Psychotherapie und Onkologie (Seite 7/8)

Behandlungs­grundlage Distress-Level

Beeinträchtigung von Lebensqualität und Wohlbefinden bleibt oft verborgen

Psychosozialer Distress

Die Diagnose Krebs löst bei vielen Patienten folgendes aus: Gefühle wie Trauer, Sorge, Hilflosigkeit aber auch Depressionen, Angststörung, Panikattacken, soziale Isolation und spirituelle Krise. Inzwischen wird dies als Psychosozialer Distress zusammengefasst. Dieser Begriff dient der Beschreibung aller individuellen Belastungen von Patienten sowie ihren Angehörigen. Er umfasst alle psychischen, sozialen, spirituellen sowie somatischen Faktoren, die Wohlbefinden und Lebensqualität von Menschen mit einer Tumordiagnose beeinträchtigen und die Krankheitsverarbeitung beeinflussen.

Die Beeinträchtigungen der „Lebensqualität“ und die „psychosoziale Belastungen“ von Krebspatienten werden insbesondere jenseits einer sichtbaren Depression oder Angststörung oft nicht ausreichend wahrgenommen.

Eine wichtige Forderung aus Sicht der Psychoonkologie ist daher ein stetiges und zielgerichtetes Untersuchen der Krebspatienten hinsichtlich des aktuellen Distress-Levels sowie seiner zeitlichen Veränderung. Ziel dieser Maßnahmen ist es einerseits, die Patienten zu ermitteln, die aktuell eine psychoonkologische Unterstützung zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung ihrer Lebensqualität benötigen und andererseits das Auftreten von schwerwiegenden psychiatrischen Krankheitsbildern wie Depressionen oder Angststörungen frühzeitig erfassen und behandeln zu können.

Depressive Störungen

„Unheilbare Krankheiten, wie sie Krebserkrankungen in vielen Fällen immer noch sind, und eine depressive Störung als psychiatrisch definierte Krankheitsentität gehören nicht per se zusammen.“

Allerdings können die Diagnose „Krebs“ und die damit verbundene existentielle Bedrohung sowie die im Laufe der Erkrankung wiederholt auftretenden Verlusterfahrungen häufig mit den Symptomen einer Depression einhergehen. Aber nur die Hälfte aller Patienten hat eine echte Depression.

Menschen mit psychiatrischer Vorerkrankung, mit Persönlichkeitsproblemen, erniedrigtem Selbstwertgefühl sowie mangelnder sozialer Unterstützung und/oder Einbindung haben ein erhöhtes Risiko, während einer Krebserkrankung eine klinisch relevante, psychiatrisch behandlungsbedürftige Depression zu entwickeln. Bei Krebspatienten ist das Suizidrisiko allerdings nur im ersten Jahr nach der Diagnosestellung erhöht.

Eine frühzeitige Diagnose ermöglicht rechtzeitig Behandlungsmaßnahmen. So kann der Entwicklung von schwerwiegenden psychischen Störungen und des Wunsches nach Lebensbeendigung vorgebeugt werden. Dabei ist zu unterscheiden, ob eine depressive Störung schon vor der Krebserkrankung bestanden hat und erst in diesem Rahmen ausbricht oder ob die Krebserkrankung der Auslöser einer Anpassungsstörung oder Depression ist.

Bei Depression ist eine Therapie mit mehreren Bausteinen (multimodal) angemessen. Psychopharmakotherapie und Psychotherapie gehören zusammen. Wenn eine Krebserkrankung chronisch ist, geht die Akutbehandlung oft auch in einen Betreuungsaspekt über. Hier ist die Psychotherapie eine angemessene Wahl.

Beim unheilbar Kranken mit Depressionen ist die unterstützende und adaptive Psychotherapie die wichtigste therapeutische Wahl. Besonders wirksam ist diese Form der Psychotherapie, wenn sie auf vorhandene soziale Unterstützung durch Angehörige aufbaut und negative soziale Unterstützung ausgleicht. Durch die Einbeziehung des Patienten in die Planung der Therapie, kann die Erfahrung von Kompetenz- und Kontrollverlust, die in unserer Gesellschaft zu einer schweren persönliche Krise führen kann, gemildert werden.

Ängste in der Onkologie

Bei Krebspatienten ist die Furcht vor einem Wiederauftreten des Tumors oder das ungewisse Gefühl hinsichtlich des weiteren Krankheitsverlaufs ständig vorhanden. Die Betroffenen leiden zu Recht an einer realen Angst. Es ist eine reaktive und bewusst wahrgenommene Angst als Folge einer schweren und (lebens-)bedrohlichen Krankheit.

Im psychiatrischen Sinn ist das keine Krankheit, schränkt aber trotzdem Befindlichkeit und Lebensqualität der betroffenen Patienten ein. Die Bedeutung der Angst von chronisch Kranken, dass sich ihre Krankheit verschlimmert, wird in der Regel von den Behandlern unterschätzt.

Diese Angst ist die zentrale emotionale Belastung chronisch kranker Menschen. Sie wirkt aber auch funktional, d. h. sie kann die Selbstfürsorge und das kooperative Verhalten in der Therapie, also die Therapietreue erhöhen. Wenn sich Erkrankte durch Art und Umfang dieser Angst in ihrer Lebensqualität eingeschränkt fühlen, bedarf sie einer Behandlung.