Suizid (Seite 4/9)

Verdacht auf Selbst­tötungs­absichten

Angemessene Reaktion

Hat man den Verdacht, dass bei einer Person eine Selbsttötungsabsicht vorliegen könnte, ist es der erste Schritt, mit der betroffenen Person das Gespräch zu suchen und dieses aktiv sowie behutsam auf den eigenen Verdacht zu lenken.

Die Hemmschwelle, selbst ein solches Gespräch zu beginnen ist groß, da Suizidalität in unserer Gesellschaft noch immer ein tabuisiertes Thema ist. Für das Führen eines solchen Gespräches kommt erschwerend hinzu, dass auch Betroffene oft große Ängste haben und befürchten, dass sie entweder nicht ernst genommen oder nicht verstanden werden, wenn sie jemandem ihre Selbstmordgedanken anvertrauen. Für sie wäre es gleichermaßen schlimm, dass sie als psychisch krank abgestempelt werden oder sich andere von ihnen abwenden könnten.

Das zentrale Anliegen eines solchen Gespräches ist es, dem Betroffenen seine Ängste zu nehmen und ihm Möglichkeiten sowie Wege einer professionellen Unterstützung aufzuzeigen. Wer sich dabei unsicher ist, kann sich auch bei einer der Beratungsstellen dazu informieren.

Es gibt für Sie viele Ansprechpartner, bei denen Sie Unterstützung finden können: Jeweils bei Ihrem eigenen Hausarzt oder falls Sie den Namen kennen, beim Hausarzt des gefährdeten Angehörigen, Freundes oder Kollegen.

Darüber hinaus helfen die Notfalldienste mit Spezialisierung auf Suizid, Sozialdienste sowie Seelsorger aller Konfessionen (Telefonseelsorge als auch vor Ort). Es ist auch immer hilfreich, lokale Psychotherapeuten zu recherchieren und gegebenenfalls im Vorfeld oder im Nachgang eines Gespräches zu kontaktieren.

Exkurs: Die Angst Betroffener vor einer "Zwangseinweisung"

Häufig ist bei Betroffenen die Furcht groß, in eine geschlossene psychiatrische Einrichtung eingewiesen zu werden. Tatsächlich kann die Möglichkeit einer sogenannten Zwangseinweisung bestehen, also eine Einweisung ohne die Einwilligung des Betroffenen.

Voraussetzung dafür ist, dass die Person aufgrund ihrer psychischen Erkrankung die öffentliche Sicherheit und Ordnung, ihr Leben, mindestens aber die Gesundheit gefährdet. Eine Einweisung kann in der Regel auf zwei Wegen veranlasst werden:

Entweder, der Suizidgefährdete steht bereits unter Betreuung, dann ist es der Betreuer, der beim zuständigen Betreuungsgericht einen Antrag stellt.

  • Ohne einen gesetzlichen Betreuer ist es meist der zuständige Arzt, oftmals der Hausarzt, der die Einweisung veranlasst. Je nach Bundesland muss in solchen Fällen aber auch ein Amtsarzt hinzugezogen werden, der entweder telefonisch seine Zustimmung erteilt, oder innerhalb des ersten Tages der Einweisung den Zustand des Betroffenen überprüft.
  • Bei einem geistig klaren Patienten hingegen, das heißt, einer Person, die eine Behandlung, möglicherweise auch schon eine Beratung an sich ablehnt, sich aber über die Konsequenzen durchaus im Klaren ist, darf keine Zwangseinweisung stattfinden. Denn: Der Betroffene hat auch ein Recht auf eine Nicht-Behandlung. Jedoch gilt es, diese Einsichtsfähigkeit bezüglich der eigenen psychischen Erkrankung und dessen Wunsch, nicht behandelt zu werden, genau zu dokumentieren.

Kann ich durch ein solches Gespräch die Situation des Betroffenen verschlimmern?

Entgegen der weit verbreiteten Befürchtungen tun sich Selbstmordgefährdete nicht eher etwas an, weil man mit ihnen darüber spricht. Im Idealfall kann es dazu kommen, dass sie sich nicht mehr alleine mit ihren Problemen, dafür aber verstanden fühlen und die Selbstmordgedanken abnehmen.

