Freundschaft (Seite 2/7)

Wie entstehen Freundschaften?

Ähnlichkeiten fördern die Entwicklung von Freundschaft

Ähnlichkeit zwischen Freunden geht über Geschmack und Interessen hinaus: Wir freunden uns meistens mit Menschen an, die uns ähnlich sind und das sogar hinsichtlich der Genetik, wie die US-Wissenschaftler James Fowler und Nicholas Christakis herausfanden. Das Erbgut der besten Freunde ist demnach einander so ähnlich, als wären sie Cousins oder Cousinen vierten Grades. Wie genau es gelingt, solche Wahlverwandten in der Masse zu erkennen, konnten die Forscher allerdings noch nicht beantworten. 

Immerhin haben israelische Forscher um Noam Sobel vom Weizmann-Institut in Rehovot herausgefunden, dass spontane Freundschaften, bei denen also der erste Eindruck eine Rolle spielt, vom Körpergeruch des Gegenübers bestimmt zu sein scheinen. Die Studie wurde im Fachblatt Science Advances im Juni 2022 veröffentlicht. Bei Freundschaften, die sich über einen längeren Zeitraum entwickeln, dürften allerdings andere Faktoren eine größere Rolle spielen, zum Beispiel die eigene Biografie. 

Je öfter wir jemanden sehen, desto sympathischer wird er

Auch wenn sie in Kunst und Literatur mit den erhabensten Worten beschrieben wird, entsteht Freundschaft häufig doch eher aus banalen Gründen. Wer zufällig in unserer Nähe ist, wird tatsächlich eher unser Freund. Das zeigt eine Studie der Universität Mainz. Ein Psychologie-Professor hatte dort Studienanfängerinnen und Studienanfängern in der ersten Vorlesung einen Platz im Hörsaal zugewiesen und zwar nach dem Zufallsprinzip. Es zeigte sich, dass die Sitzordnung in dieser einen Veranstaltung die zukünftigen Freundschaften zwischen den Kommilitonen beeinflusste: Studierende, die nebeneinandergesessen hatten, waren ein Jahr später stärker miteinander befreundet als diejenigen, die weit voneinander entfernt gesessen hatten.

Die meisten hinterfragen wohl nicht, ob ihre Freunde ihnen so ähnlich sind, wie sie es glauben. Doch ob sie es tatsächlich sind, kann man bezweifeln, wenn man sich Ergebnisse einer Studie aus der Freundschaftsforschung ansieht: Wissenschaftler:innen der Humboldt-Universität in Berlin konnten zeigen, dass sich enge Freunde oft gar nicht so sehr ähneln. Sie fanden heraus, dass es für die Freundschaft keine Rolle spielt, ob uns jemand tatsächlich ähnlich ist, es reicht, dass wir unsere Freunde als ähnlich wahrnehmen. 

Es gilt schließlich auch für die Freundschaft, was die häufigen Werbewiederholungen in Magazinen oder im Fernsehen bezwecken: Je häufiger dem Menschen etwas vorgeführt wird, desto vertrauter und damit sympathischer wird es ihm. Je öfter wir also einem anderen Menschen begegnen, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass wir ihn immer sympathischer finden, vorausgesetzt, er war uns nicht von Anfang an unsympathisch. Der Grund dafür ist der „Mere-Exposure-Effekt", auf Deutsch so viel wie „bloßer Darbietungseffekt“: Unser Gehirn kann das, was wir gut kennen, leichter verarbeiten und belohnt uns dafür. Dinge oder Personen, die uns vertraut sind, finden wir deswegen eher sympathisch. 

Intensive Aufmerksamkeit von wenigen, bisschen Aufmerksamkeit von vielen

Auch wenn der Philosoph Aristoteles die ethischen Ansprüche an eine Freundschaft ziemlich hoch ansetzte, verhalten sich die meisten Menschen im realen Leben doch deutlich eigennütziger. Studien konnten belegen, dass die meisten Menschen ihre Freunde danach aussuchen, was sie sich von ihnen versprechen. Dabei geht es um die verschiedensten Bedürfnisse, emotionale ebenso wie praktische: Wer kümmert sich um mich, wenn ich krank bin oder wenn ich Liebeskummer habe? Wer hilft mir, die Schrankwand aufzubauen oder ist bereit, mir kurzfristig Geld zu leihen?

Natürlich wollen wir nicht nur Freunde, die wir toll finden, sondern auch Freunde, die uns selbst toll finden. Und sie sollten uns das auch zeigen. Dabei verfolgen wir laut des Philosophen Björn Vedder zwei verschiedene Strategien. Wir wünschen uns einerseits Aufmerksamkeit von vielen Menschen. Gleichzeitig wünschen wir uns Aufmerksamkeit von wenigen Menschen, dafür aber auch eine intensivere Beziehung.

Jeder wünscht sich also viel Aufmerksamkeit und Zuneigung von wenigen und zumindest ein bisschen Aufmerksamkeit von ganz vielen. Das erste Bedürfnis decken richtig gute Freunde im realen Leben, das zweite soziale Medien und Chatgruppen.