Stress durch Überforderung

Von Stress spricht man meistens dann, wenn ein Mensch nicht angemessen damit umgehen kann, was von außen an ihn herangetragen wird oder er von sich selbst erwartet. Stress entsteht also dann, wenn jemand eine Anforderung als Belastung, Schaden oder Verlust erlebt und ihm zudem die nötigen Fähigkeiten zur Stressbewältigung fehlen. Menschen, die dem Stress nichts entgegensetzen können, greifen häufiger zu Nikotin, Alkohol, Schlaf- und Beruhigungsmittel. Darüber hinaus ernähren sie sich schlechter oder verhalten sich insgesamt gesundheitsschädigender.

Die Stressreaktion als Schutzmechanismus

Sich gestresst zu fühlen, dient im Grunde dem Lebenserhalt. Denn dieser in der Menschheitsentwicklung gewachsene Schutzmechanismus ermöglicht es dem Menschen, in gefährlichen Situationen schnell und instinktiv reagieren zu können. Die amerikanischen Physiologen Hans Seyle und Walter Cannon prägten in den 1930er Jahren dafür den Begriff „fight or flight response“ (Kampf-oder-Flucht-Reaktion).

Die Stressreaktion bewirkt, dass das Kurzzeitgedächtnis und das rationale Denken kurzfristig unterdrückt werden: Der Mensch soll sofort handeln können, denn ein zu langes Nachdenken gefährdet das Überleben. Auch das Herz schlägt schneller, der Blutdruck steigt, die Bronchien weiten sich und die Atmung wird schneller.

All das ist notwendig, um den Körper besser mit Sauerstoff zu versorgen. Damit der Körper schnell über mehr Energie verfügt, steigt der Blutzuckerspiegel und die roten Blutkörperchen werden vermehrt produziert. Auch die Muskeln werden intensiver versorgt, damit die Reflexe besser funktionieren.

Sofort kämpfen oder schnell fliehen können

Sogar die Pupillen weiten sich, damit der Mensch besser in der Nähe sehen kann. Gleichzeitig steigt die Schmerztoleranz, das Blut gerinnt besser, damit bei einer Verletzung die Wunde schneller heilt. Funktionen, die nicht unmittelbar lebensnotwendig sind, werden vorübergehend reduziert, also die Magendarmtätigkeit oder die Sexualfunktionen.

Außerdem wird das sogenannte Stresshormon Cortisol freigesetzt. Es begünstigt einen vermehrten Eiweißabbau, es hemmt das Immunsystem kurzfristig in seiner Tätigkeit und stellt gleichzeitig mehr Blutzucker zur Verfügung.

Bei einer plötzlichen Gefahr ist der Mensch mit allem ausgestattet, was er benötigt, um sofort kämpfen oder schnell fliehen zu können.

Chronischer Stress macht krank

Stress ist als Notbetrieb lebensrettend, als Dauerzustand aber lebensbedrohlich. Stress wird schädlich, wenn nach der Stressreaktion keine ausreichende Erholung möglich ist, die Stressreaktion zu lang dauert oder sogar chronisch wird.

Durch chronischen Stress können diese Folgen entstehen: Anspannung, Erschöpfung, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Schlafprobleme, Zyklusstörungen, Libidoverlust, sogar eine Verminderung der Fruchtbarkeit, chronische Schmerzen, Bluthochdruck oder ein steigendes Herzinfarktrisiko. Stress kann auf psychischer Ebene Nervosität, Angst, Verzweiflung, Depression oder Burnout auslösen. Wer dauerhaft gestresst ist, der erleidet Aufmerksamkeitsstörungen, Konzentrationsschwierigkeiten, Gedächtnisprobleme oder insgesamt eine Abnahme seiner geistigen Leistungsfähigkeit. Auch psychosomatische Erkrankungen wie Asthma, essenzieller Blutdruck oder Magengeschwüre können entstehen.

Diabetes, Herzinfarkt oder Übergewicht als Folge

Chronischer Stress ist eine Belastung für den Stoffwechsel. Viele Menschen steuern mit Ersatzbefriedigungen dagegen. Sie essen beispielsweise mehr als sie brauchen, wenn sie unter Druck stehen. Gestresste Menschen essen in diesen Situationen vor allem besonders süße oder fette Nahrungsmittel, weil diese verstärkt das Glückshormon Serotonin freisetzen. Weil aber der Körper bei Stress in den Sparmodus schaltet, verbrennt er deutlich weniger Energie. Diabetes, Herzinfarkt oder Adipositas können die Folge sein.

Wenn das Stresshormon Cortisol, das den Fettabbau hemmt, Energie bereitstellt, steigt der Blutzuckerspiegel an. Dieser Anstieg bewirkt, dass mehr Insulin ausgeschüttet wird, als notwendig ist. Insulin ist wesentlich für die Fetteinlagerung. Der zu hohe Blutzuckerspiegel erhöht das Körpergewicht und kann Diabetes verursachen.

Bei chronischem Stress wird das Immunsystem unterdrückt, der Körper kann sich nicht mehr ausreichend gegen Infektionen schützen. Cortisol lässt das Gedächtnis aussetzen und hindert es daran, abgespeicherte kognitive Informationen wiederzufinden, andererseits bleiben die negativen Erlebnisse besonders lebhaft in Erinnerung.

Über die Autorin:

Über die Autorin: Angelika Völkel bietet als Heilpraktikerin für Psychotherapie Psychologische Beratung und Psychotherapie in ihrer Praxis "Therapie für Singles und Paare" in München und Starnberg, sie ist außerdem Fachfrau für medizinische Entspannungsverfahren (progressive Muskelentspannung und autogenes Training) mit eidgenössischem Diplom, Ausbildung an der medrelax professional, Fachschule für medizinische Entspannungsverfahren in Zürich.

*) Fälle in pseudonymisierter Form aus der Praxis von Angelika Völkel

Quellen:

  • Borwin Bandelow, Das Angstbuch, Verlag rororo Reinbek, 2006
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  • Damasio, Antonio R., Descartes' Irrtum: Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, List Verlag München 1995
  • Hautzinger, Martin, Kognitive Verhaltenstherapie bei Depressionen, Beltz Verlag Weinheim Basel 2013, 7. Auflage
  • Jacobson, Edmund, Entspannung als Therapie: Progressive Relaxation in Theorie und Praxis, Klett-Cotta, Stuttgart 2019, 9. Auflage
  • Lazarus, Richard S., Stress and Emotion: A new Synthesis, Springer Paperback 2006
  • Noruzi Zamenjani, M., Masmouei, B., Harorani, M., Ghafarzadegan, R., Davodabady, F., Zahedi, S., Davodabady, Z. (2019). The effect of progressive muscle relaxation on cancer patients` self-efficacy. Eur J Oral Sci, 127 (1), 45-51
  • Schultz, Johannes, Das autogene Training: Konzentrative Selbstentspannung. Versuch einer klinischen-praktischen Darstellung. Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York 1982, 17. unveränderte Auflage
  • Schandry, Rainer, Lehrbuch der Psychophysiologie (2. Aufl.). Weinheim: Psychologie Verlags Union 1988
  • Seyle, Hans, Stress, Bewältigung und Lebensgewinn, Piper München 1974
  • Wilken, Beate, Methoden der Kognitiven Umstrukturierung - Ein Leitfaden für die psychotherapeutische Praxis, Verlag W. Kohlhammer, 2019, 8. Auflage
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