Helfersyndrom (Seite 2/3)

Helfersyndrom hat oft negative Auswirkungen

Helfende und Hilfeempfänger leiden, wenn Helfen zum Selbstzweck wird

Beim Helfersyndrom wird das Helfen zum Selbstzweck mit möglichen negativen Auswirkungen sowohl für den Helfenden als auch für die Empfänger der Hilfe. Für die Überwindung des Helfersyndroms ist Selbstreflexion über die eigenen Motive notwendig und hilfreich. In vielen Fällen kann eine Psychotherapie gute Unterstützung bei der Überwindung leisten.

Ungünstige Auswirkungen für Helfende und Hilfsempfänger

Der Helfende „braucht“ das Helfen und ist quasi davon „abhängig“, weil er sich sonst nicht wertvoll fühlen kann und psychisch aus dem Gleichgewicht geraten würde.

Die Betroffenen vernachlässigen dabei jedoch ihre eigenen Wünsche, Bedürfnisse und körperlichen Grenzen und oft auch nahestehende Menschen wie Partner oder Familie stark. Dadurch schaden sie sich letztlich selbst. Mit der Zeit fühlen sie sich erschöpft und oft auch ausgenutzt und missbraucht. Manche Betroffenen helfen anderen auf eine Art, die für sie selbst riskant ist: Zum Beispiel leihen sie anderen größere Summen Geld, übernehmen für sie eine Bürgschaft oder melden deren Auto oder Handy auf ihren Namen an.

Besonders problematisch ist, dass Menschen mit einem Helfersyndrom durch ihre ständige Hilfe Anerkennung und Dankbarkeit bekommen möchten. Es kann jedoch sein, dass der Empfänger die Hilfe gar nicht möchte oder sie irgendwann als selbstverständlich ansieht – und der Helfende dann nicht die Anerkennung und Dankbarkeit bekommt, die er sich wünscht. Das kann dazu führen, dass ein Teufelskreis entsteht und der Betroffene sich immer stärker aufopfert. Es kann aber auch sein, dass er irgendwann enttäuscht und frustriert ist und mit Vorwürfen und Bitterkeit reagiert.

Häufig entwickeln Menschen mit einem Helfersyndrom als Folge der ständigen Belastungen psychische Erkrankungen wie Depressionen, Angststörungen, Burnout, psychosomatische Störungen oder eine Sucht. Obwohl das Helfersyndrom psychisch belastend ist, ist es jedoch keine eigenständige Diagnose in psychiatrischen Diagnose-Systemen wie der ICD-10 oder dem DSM.

Durch das ständige Helfen kann es zu einer ungünstigen emotionalen Abhängigkeit zwischen Helfer und Hilfsempfänger kommen: Der Hilfsbedürftige glaubt, vom Helfenden abhängig zu sein und ohne ihn nicht zurecht zu kommen. Der Helfende wiederum ist von der Anerkennung des Hilfsbedürftigen und dem Gefühl, gebraucht zu werden, abhängig. Es kann auch sein, dass er diesen durch seine Hilfe unbewusst in einer Abhängigkeit hält.

Günstiger wäre es stattdessen, wenn der Hilfsbedürftige mehr „Hilfe zur Selbsthilfe“ bekäme und so seine eigenen Fähigkeiten verbessern, Dinge selbst in die Hand nehmen bzw. Probleme selbst lösen könnte. Dadurch könnte er mehr Selbständigkeit erlangen und wäre weniger auf die Hilfe anderer angewiesen.

Überwindung eines Helfersyndroms

Der erste Schritt, um ein Helfersyndrom zu überwinden, ist, zu erkennen und zu akzeptieren, dass man sich über ein gesundes Maß hinausgehend für andere einsetzt und dabei eigene Bedürfnisse, Wünsche und Ziele deutlich vernachlässigt. Außerdem müssen die Betroffenen erkennen und akzeptieren, dass sie im Grunde aus eigennützigen Motiven helfen, nämlich, um ihr Selbstwertgefühl zu stärken und um Anerkennung und Zuneigung zu erhalten. Sich dies einzugestehen, fällt vielen nicht leicht.

Im nächsten Schritt ist es wichtig, herauszufinden, woher das übermäßige Bedürfnis, anderen zu helfen, kommt. Anschließend können die Betroffenen lernen, ihr Bedürfnis nach einem guten Selbstwertgefühl auf andere Weise zu befriedigen und sich als wertvoller Mensch zu fühlen, ohne ständig für andere da zu sein. Ziel ist es, ein gutes Gleichgewicht zwischen eigenen Bedürfnissen und den Bedürfnissen anderer zu finden, um so Überlastung, Erschöpfung und psychischen Erkrankungen vorzubeugen.

Wichtig ist dabei auch, dass die Betroffenen lernen, „nein“ zu sagen – zum einen, wenn andere sie um Unterstützung bitten, zum anderen auch zu sich selbst, wenn sie helfen möchten, ohne dass jemand sie darum gebeten hat. Um allmählich vom übermäßigen Helferverhalten wegzukommen, können sie kleine Experimente zu machen. Zum Beispiel können sie ausprobieren, anderen nicht zu helfen oder ein Gespräch, in dem jemand nur über seine Sorgen spricht, schneller beenden. Dabei können sie die Gefühle, die bei ihnen aufkommen, beobachten und zulassen.

Weiterhin können Menschen mit einem Helfersyndrom lernen, sich selbst etwas Gutes zu tun. Durch regelmäßige Entspannungsübungen, Sport oder Auszeiten, in denen sie sich bewusst etwas gönnen, können sie Stress abbauen, neue Energie tanken und zugleich lernen, ihre eigenen Bedürfnisse besser wahrzunehmen und zu beachten.

Oft ist eine Psychotherapie sinnvoll

Auch wenn es den Betroffenen schwer fällt, Hilfe anzunehmen: In vielen Fällen ist für sie eine psychotherapeutische Behandlung sinnvoll. In einer Psychotherapie geht es zunächst darum, die Ursachen des übermäßigen Helfens zu erkennen und zu verstehen. Anschließend lernen die Betroffenen, eigene Wünsche, Bedürfnisse und Ziele zu erkennen und erfahren, wie sie sich selbstbewusst und wertvoll fühlen können, ohne ständig etwas für andere zu tun.