Einsamkeit (Seite 2/7)

Einsamkeit verursacht Stress

Dauerhafte Einsamkeit führt zu schwerwiegenden Gesundheitsproblemen

Weil Menschen soziale Wesen sind, reagiert der Körper auf Einsamkeit wie auf jeden negativen Stressor. Es wird vermehrt Kortisol ausgeschüttet. Mit diesem Hormon mobilisiert der Körper die Kräfte für Höchstleistungen. Wir sind nun wach, kampf- und fluchtbereit. Dieses Programm, das wir seit der Urzeit in uns tragen, half einst unseren Vorfahren vor wilden Tieren oder Naturgewalten flüchten oder sich zur Wehr zu setzen.

Doch wenn wir Anschluss an eine Gruppe suchen, wirkt ein aktiviertes Stressprogramm auf andere Menschen wenig einladend. Auf Dauer bereitet uns dieser Anti-Stress-Modus sogar gesundheitliche Probleme. Der Körper stellt mehr Zucker bereit und baut dazu teils Muskeleiweiß ab, was einen erhöhten Blutzuckerspiegel bewirkt. Wird das Herz-Kreislauf-System auf Dauer stark angetrieben, ist Bluthochdruck die Folge. Längerfristig wird außerdem die Immunabwehr herabgesetzt, was anfälliger für Infektionskrankheiten macht. Auch Magengeschwüre oder Osteoporose können Langzeitfolgen von chronischem Stress sein.

Forschungsarbeiten der letzten Jahre zeigen, dass einsame Menschen häufiger unter chronischen Erkrankungen, Schlafstörungen, Stress, depressiven Symptomen und Selbstwertproblemen leiden. Darüber hinaus erhöht Einsamkeit das Risiko, vorzeitig zu sterben, genauso wie Rauchen, Fettleibigkeit oder Luftverschmutzung. Wer sich sozial isoliert fühlt, hat ein viel größeres Risiko, einen Schlaganfall zu bekommen oder an Krebs zu erkranken. Auch die Wahrscheinlichkeit für einen Herzinfarkt erhöht sich dramatisch.

Die Regierung von Großbritannien hat bereits reagiert und in einem Ministerium eine Stelle zur Bekämpfung von Einsamkeit eingeführt.

Die Qualität der Beziehungen ist entscheidend, nicht die Vielzahl der Kontakte

Ab und zu allein zu sein, empfinden die meisten Menschen als wohltuend. Ob sich aber jemand einsam fühlt, hängt nicht davon ab, dass er regelmäßig allein ist, auch nicht von der Anzahl seiner Kontakte. Betroffenen fehlt größtenteils ein Mindestmaß an Tiefe in der Begegnung mit anderen Menschen.

Diesen Mangel kann man empfinden, wenn man allein ist, aber genauso, wenn man mit dem Partner, Familienmitgliedern oder Freunden zusammen ist. Denn das Belastende an Einsamkeit ist vornehmlich nicht, dass man mit keiner Menschenseele spricht, sondern dass den Kontakten, die man pflegt, das verbindende Etwas fehlt.

Einsamkeit ist das Empfinden, ohne Verbindung zu anderen Menschen zu sein, sich niemandem anvertrauen und keinen um praktische oder moralische Unterstützung bitten zu können. Andauernde Einsamkeit bewirkt, dass der Zustand die eigenen Fähigkeiten, das Denken und Fühlen zu steuern, beeinträchtigt. So können sich einsame Menschen schlechter in andere einfühlen, sie werden misstrauisch und ziehen sich immer mehr zurück.

Der Teufelskreis der Einsamkeit lässt Betroffene mehr und mehr in ihrer eigenen Welt leben. Umso wichtiger ist es, diesen Teufelskreis zu durchbrechen. Obwohl soziale Kontakte lebensnotwendig sind, ist vielen Menschen deren Bedeutung nicht bewusst.

Wenn es um die Gesundheit geht, denken die meisten Menschen an gesundes Essen, viel Bewegung und den Verzicht auf Genussmittel wie Alkohol und Nikotin. Dabei hat das Sozialleben einen viel größeren Einfluss auf die Gesundheit.

Der Gesundheitsforscher Jeremy Howick von der University of Oxford hat den Einfluss sozialer Beziehungen auf unser Wohlergehen untersucht und dabei festgestellt, dass enge, gute familiäre wie freundschaftliche Beziehungen sogar lebensverlängernd wirken können.

Einsamkeit lässt Menschen früher sterben

Forscher von der University of Queensland beispielsweise konnten in einer Studie zeigen, dass den meisten Menschen der hohe gesundheitliche Wert von ausreichenden und befriedigenden sozialen Kontakten nicht bewusst ist. Sie baten erwachsene Frauen und Männer einzuschätzen, was der Gesundheit am meisten nütze und einem langen Leben dienlich sei. Die Teilnehmer sollten dazu elf vorgegebene Gesundheitseinflüsse, die zur Lebenserwartung beitragen, in eine Rangfolge bringen.

Fast alle setzten auf die ersten und für sie drei wichtigsten Plätze: „nicht rauchen“, „körperlich aktiv sein“ und „nicht übergewichtig sein“. Der Vergleich mit einer großen Metastudie zeigte allerdings, dass „Unterstützung durch andere“ und „Eingebundensein in die Gemeinschaft“ am wichtigsten für eine gute Gesundheit sind. Die Befragten setzten diese Aspekte jedoch auf die hinteren Plätze. In dieser Metastudie wurden aus 148 Einzeluntersuchungen die tatsächlichen Gesundheitsgefährder und -bewahrer ermittelt.

Manfred Spitzer, Professor für Psychiatrie an der Universität Ulm und ärztlicher Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Ulm hat sich mit der Frage, in welcher Weise soziale Einbindung uns gesund hält und ein Mangel an zwischenmenschlichem Kontakten uns krank macht, beschäftigt und dazu eine Fülle von Forschungsbefunden zusammengetragen. Spitzer warnt eindringlich vor den Folgen der Vereinzelung, denn Menschen, die einsam leben, hätten ein deutlich höheres Risiko, in einem bestimmen Zeitraum von beispielsweise den nächsten fünf oder zehn Jahren zu sterben, als jemand, der nicht einsam lebt.

Seite 2/7