Manchmal sind die Betroffenen sogar erleichtert, wenn der Gesprächspartner auf das Thema zu sprechen kommt. Die eigenen Ängste etwas Falsches zu sagen oder zu machen, sollten nicht dazu führen, ein solches Gespräch zu vermeiden. Zugleich ist ein halbwegs gelungenes Gespräch viel mehr als gar kein Gespräch aus Angst des Fragenden, etwas Falsches zu sagen.

Was gilt es zu beachten, damit das Gespräch möglichst erfolgreich verläuft? Und wie lässt es sich am besten einleiten?

Bereiten Sie sich selbst möglichst gut auf das Gespräch vor und überlegen Sie sich Ihre Reaktionen auf die verschiedenen möglichen Verläufe:

  • Wie reagiere ich, wenn die betroffene Person gar nicht mit mir reden möchte?
  • Wie reagiere ich, wenn die betroffene Person (erst einmal) alles abstreitet?
  • Wie reagiere ich, wenn die betroffene Person meinen Verdacht auf eine mögliche Selbsttötung ruhig und entspannt bestätigt?
  • Wie reagiere ich, wenn die betroffene Person auf den von mir geäußerten Verdacht panisch überreagiert?

Wichtig ist auch, dass Sie für ein solches Gespräch ausreichend Zeit einplanen und einen Ort auswählen, an dem Sie ungestört sind. Möglicherweise bietet sich auch ein Spaziergang dafür an.

Außerdem sollten Sie unvoreingenommen und ohne größere oder falsche Erwartungen in das Gespräch gehen: Es kann auch passieren, dass Ihr Gesprächspartner nicht mit Ihnen über seine Probleme reden möchte und nicht auf Ihr Angebot eingeht.

Die erste Hürde des Gesprächs steht gleich relativ am Anfang: Wie lässt sich das Gespräch einfühlsam auf das Thema Suizid lenken? Oftmals ist es dabei besser, nicht gleich mit der Tür ins Haus zu fallen, sondern erst einmal das allgemeine Befinden anzusprechen. So können Sie erwähnen, dass Ihnen aufgefallen ist, dass der Betreffende in letzter Zeit häufig so bedrückt wirkt und im Anschluss an das hoffentlich erfolgte Erzählen dann die Sorge äußern, er könne sich etwas antun.

Wenn sich Ihr Gesprächspartner Ihnen gegenüber öffnet, ist es wichtig, einfach nur zuzuhören und zu versuchen, die Situation des Betroffenen zu verstehen und sich in ihn einzufühlen. Dabei können Sie auch gezielt nachhaken. Bitte überschütten Sie ihn nicht gleich mit Kommentaren oder – wenn auch gut gemeinten – Ratschlägen und Lösungsvorschlägen. Dann wird sich Ihr Gesprächspartner verstanden und ernst genommen fühlten.

Für den Fall, dass der Betroffene tatsächlich Selbstmordabsichten hegt und sie Ihnen mitteilt, ist es zudem wichtig, ruhig zu bleiben und nicht in Panik zu verfallen.

Drängen Sie ihn nicht, sofort mehr darüber zu erzählen und reden Sie seine Situation auch nicht schön. Stattdessen sollten Sie ihm für sein Vertrauen Ihnen gegenüber danken und versuchen, ihn zu motivieren, sich professionelle Hilfe von außen zu holen. Drängen Sie dabei allerdings nicht, denn das kann dazu führen, dass es Ihr Gesprächspartner schnell wieder bereut, sich jemandem offenbart zu haben.

Auch wenn es vielleicht schwerfallen mag, bleiben Sie geduldig und bieten Sie Ihre Unterstützung an. In diesem Fall ist es jedoch wichtig, das Hilfsangebot nicht nur als reine Floskel zu äußern, sondern immer nur das anzubieten, was Sie auch wirklich tun können beziehungsweise bereit sind, zu tun. So könnten Sie beispielsweise anbieten, dass der Betroffene Sie jederzeit anrufen kann, wenn sich sein Zustand verschlimmert. Allerdings sollten Sie dann auch wirklich gut erreichbar sein. Verweisen Sie ansonsten auf professionelle Stellen oder vereinbaren Sie eine Ersatzperson, die der Betroffene anrufen kann, falls Sie gerade nicht verfügbar sind.

