Perfektionismus (Seite 3/7)
Wie lässt sich belastender Perfektionismus überwinden?
Der wichtigste Schritt ist die Selbsterkenntnis. Ob nun über die Rückmeldungen von der Familie, Freunden oder Kollegen oder über einen Selbsttest: Wer anerkennt, dass er bereits in die Perfektionismusfalle getappt ist, hat Chancen, aus ihr wieder herauszukommen.
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die je nach Persönlichkeit Unterstützung auf dem Weg einer Verhaltensveränderung bieten.
Den Alltag überprüfen
Die Psychotherapeutische Beratungsstelle der Johannes Gutenberg-Universität Mainz hat Tipps zusammengestellt:
- Vor- und Nachteile klarmachen: Was sind die Nachteile, die der Perfektionismus in meinem Fall bringt? Und welche Vorteile hat er?
- Grenzen anerkennen: Wann überlasten mich zu hohe Ansprüche? Ab welchem Punkt war die Grenze überschritten und woran lag das?
- Flexible Standards: Daran denken, dass je nach Situation und Auslastung ein verschieden hohes Maß an Perfektion möglich sein kann.
- Was würden Sie einem Freund raten? Wäre ein Nicht-Erfüllen der Standards wirklich ein Versagen? Wie würden Sie das einstufen, wenn es nicht um Sie selbst, sondern um jemand anderes geht?
- Experimente machen: Testen Sie in verschiedenen Situationen, wie es Ihnen damit geht, die Standards einmal ein wenig zu senken.
- Keine Eile: Sich anders zu verhalten (etwa geringere Standards zu setzen) fühlt sich zuerst komisch an. Nicht gleich nach dem ersten Versuch ein Urteil fällen, wenn es vielleicht nicht gleich geklappt hat.
- Belohnungen: Schritte in die richtige Richtung mit kleinen Belohnungen feiern.
- Nicht immer nur „Muss“, sondern auch „Genuss“: Erinnern Sie sich daran, warum Sie manche Dinge gerne tun. Das kann den Leistungsdruck senken.
- Wenn das Essverhalten anders ist, können Sie einen Test dazu machen.
- Ob Sie depressiv sein könnten, können Sie in wenigen Minuten testen.
Der Psychologe Nils Spitzer rät dazu, das Selbstmitgefühl als Ziel zu nehmen. Dorthin führen verschiedene Wege, jedoch sei dies der Schlüssel, um Zufriedenheit mit der eigenen Persönlichkeit dauerhaft leben zu können, ohne Leistung von sich abzufordern.
Psychotherapie
In klinischen Studien wird (dysfunktionaler) Perfektionismus mit Störungsbildern wie Alkoholismus, Depression, Angststörungen und Zwangsstörungen, sexuellen Funktionsstörungen, Essstörungen, Schlaflosigkeit, sozialer Phobie sowie Suizidgedanken in Verbindung gebracht. Wenn Sie Gedanken an Suizid haben, rufen Sie bitte bei der Telefonseelsorge an, nutzen die Chat-Funktion oder informieren Sie Ihren Hausarzt oder eine Vertrauensperson. Alle hier genannten Symptome oder Krankheitsbilder bedürfen der professionellen Hilfe.
Über Ihren Hausarzt bekommen Sie Empfehlungen für die passende professionelle Unterstützung. Sie können natürlich auch die Online Therapeutensuche nutzen.
Da Perfektionismus verschiedene Ursachen haben kann, kommt es auf die persönliche Geschichte an. Grundsätzlich sind beispielsweise folgende Therapierichtungen sinnvoll:
Selbsthilfegruppen, Coaching und Seelsorge
Je nach Persönlichkeit können Ihnen Einzelangebote oder Gruppenformen weiterhelfen. Es hilft, von anderen zu erfahren, wo sie in ihrem Alltag scheitern und wie sie damit umgehen. Wenn Sie jedoch die Muster der Herkunft Ihres Perfektionismus ergründen wollen, kann auch eine längerfristige Seelsorge oder ein Coaching mit mehreren Sitzungen hilfreich sein.