Perfektionismus (Seite 4/7)
Weihnachtswahnsinn oder „Stille Nacht“
Mitten im Advent überschlagen sich die Ereignisse. Im Arbeitsleben sollen in drei Arbeitswochen statt vier – weil „zwischen den Jahren“ eigentlich nichts vorwärtsgeht – beispielsweise alle Projekte und das Budget 2024 abgeschlossen werden. Eine Weihnachtsfeier jagt die nächste.
In der Schule werden noch Tests in allen Fächern geschrieben, die Weihnachtskonzerte und musikalischen Gastspiele in Gottesdiensten werden auch noch obendrauf gelegt. Und neben den Weihnachtsmarktbesuchen und Konzerten wird außerdem das Feiertagsprogramm vorbereitet.
Erstaunlicherweise geht ab der zweiten Januarwoche das Leben wieder deutlich entspannter mit weniger Druck weiter. Wie schon der bayerische Komödiant Karl Valentin augenzwinkernd bemerkte, wird es im Leben erst ruhiger, wenn die „stade Zeit“ vorüber ist.
Wie kommen wir in der Vorbereitung des häufig als größtes und wichtigstes empfundenen Familienfestes miteinander klar? Auch in diesem Fall währt Ehrlichkeit am längsten. Vorausschauende Kommunikation von Erwartungen und Bedürfnissen bietet die Chance auf ein respektvolles Miteinander.
Tipps für eine freudvollere und entspanntere Weihnachtszeit
Fragen Sie sich und Ihre Lieben frühzeitig: „Was ist mir, was ist dir in der Weihnachtszeit wirklich wichtig?“
- Ist es Zeit mit der Familie?
- Sind es Mußestunden allein oder im kleinen Kreis?
- Backen Sie eigentlich gerne oder tun es auch mal nur zwei anstatt zehn Plätzchensorten? Auch gekaufte Ware bringt Genuss.
- Ist an Heiligabend der Kirchgang mit Krippenspiel nachmittags ein notwendiger Programmpunkt oder sind die gebotenen Alternativen der nächtlichen Christmette oder Gottesdienste an den beiden Weihnachtsfeiertagen nicht deutlich entspannter?
- Ist die Familientradition eigentlich noch brauchbar für das heutige Leben, wo die Hälfte der Familie über ganz Europa verstreut ist?
- Muss es das Festtagsmenü mit fünf Gängen sein, für das Sie den halben Tag in der Küche stehen und alle zu viel essen werden, oder geht es auch „schlanker“? Wäre Essengehen auch eine Alternative? Buchen Sie dafür rechtzeitig den Tisch.
Prüfen Sie Ihre innere Stimme, ob drei Tage Familie am Stück, wirklich das Richtige ist, vor allem wenn man sich sonst im Jahr kaum sieht. Wenn Sie in einer Partnerschaft leben und es zwei Herkunftsfamilien gibt, die besucht werden wollen, sprechen Sie rechtzeitig vorher miteinander.
Planen Sie gerade in diesen logistisch bewegten Zeiten lieber eine Reise weniger und erinnern Sie sich daran, dass es rund um Weihnachten unglaublich viel Verkehr bei Schmuddelwetter gibt.
Laden Sie doch einfach einmal Ihre Eltern zu sich ein und buchen vorher ein Hotel, damit Sie von den Gastgeberaufgaben entbunden sind.
Fragen Sie sich alle gemeinsam, ob Familientreffen beispielsweise auch an Heilig-Drei-König, das bekanntermaßen auch noch zur offiziellen Weihnachtszeit gehört, entspannter ausgerichtet werden können.
Wenn Sie sich als Familie mit vielen Familienmitgliedern treffen, planen Sie auch Zeit für sich selbst oder Spaziergänge in kleineren Gruppen. Bieten Sie Kindern Schutzräume zum Spielen sowie Toben und ziehen Sie Ihre Schützlinge am besten nicht von einem Ort zum andern. Ein gutes Buch oder ein Film kann Entspannung bringen.
Oft kehrt man zur Weihnachtszeit in den Heimatort zurück. Teilen Sie Ihrer Familie vorab mit, dass Sie gerne auch Ihre Schulfreunde sehen möchten. Das bietet gerade der älteren Generation am Abend auch Pausen zum Durchatmen.
Falls Sie miteinander die Feiertage verbringen, teilen Sie die Aufgaben auf, nachdem Sie geprüft haben, welche Tradition wirklich am Leben erhalten werden sollte. Wenn der Weihnachtsbaum eine zeitliche Herausforderung ist, belassen Sie es doch einfach bei einem gekauften Adventskranz. Kinder helfen meistens gerne beim Kochen oder Backen, die gemeinsame „quality time“ ist viel mehr wert als die perfekte Sachertorte.
Wenn die Familienstruktur bekanntermaßen mühsam ist, laden Sie gute Freunde ein, um die Kommunikationsstrukturen aufzubrechen. So wird beispielsweise der anstrengende Onkel mit den immer gleichen Erzählungen zur Nebenfigur, weil die eingeladene Freundin ein spannendes Leben mit vielen neuen Geschichten einbringt.
Geschenke sind Ausdruck von Zuneigung und eine Form der „Sprache der Liebe“. Fragen Sie sich vorher, ob Sie sich gegenseitig etwas schenken wollen, oder ob es lieber nicht unter dem Jahr mal spontane aufmerksame Gesten sein dürfen. Legen Sie die Wertgrenze fest oder geben Sie das Geld in eine gemeinsame Kasse für einen Familienausflug zu weniger stressigen Zeiten. Wenn Sie keine Lust auf die zehnte Krawatte oder das Paar Wollsocken haben, äußern Sie von sich aus Wünsche, die bezahlbar sind.
Wenn Sie das Schreiben von Weihnachtspost endgültig überfordern würde, nehmen Sie sich Neujahrsgrüße, die noch im Januar verschickt werden können, vor, falls Sie den Brauch ehrlich aufrechterhalten wollen.
Bleiben Sie bei sich und überdenken Sie Traditionen. Entscheiden Sie sich dann bewusst für die Weihnachtszeit, die zu Ihnen passt. Lassen Sie sich von der Botschaft des Festes inspirieren: Es ist das Fest der unbedingten Liebe.