Überhaupt kann es sehr hilfreich sein, weitere Vertrauenspersonen hinzuzuziehen, um sich selbst zu entlasten. Dazu sollten Sie aber zunächst das Einverständnis des Betroffenen einholen, schließlich sollten Sie das Ihnen Anvertraute streng vertraulich behandeln.

Lassen Sie sich trotzdem nie das Versprechen abnehmen, gar niemandem von dem Selbstmordvorhaben zu erzählen, denn wenn es der Betroffene nicht tut, ist es manchmal erforderlich, dass Sie sich Hilfe von Fachleuten holen. Schließlich kann es auch für die Eingeweihten ziemlich belastend sein, nicht selten werden sie von Schuldgefühlen geplagt und fühlen sich verantwortlich. Falls diese belastenden Gefühle Sie überrollen, sollten Sie sich Fachleuten anvertrauen und unterstützen lassen.

Versuchen Sie stattdessen, Ihrerseits eine verbindliche Vereinbarung mit der gefährdeten Person zu treffen: Lassen Sie sich versprechen, dass Ihr Gegenüber sich zumindest bis zu Ihrem nächsten Treffen nichts antut. Auch ein von Ihnen für sich vorbereiteter Sicherheitsplan (Beispiel der Suizidprävention Zürich zum Download), was der Betroffene im akuten Notfall unternehmen kann und welche Nummern er anrufen kann, ist in manchen Fällen hilfreich.

Verhalten bei Suiziddrohung

Manchmal ist es jedoch genau umgekehrt: Nicht Sie lenken das Gespräch auf das Thema Suizid, sondern Ihr Gesprächspartner überrascht Sie mit der Offenbarung seiner Selbstmordabsichten. In diesem Fall können Sie genau so vorgehen, wie im obigen Gesprächsleitfaden geschildert.

Besonders schwierig ist es jedoch, wenn eine Selbstmordandrohung als Druckmittel eingesetzt wird. Etwa dann, wenn der Partner droht, sich im Falle einer Trennung umzubringen. In einer solchen Situation lässt sich oft nicht einschätzen, wie ernst das gemeint ist. Ernst genommen werden sollte es aber in jedem Fall!

Hilfreich ist es, wenn Sie Ihre Sorge ausdrücken, gleichzeitig aber auch deutlich machen, dass jeder die Verantwortung für sein Leben selbst trägt. Bestehen Sie zudem auf professionelle Hilfe und empfehlen Sie Ihrem Gegenüber, sich von Fachpersonen beraten zu lassen.

Im akuten Notfall

Im akuten Notfall ist ein rasches Handeln gefragt: Sie sollten den Betroffenen nicht alleine lassen, auch wenn Sie möglicherweise gerade einen anderen Termin haben. Schließlich handelt es sich hierbei um einen Notfall.

Versuchen Sie, mit der gefährdeten Person zu reden, ein Gespräch aufzubauen. Das nämlich dient dazu, wertvolle Zeit zu gewinnen. Gleichzeitig können sie andere Personen zu Hilfe ziehen (Verwandte, Freunde oder Nachbarn).

Rufen Sie zudem bei einer professionellen Krisenberatungsstelle an. Diese Nummer sollten Sie vor dem Gespräch in Ihr Handy einspeichern oder für ein Festnetztelefonat notiert haben.

Auch behandelnde Ärzte des Betroffenen, wie etwa den Hausarzt oder den Psychotherapeuten, können Sie miteinbeziehen.

Notfalladressen (siehe Verzeichnis am Ende dieses Artikels) können Ihnen im Akutfall bereits am Telefon Anweisungen und Tipps geben, wie Sie sich in der Situation am besten verhalten können.

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