Neuropsychologische Therapie

Behandlung von Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit nach Gehirn-Schädigung

24.11.2014 Von Dr. Christine Amrhein

Eine 26-jährige Patientin hat nach einem schweren Schädel-Hirn-Trauma Probleme, sich alltägliche Dinge zu merken. Wenn sie sich länger auf eine Aufgabe konzentrieren muss, macht sie viele Fehler. Außerdem hat sie Probleme bei Aufgaben, die mehrere Handlungsschritte erfordern. Sie ist deutlich reizbarer als vor dem Unfall, reagiert bei Anforderungen schnell frustriert und schwankt oft schnell von einem Gefühlszustand zum anderen.

In der neuropsychologischen Therapie lernt die Patientin, mithilfe eines Arbeitsplanes Überlastungen ihres Gedächtnisses zu vermeiden und ihren Alltag besser zu strukturieren. Sowohl die Patientin als auch ihre Angehörigen und Arbeitskollegen erhalten Informationen über das Störungsbild und lernen, wie sie mit den Defiziten besser umgehen können. Am Ende der Therapie ist die Patientin im Beruf und im Alltag deutlich selbständiger und emotional deutlich ausgeglichener. Dabei setzt sie weiterhin externe Gedächtnishilfen ein, um im Alltag die Übersicht zu behalten und ihre verschiedenen Aufgaben zu bewältigen.

Anwendungsgebiete der neuropsychologischen Therapie

  • Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit, zum Beispiel Störungen bei Aufmerksamkeit und Konzentrationsfähigkeit, Lernen und Gedächtnis, Sprachfähigkeit, bei der Bewegungsfähigkeit, abstraktem Denken und Planungsfähigkeit
  • neurologische Funktionsstörungen wie Störungen der Sprache (Aphasie), Störungen der Informationsverarbeitung beim Sehen oder Störungen bei der Wahrnehmung des Raumes
  • Beeinträchtigungen des emotionalen Erlebens und Befindens, zum Beispiel Ängste, Reizbarkeit oder depressive Verstimmungen
  • Störungen des Verhaltens, zum Beispiel Unruhe, Antriebslosigkeit oder fehlende Selbstkontrolle
  • Probleme bei der Krankheitsverarbeitung und der Einsicht, dass eine Störung vorliegt
  • Probleme in den zwischenmenschlichen Beziehungen, die durch die Erkrankung entstehen

In der klinischen Neuropsychologie geht es darum, die Auswirkungen einer Hirnschädigung oder einer Schädigung des zentralen Nervensystems auf kognitive (gedankliche) und psychische Fähigkeiten zu erkennen und zu behandeln.

Eine neuropsychologische Therapie wird bei Störungen der geistigen Leistungsfähigkeit eingesetzt, die durch Schädigungen des Gehirns entstehen. Diese können durch Unfälle oder Erkrankungen verursacht werden – zum Beispiel durch Schädel-Hirn-Verletzungen, Schlaganfälle, Hirntumoren oder entzündliche Erkrankungen des Gehirns.

Durch die organische Schädigung erleben viele Betroffene typische Beeinträchtigungen: Sie können sich schlechter konzentrieren, haben Schwierigkeiten, sich neue Dinge zu merken oder sich an Vergangenes zu erinnern oder Probleme, Handlungsabläufe zu planen oder sich abstrakte Sachverhalte vorzustellen. Teilweise kommt es auch zu charakteristischen Funktionsstörungen wie Störungen bei der Orientierung im Raum, Störungen der Aufmerksamkeit für eine Körperhälfte (Neglect) oder Störungen der Sprache (Aphasie).

Die neuropsychologische Therapie ist ein wissenschaftlich begründetes Therapieverfahren. Sie umfasst eine Reihe von Methoden, mit denen die Auswirkungen einer organischen Hirnschädigung gezielt behandelt werden können.

So leiden viele Betroffene durch die Hirnschädigung selbst – aber auch dadurch, dass sie subjektiv Einschränkungen erleben – unter psychischen Problemen. Häufig treten emotionale Schwierigkeiten wie Ängste, Anspannung, depressive Verstimmungen oder Reizbarkeit auf. Auch Schwierigkeiten in den Beziehungen zu anderen Menschen kommen oft vor. Das kann so weit führen, dass die Betroffenen soziale Kontakte nicht mehr aufrechterhalten können und dadurch sozial isoliert sind.

Oft haben Patienten mit einer erworbenen Hirnschädigung Schwierigkeiten, den Alltag selbständig zu bewältigen oder größere Entscheidungen zu treffen. Manche neigen dazu, ihre Fähigkeiten zu unterschätzen – und sind dann häufig nicht so selbständig, wie sie es eigentlich sein könnten. Andere tendieren dazu, ihre Fähigkeit zu überschätzen, was dazu führen kann, dass sie leichtsinnig handeln und sich oder andere in Gefahr bringen.