Perfektionismus (Seite 2/7)

Formen von Perfektionismus

Perfektionismus ist ein vielschichtiges Phänomen, das unter ganz verschiedenen Aspekten erklärt und eingeordnet werden kann.

Von Perfektionismus betroffene Menschen erleben diesen in ihrem Alltag selten nur in einer einzigen der im Folgenden vorgestellten Ausprägungen, sondern häufig verschiedene Formen davon in einer bunten Mischung.

Perfektionismus nach Nils Spitzer

Einer der vielen Forscher, die sich aktuell mit Perfektionismus auseinandersetzen, ist der Psychotherapeut Nils Spitzer. Er unterscheidet in seinem Werk „Perfektionismus und seine vielfältigen psychischen Folgen“ drei große Formen des Perfektionismus. Diese unterscheiden sich darin, woher die perfektionistischen Standards kommen und an wen sie sich richten.

Selbstgerichteter Perfektionismus

Die von sich selbst verlangten Standards sind enorm hoch.

Sozialer Perfektionismus

Die hohen Standards werden als ständige Erwartungen aus dem sozialen Umfeld wahrgenommen.

Außengerichteter Perfektionismus

Man hat sehr hohe Erwartungen an das eigene Umfeld (Familie, Freunde oder Beruf) und zeigt deutlich, dass eine Missachtung der Standards inakzeptabel ist.

Nils Spitzer bringt es in einem seiner Vorträge auf den Punkt: „Im Kern bedeutet Perfektionismus ein Streben nach Vollkommenheit, nach dem Besten, dem Maximalen.“ Er fragt: „Kann nun dieses Streben nach Perfektion selbst zu einer Obsession, einer Besessenheit werden?“ Weiter konkretisiert er Perfektionismus als ein „dysfunktionales Streben von Menschen nach hohen Standards, letztlich nach Vollkommenheit“.

Damit zeige sich, dass der Drang zum perfekten Leben eben genau das Leben nicht nur schwer machen, sondern in der letzten Konsequenz auch zerstören kann.

Funktionaler und dysfunktionaler Perfektionismus

Ein Blog-Artikel der Oberberg-Kliniken beleuchtet Perfektionismus unter dem Gesichtspunkt der Funktionalität.

Funktionaler Perfektionismus

Diese Form des Perfektionismus ist bei Personen zu finden, die ihr Bestes geben, sich intensiv bemühen und an hohen Leistungen orientiert sind. Sollte die angestrebte Leistung jedoch nicht vollständig erreicht werden, so können sie dies akzeptieren und verlieren sich nicht in negativen Emotionen oder einer übertriebenen gedanklichen Beschäftigung mit dem vermeintlichen Misserfolg. Schaffen sie es, die gewünschte hohe Leistung zu zeigen, freuen sie sich und empfinden Stolz.

Dysfunktionaler Perfektionismus

Er ist gekennzeichnet durch eine perfektionistische Besorgnis. Wird das hochgesteckte Ziel nicht erreicht, so neigen dysfunktionale Perfektionisten dazu, sich ausschließlich mit den Problemen ihrer Leistung zu beschäftigen. Ihr Selbstwert ist stark mit ihrer Leistung verknüpft, sie empfinden keine bedingungslose Wertschätzung sich selbst gegenüber und gehen häufig davon aus, dass auch andere so für sie empfinden. Darum versuchen sie, durch Spitzenleistung Anerkennung zu erfahren und machen ihren Selbstwert häufig vom Urteil anderer abhängig.

Aktiver und passiver Perfektionismus als Unterformen des dysfunktionalen Perfektionismus

Der dysfunktionale Perfektionismus wird in zwei Arten unterteilt:

Passiver Perfektionismus

Versagensangst oder die Angst zu scheitern und einen Fehler zu machen. Betroffene prokrastinieren zum Beispiel gerne, das heißt, sie putzen erst einmal die Wohnung, ehe sie eine komplexe Aufgabe wie die Steuererklärung angehen. Prokrastination kommt aus dem Lateinischen „procrastinare“ und bedeutet aufschieben oder auf Morgen verschieben. Dieses Aufschiebeverhalten, also anstehende berufliche oder private Pflichten durch Ersatztätigkeiten hinauszuzögern, ist eine Verhaltensstörung und kann sowohl private Alltagsaktivitäten als auch schulische oder berufliche Tätigkeiten betreffen.

Aktiver Perfektionismus

Ein extremer Tatendrang und eine sehr hohe Ambition bei der Verfolgung von Zielen.