Gesund durch Krisen (Seite 4/6)
Erste Hilfe in Krisen
Konstruktiver mit Krisen umgehen
René Träder beschäftigt sich als Psychologe und Journalist mit Resilienz. In seinem Buch „Das Leben so: Nein! Ich so: Doch!” gibt er Tipps, wie man besser mit Stress, Krisen und Schicksalsschlägen umgeht. Einige der Tipps sind seinem Buch entnommen.
Über Ängste reden
Die Angst mit anderen Betroffenen und Freunden teilen: Meistens gibt es mindestens einen anderen Menschen, dem es genauso geht. Es ist ein erster wichtiger Schritt, sich mitzuteilen. Über die eigenen Ängste und Sorgen zu sprechen, kann helfen, sich nicht schuldig für bestimmte Krisen oder den Klimawandel zu fühlen.
Medienkonsum einschränken
Wer sich ständig mit schlechten Nachrichten beschäftigt, beeinträchtigt seine Fähigkeit, lösungsorientiert zu denken.
Durch das Smartphone, die sozialen Medien und Eilmeldungen sind viele Menschen ständig mit Nachrichten konfrontiert. Doch wenn wir stets über die großen Probleme grübeln, beeinträchtigen wir unsere Fähigkeit, rational und lösungsorientiert zu denken.
Wer sich am Abend lieber nicht mehr mit den Nachrichten befassen will, muss kein schlechtes Gewissen haben. Am besten ist es nur einmal am Tag die Nachrichten anzuschauen. Dann bekommt man auch alles mit und bleibt handlungsfähig, weil man nicht permanent angespannt ist.
Zudem ist es ratsam, sich unmittelbar vor dem Schlafengehen nicht mehr mit Nachrichten zu beschäftigen.
Perspektivwechsel
Wichtig ist es, sich nicht von Ängsten und spontanen Reaktionen leiten zu lassen, sondern auch einmal die eigene Perspektive zu wechseln. Welche entlastenden Argumente gibt es eigentlich, wenn man das Thema von der anderen Seite betrachtet? Das wird wahrscheinlich nicht sofort dazu beitragen, dass sich alle Ängste und Sorgen verflüchtigen, aber man geht vielleicht angemessener mit ihnen um.
Gefahren realistisch einschätzen
Ein veränderter Medienkonsum kann helfen, die Gefahren realistischer einzuschätzen. Häufig schätzen Menschen die Welt falsch ein. So hatten nach dem Anschlag auf dem Berliner Breitscheidplatz im Jahr 2016 viele Menschen Angst, auf Weihnachtsmärkten Opfer eines Terroranschlags zu werden. Dass die Wahrscheinlichkeit für einzelne Personen statistisch gesehen sehr gering ist, änderte diesen Umstand nicht.
Als die große mediale Aufmerksamkeit für Terroranschläge auf Weihnachtsmärkten in den kommenden Jahren nachließ, verschwand diese Angst bei vielen Menschen wieder. Es ist daher ratsam, die konkrete Gefahr für sich selbst möglichst realistisch einzuschätzen.
Um etwa die konkrete Bedrohung für Deutschland durch den Krieg auf die Ukraine für sich besser einordnen zu können, hilft vielleicht ein Fachartikel mit der Einschätzung eines neutralen Experten.
Neben dem Lesen von Fachartikeln können auch Sachbücher dazu beitragen, die Faktenlage hinter einseitigen, alarmistischen oder gar extrem(istisch)en, also häufig beängstigenden Einstellungen und Eilmeldungen oder Tweets besser zu verstehen und so das Problem realistischer einordnen zu können. Auch lassen sich mittels Fachlektüre alternative und bislang unbekannte Lösungsansätze kennenlernen und somit einem vermeintlichen Schreckensszenario ein wenig den Schrecken nehmen.
Raus aus der Opferrolle
Ein entscheidender Faktor ist es, sich nicht mehr als Opfer zu verstehen. Je länger man darin verharrt, desto handlungsunfähiger wird man. Viele empfinden sich aktuell als Opfer von Politik und Wirtschaft. Auch wenn das verständlich ist, bringt es nicht weiter. Besser ist es zu erkennen, was man selbst aktiv in seinem Leben verändern kann, dass es einem besser geht.
Bei psychischen Problemen beispielsweise kann man Hilfe suchen. Wer finanzielle Schwierigkeiten hat, kann vielleicht bei Freunden oder Verwandten Unterstützung finden oder auch staatliche Unterstützung bekommen.
Veränderungen in kleinen Schritten
Viele Forderungen nach Klimaschutz oder gesellschaftlichen Veränderungen lassen das Gefühl entstehen, dass man sich sofort um 180 Grad verändern muss. Veränderungen gelingen aber nur, wenn sie in realistischen Schritten von vielen Menschen gegangen werden können.
Das damit einhergehende Verlassen der eigenen (digitalen) Bubble ermöglicht also einen neuen Blick auf die eigenen Überzeugungen sowie Einstellungen und somit einen Perspektivwechsel.
Aktiv werden
Viele Menschen fühlen sich besser, wenn sie aktiv werden. So kann es der Psyche guttun, an Demonstrationen teilzunehmen, um dem Ohnmachtsgefühl entgegenzuwirken.
Wer finanzielle Mittel hat, kann zum Beispiel für soziale Projekte oder gemeinnützige Hilfsorganisationen spenden. Auch Sachspenden oder ehrenamtliche Tätigkeiten können Gefühle von Hilflosigkeit schwinden lassen und dem eigenen Befinden zugutekommen.
Wie Menschen mit ihrer Angst umgehen, ist sehr unterschiedlich. Manchen hilft es, die eigene Anspannung einfach mit Humor zu bekämpfen.
Ein Weg aus dem eigenen Stresskreislauf kann zudem sein, sich die eigene Lage bewusst zu machen und dankbar für das Gute im eigenen Leben zu sein. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft, ein Treffen mit Freunden oder das eigene Leibgericht zu kochen, kann die psychische Gesundheit stärken.
Eigene Probleme angehen
Wer in einer Krise aktiv wird und seine Probleme eigenständig löst, wird krisenfester, weil er die positiven Erfahrungen auch in kommenden Krisenzeiten wieder abrufen kann.
Hilfe suchen bei Hausarzt oder Telefonseelsorge
Unter Umständen kann es jedoch wichtig sein, sich externe Hilfe bei der Hausärztin oder dem Hausarzt zu suchen. Die Telefonseelsorge ist online und unter den Telefonnummern (0800) 111 0 111, (0800) 111 0 222 sowie 116 123 rund um die Uhr anonym und kostenfrei erreichbar. Akute Hilfe für Kinder, Jugendliche und Eltern gibt es bei der Nummer gegen Kummer unter der Telefonnummer 116 111.In extremen Fällen kann eine Angst-Ambulanz die richtige Anlaufstelle sein, um die Krise seelisch zu bewältigen.