
Selbsthilfegruppe bietet Co-Working-Teams und offenen Austausch
Selbsthilfegruppen oder Co-Working-Teams, in denen feste Tagesrhythmen und Arbeitszeiten verabredet werden, um diese dann im Alltag miteinander durchzuhalten und ein neues Arbeitsverhalten zu trainieren, können eine gute Unterstützung gegen das Aufschieben sein. Der Online-Gruppe Prokrastination-Verschiebestörung beispielsweise, die Carsten Bartning vor vielen Jahren gegründet hat, weil er selbst betroffen war, kann jeder beitreten.
www.mittelhof.org/angebote/prokrastination-verschiebestorung/
Verhaltenstherapie
Kognitive Verhaltenstherapie hat sich als erfolgreich in der Behandlung von Prokrastination bewiesen.